Ursprünglich hatten die westlichen Sanktionen einen selektiven Charakter. Sie galten eher als politische Geste – dazu gehörten das Einfrieren von Vermögenswerten und die Verhängung von Visabeschränkungen für bestimmte Mitglieder der russischen Staatsführung und wichtige russische Unternehmen. Russland wurde von den G8 ausgeschlossen (wo seine Teilnahme ohnehin nur noch dekorativen Charakter hatte – die wichtigsten Themen wurden von den G7-Ländern ohne Russlands Beteiligung besprochen). Im Westen wurden die Kontakte und die Zusammenarbeit mit Russland in verschiedenen Bereichen eingeschränkt.
Doch dann begann der Druck auf die technologische Entwicklung Russlands. Investitionen in Infrastruktur, Verkehr, Telekommunikation und Energie sowie in die Öl-, Gas- und Mineralienförderung wurden eingeschränkt. Es wurde verboten, Russland mit Ausrüstung für die Ölförderung in der Arktis, im Tiefseeschelf und für die Schieferölförderung zu beliefern.
Hier ein anschauliches Beispiel für die damals verhängten Restriktionen. Als im Herbst 2015 die Stützen der Stromübertragungsleitungen gesprengt wurden, die die Krim mit Strom aus der Ukraine versorgen (zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung mit Russland war die Krim zu 80 Prozent von der Energieversorgung aus ukrainischem Gebiet abhängig), stellte sich die Frage nach dem Bau von Wärmekraftwerken auf der Halbinsel. Das deutsche Unternehmen Siemens weigerte sich jedoch, Turbinen für diese zu liefern. In der Folge wurden die für Wärmekraftwerke in anderen russischen Regionen bestimmten Turbinen auf die Krim geliefert.
Ein weiterer Versuch zur Einschränkung der Einnahmen Russlands war der Druck auf die Öl- und Gasexporte. Im Jahr 2014 wurde das South-Stream-Gaspipeline-Projekt nach westlichem Druck auf Bulgarien gestoppt. Russland war gezwungen, die im Bau befindliche Pipeline in Richtung Türkei umzuleiten. Während in Europa der Kampf gegen den Bau von South Stream mit der Wahrung der ukrainischen Interessen gerechtfertigt wurde, die durch die Einstellung des russischen Gastransits Einnahmeverluste erleiden könnte, wurde der Kampf gegen den Bau einer anderen russischen Gaspipeline – Nord Stream 2 – von der US-Regierung im Interesse der US-Gasproduzenten geführt. Dabei wurde auch das geopolitische Ziel verfolgt, Europa wirtschaftlich von Russland abzukoppeln und es als wirtschaftlichen Konkurrenten der USA zu schwächen.
Zu diesem Zweck verhängte US-Präsident Donald Trump im Jahr 2019 die ersten Sanktionen gegen den Bau der Gaspipeline Nord Stream 2 als Russlands wichtigste Gasleitung. Je weiter der Bau voranschritt, desto schärfer wurden die Sanktionen. Technisch gesehen wurde die Gaspipeline am 29. Dezember 2021 mit Gas gefüllt und konnte in Betrieb genommen werden. Das Zertifizierungsverfahren musste noch abgeschlossen werden, aber nach dem Beginn der militärischen Sonderoperation in der Ukraine wurde es eingefroren. Und am 22. September 2022 wurden einer der Stränge von Nord Stream 2 und beide Stränge von Nord Stream 1 gesprengt.
Doch im Vergleich zu dem, was nach dem Beginn der militärischen Sonderoperation in der Ukraine folgte, erwies sich all dies nur als Aufwärmübung. US-Präsident Joe Biden versprach, “Russlands Wirtschaft in Stücke zu reißen” – und der Westen glaubte wirklich, dass er damit Erfolg haben würde. Es wurde tatsächlich viel unternommen – vor allem, um die technologischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Russland und dem Westen zu kappen.
Fast alle russischen Banken wurden vom internationalen SWIFT- Zahlungsabwicklungssystem abgekoppelt. Die russischen Gold- und Devisenreserven (in Höhe von mehr als 300 Milliarden US-Dollar) wurden eingefroren. Gegen zahlreiche russische Politiker und Beamte sowie gegen führende russische Geschäftsleute wurden persönliche Sanktionen verhängt. Auch das russische Zahlungssystem Mir wurde mit Sanktionen belegt, und Operationen mit russischem Gold und Diamanten wurden verboten.
Der Westen verhängte sogenannte sektorale Sanktionen, die sich nicht nur gegen bestimmte Unternehmen, sondern gegen eine ganze Reihe von Wirtschaftssektoren (vor allem den russischen Energie- und Finanzsektor) richteten. Die Ausfuhr von Hightech-Produkten (Werkzeugmaschinen, Chips, eine Reihe von Baumaterialien) sowie von Luxusgütern und Autos nach Russland wurde vollständig untersagt.
Einige Tochtergesellschaften russischer Energiekonzerne wurden in Europa einer externen Verwaltung unterstellt. Bei einer Reihe russischer Unternehmen wurden die Vermögenswerte in Europa entweder faktisch beschlagnahmt oder sie wurden durch die Sanktionen gezwungen, sie fast zum Schleuderpreis zu verkaufen.
Die Ausfuhr von für die Luft- und Raumfahrtindustrie bestimmten Waren und Technologien nach Russland wurde untersagt. Außerdem wurde der Luftraum der EU und der USA für russische Flugzeuge vollständig gesperrt.
Um die russischen Ölexporteinnahmen zu begrenzen, wurde von den G7-Ländern, der EU, der Schweiz und Australien eine Obergrenze von 60 US-Dollar pro Barrel für den russischen Ölpreis beschlossen. Unternehmen aus diesen Ländern wurde es untersagt, Transport-, Versicherungs- und Finanzdienstleistungen im Zusammenhang mit russischem Öl zu erbringen, wenn es zu einem Preis oberhalb der Obergrenze verkauft wird.
All dies geschah unter dem unverhohlenen Slogan, die russische Wirtschaft zu schwächen, die russischen Bürger zu verarmen und unserem Land eine “strategische Niederlage” zuzufügen.
Insgesamt verabschiedete die EU 15 Sanktionspakete, von denen das letzte vor kurzem beschlossen wurde. Darüber hinaus wurden von Nicht-EU-Ländern des kollektiven Westens (einschließlich Japan und Südkorea im Fernen Osten) separate Sanktionen verhängt. Durch die Androhung von Sekundärsanktionen erreichten die USA, dass sich Drittländer diesen unter Missachtung der UNO verhängten Beschränkungen anschlossen. Die Gesamtzahl der gegen Russland verhängten Sanktionen beläuft sich auf 44.000, was mehr als die Summe der gegen den Iran, Kuba und die DVRK verhängten Sanktionen ausmacht.
Ja, all dies verlief nicht so problemlos für die russische Wirtschaft. Aber erstens konnte Russland sowohl die politische als auch die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den Ländern des Globalen Südens aufrechterhalten. Infolgedessen wurden diese zu den wichtigsten Abnehmern russischer Exportgüter und zu Lieferanten für Russland notwendiger Ressourcen und Technologien. Es erfolgte eine globale Umorientierung der russischen Wirtschaft nach Osten. Und zweitens bleiben die für Russlands Export-Import-Geschäft notwendigen See- und Landwege weiterhin frei.
Wie sich herausstellte, wurde durch den Abbruch der Beziehungen zu Russland in erster Linie der Westen selbst getroffen. Als Gegenmaßnahme zu den Handlungen unfreundlicher Länder schränkten die russischen Staatsstellen die Möglichkeiten ihrer Unternehmen ein, ihr russisches Business zu veräußern und Kapital abzuziehen. Es ist schwer zu beurteilen, inwieweit diese Maßnahmen zur vollständigen Kompensation der Verluste Russlands beitrugen, aber diejenigen Unternehmen, die ihre Geschäftsaktivitäten in unserem Land einstellen ließen, verzeichneten erhebliche Verluste. Der durch die Sanktionen verursachte Anstieg der Energiepreise traf auch die westeuropäische Wirtschaft. Im Herbst 2023 schätzte das russische Außenministerium die der EU durch die Sanktionen gegen Russland entstandenen Verluste auf 1,5 Billionen US-Dollar. Nicht umsonst werden im Westen regelmäßig Forderungen nach einer Aufhebung der Sanktionen gegen Russland laut.
Dagegen wurde die russische Wirtschaft nicht “in Stücke gerissen” – es geschah genau das Gegenteil.
Ende 2023 übertraf die russische Wirtschaft alle Prognosen und stellte gleich mehrere Rekorde auf. Dieses Phänomen wurde vom russischen Präsidenten Wladimir Putin kürzlich auf seiner Jahrespressekonferenz erläutert: “Viele [ausländische] Produzenten haben unseren Markt verlassen. Was hat das zur Folge? Unsere Unternehmer begannen, diese Waren selbst zu produzieren. Das wiederum führte dazu, dass wir zusätzliche Forschung betreiben und Institutionen, einschließlich Entwicklungsinstitute, einbeziehen mussten. Und all dies, worüber wir nun reden, bedeutet eine Stärkung der technologischen Souveränität.”
Um technologische Souveränität zu erreichen, sind jedoch über einen längeren Zeitraum hinweg kontinuierliche Anstrengungen erforderlich. Bei einigen Produkten kann das Importersatz schnell erreicht werden, aber bei komplexen Produkten lässt sich die Lokalisierung der Produktionsanlagen entlang der gesamten technologischen Kette nicht so einfach sicherstellen.
Dennoch sind Erfolge auf diesem Weg offensichtlich, und dafür gibt es eine Vielzahl von Beispielen aus jüngerer Zeit. In den wichtigsten Bereichen war der Erfolg beim Importersatz zudem das Ergebnis der Implementierung von Staatsprogrammen, die die Anstrengungen vieler Entwickler und Hersteller auf das gewünschte Endergebnis konzentrierten.
So machten beispielsweise die Vorkommnisse im Jahr 2014 mit den Siemens-Turbinen für die Kraftwerke auf der Krim sowie der Abbruch der Kooperationsbeziehungen zur Ukraine (die Russland mit Gasturbinenmotoren für Schiffe und Hubschrauber belieferte) eine Importsubstitution dringend erforderlich. Bereits 2018 war mit der Produktion russischer Schiffsmotoren für einheimische Fregatten begonnen worden. Und die erste einheimische Hochleistungsgasturbine (GTD-110M) der Vereinigten Triebwerkskorporation wurde im September 2024 im dritten Kraftwerksblock des Wärmekraftwerks Udarnaja im Gebiet Krasnodar in Betrieb genommen.
2018 wurde die Aufgabe gestellt, ein einheimisches PD-8-Triebwerk für Flugzeuge vom Typ Suchoi Superjet 100 zu entwickeln (die zuvor mit russisch-französischen PowerJet SaM146-Triebwerken ausgestattet gewesen waren). Die Aufgabe wurde erfüllt, doch für den Einbau von PD-8-Triebwerken in Serienflugzeuge müssen die Flugzeuge mit diesen Triebwerken neu zertifiziert werden. Es wird erwartet, dass die ersten Flüge der SJ-100 mit einem neuen einheimischen Triebwerk als Importersatz im Jahr 2025 stattfinden werden.
Es gibt auch viele Beispiele kleineren Ausmaßes, die aber nicht weniger wichtig sind. Doch das beste Ergebnis des Importersatzes lässt sich in der russischen Landwirtschaft beobachten.
Bereits 2010 war die Doktrin der Ernährungssicherheit verabschiedet und damit die Aufgabe gestellt worden, die kritische Abhängigkeit von Lebensmittelimporten (die in jenen Jahren 40 Prozent erreichte) zu beseitigen. Schon bald wurde der Lebensmittelmarkt mit einheimischen Produzenten besetzt, und diese begannen – nachdem sie die ersten Erfolge erzielt hatten –, auch die Exporte zu steigern. Innerhalb von zehn Jahren wurde Russland zum Weltmarktführer bei der Ausfuhr der wichtigsten Kulturpflanzen. Das Wachstum der Landwirtschaftsproduktion Russlands im Zeitraum 2014–2023 betrug 33,8 Prozent (und das Wachstum der Lebensmittelproduktion 47,2 Prozent). Gleichzeitig beliefen sich die russischen Agrarexporte im Jahr 2023 auf 43,5 Milliarden US-Dollar, wobei das Ziel für 2030 bei 55 Milliarden US-Dollar liegt.
“Heute versorgen wir uns nicht nur mit allen Grundnahrungsmitteln in der breitesten Palette, sondern wir haben auch einen der wettbewerbsfähigsten, flexibelsten und technologisch fortschrittlichsten Märkte der Welt. Die russischen Unternehmen sind in der Lage, fast alles zu produzieren und sich an alle Außenbedingungen anzupassen”, kommentiert Oksana Lut, Landwirtschaftsministerin der Russischen Föderation, die Leistungen der ihr unterstellten Branche.
Die gegenwärtigen Ergebnisse des Kampfes Russlands gegen die westlichen Sanktionen wurden kürzlich von Putin so zusammengefasst: “Man hört oft auf politischer, militärischer und wirtschaftlicher Ebene, dass diese Länder den Auftrag hatten, Russland eine strategische Niederlage zuzufügen – auch auf wirtschaftlichem und technologischem Sektor –, unsere Industrie, unsere Finanzen und unsere Dienstleistungen radikal zu schwächen, eine nicht zu überwindende Warenknappheit auf unserem Markt zu schaffen, den Arbeitsmarkt zu destabilisieren und den Lebensstandard unserer Bürger zu senken. Es ist offensichtlich, dass diese Pläne gescheitert sind.”
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 27. Dezember 2024 zuerst bei der Zeitung Wsgljad erschienen.
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