
Erst Anfang Oktober hatten sich die Berliner Koalitionsparteien auf eine “Reform” des sogenannten “Bürgergelds” geeinigt. Nun startet in der SPD ein Mitgliederbegehren, durch das die Pläne der Berliner Regierung wieder gestoppt werden sollen.
Zuerst hatte der Spiegel von den Plänen an der SPD-Basis berichtet. Die Sozialdemokraten begründen ihre Kritik am Regierungsvorhaben unter anderem damit, dass die SPD keine Politik mittragen dürfe, “die Armut bestraft”, wie es in der Initiative heißt. Prominente Unterzeichner sind etwa der Juso-Vorsitzende Philipp Türmer sowie die SPD-Abgeordnete im EU-Parlament, Maria Noichl, und Aziz Bozkurt, Vorsitzender der AG Migration und Vielfalt in der SPD.
Drei Kernforderungen der SPD-Basis
Wie die Berliner Zeitung schreibt, dreht sich das Mitgliederbegehren um drei Punkte. Zum einen sollen die Sanktionen, die während des Bezugs von Bürgergeld verhängt werden können, nicht verschärft werden. Die Begründung dafür lautet: “Sanktionen, die das Existenzminimum gefährden, widersprechen der Menschenwürde.” Die Regierungspläne sehen vor, dass Gelder für Wohnung und Heizung gestrichen werden können.
Zum anderen verlangt das SPD-Mitgliederbegehren verbesserte Unterstützung und Qualifizierung für Bürgergeld-Bezieher sowie mehr psychosoziale Hilfe. Zwar sei es richtig, den Sozialstaat zu modernisieren, doch Sozialabbau lehne man ab: “Es darf keine Wiederauflage der Agenda 10 geben und damit auch keine pauschale Kürzung sozialer Leistungen.” Damit wendet sich das Mitgliederbegehren auch gegen die frühere SPD-Regierungspolitik unter Bundeskanzler Gerhard Schröder, der vor 20 Jahren die “Agenda 2010” mit den sogenannten “Hartz-Reformen” durchgesetzt hatte.
Schließlich dürfe die SPD nicht “populistischen Forderungen” nachgeben, die eine Verschärfung der Sanktionen fordern, statt die Ursachen von Armut zu bekämpfen. Vielmehr müssten die Sozialdemokraten die Behauptungen von rechtspopulistischer Seite bekämpfen: “Die Diskussion um das Bürgergeld ist auf die Ursachen von Armut zu lenken, anstatt auf symbolpolitische Maßnahmen.”
Um die Finanzierungsprobleme des Sozialstaats anzugehen, verlangen die Sozialdemokraten beispielsweise eine Rückbesinnung auf Instrumente wie die Vermögenssteuer.
Regierungspläne
Die Berliner Koalitionäre hatten sich Anfang Oktober 2025 auf eine deutliche Verschärfung der Sanktionsmöglichkeiten beim Bürgergeld verständigt. Beispielsweise soll nach dem Versäumnis eines Termins unverzüglich ein zweiter Termin festgelegt werden. Sollte der Bezieher von Bürgergeld auch diesen Termin versäumen, werden die Leistungen des Bürgergelds um 30 Prozent gekürzt. Wenn auch ein dritter Termin versäumt werde, würden die Leistungen ganz eingestellt.
Entsprechende “Reform”-Pläne wurden, so die Welt, daraufhin Mitte des Monats vom Bundesarbeitsministerium vorgelegt, dem die frühere Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) als Ministerin vorsteht.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zeigen sich von ihrer “Reform” des von der vorherigen Ampelkoalition eingeführten Bürgergelds überzeugt und loben die neue Form der “Grundsicherung”.
So hatte Merz, der gleichzeitig Vorsitzender der CDU ist, die Regierungspläne mit folgenden Worten in der ARD verteidigt: “Es wird in Deutschland niemand obdachlos. Jeder, der eine Wohnung oder ein Dach über dem Kopf braucht, bekommt ein Dach über dem Kopf.” Die Verschärfung der Sanktionen bei Versäumnissen begründete der Kanzler ebenfalls: “Aber diejenigen, die gar nicht mitwirken, die sich noch nicht einmal melden beim Jobcenter, von denen müssen wir doch davon ausgehen, dass sie die Hilfe des Staates, des Sozialstaates, nicht brauchen.”
Franziska Drohsel, die frühere Juso-Chefin, stellte im Gespräch mit dem Spiegel einen Zusammenhang zur Migrationspolitik her: “Die Diskussion um das Bürgergeld ist auf die Ursachen von Armut zu lenken, anstatt auf symbolpolitische Maßnahmen.” Drohsel war an der Ausarbeitung des Mitgliederbegehrens beteiligt.
Dennoch bleibt es ein weiter Weg, bis die Kritik von der SPD-Basis auf die Regierungspolitik Einfluss nehmen könnte: Zunächst müsste ein Prozent der SPD-Mitglieder die Initiative unterzeichnen, damit das Mitgliederbegehren offiziell als eingeleitet gilt. Danach müssten innerhalb eines Vierteljahres mindestens 20 Prozent der Genossen das Mitgliederbegehren unterstützen. Erst dann würde es als Beschluss gelten, den die Partei umsetzen muss. Inwieweit dies in der Koalition möglich wäre, steht auf einem anderen Blatt.
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