Von Anton Gentzen
Die westukrainische Stadt Rogatin (ukrainisch Rohatyn) im Gebiet Iwano-Frankowsk betreibt ein Museum, das einem SS-Obersturmführer gewidmet ist und ihn heroisiert. International bekannt wurde dies, als die Museumsverwaltung vor Kurzem Bauleistungen zum Austausch von Fenstern ausschrieb.
Gewürdigt wird mit dem Museum Nikolai Ugrin-Besgrischny (1883–1960), auf Wikipedia als “Dichter, Schriftsteller und Diplomat” bezeichnet. Bevor er sich 1943 freiwillig zur Waffen-SS meldete und dort Karriere machte, hatte sich Ugrin-Besgrischny als Herausgeber und Chefredakteur der örtlichen Zeitung Rogatinske Slowo betätigt, in der er gegen Juden hetzte und offen deren Vernichtung propagierte.
Am 21.11.1941 triumphierte das Blatt, nachdem das Blutigste erledigt war:
“Die Bevölkerung der Dörfer auf beiden Seiten des Sbrutsch ist ausschließlich ukrainisch und, wie ich hinzufügen möchte, nationalbewusst. In den Städten gibt es natürlich einen gewissen Prozentsatz von Juden, der heute zweifellos geringer ist, und in Galizien gibt es noch eine gewisse Beimischung von Polen. Die Juden in den Dörfern wurden auf die eine oder andere Weise liquidiert, was in einigen Dörfern recht ‘feierliche’ Formen annahm.”
Dank der Aktivitäten Ugrin-Besgrischnys und seinen Gesinnungsgenossen gelang es den Nazis und der ukrainischen Hilfspolizei, so gut wie alle Juden von Rogatin und Umgebung zu vernichten – mehr als 12.000 Menschen, darunter auch Frauen und Kinder.
Auf seine Initiative hin wurde die zentrale Straße von Rogatin in Adolf-Hitler-Straße umbenannt. 1943 trat der Nazi in die SS-Division “Galizien” ein. Er starb 1960 in Deutschland.
Dass für ukrainische Nazikollaborateure in der heutigen Ukraine Gedenkstätten errichtet werden, ist an sich nichts Neues. Auch nicht, dass Straßen nach ihnen benannt werden, auch in Rogatin ist eine Straße nach Ugrin-Besgrischny benannt. Das Pikante an der Situation in Rogatin ist jedoch, dass das Museum im Museumskomplex der Heilig-Geist-Kirche eingerichtet wurde, das auf die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen wurde.
Deshalb erregt der Fall jetzt international Aufsehen. Eduard Dolinsky allerdings, der regelmäßig auf Fälle der Ehrung von Tätern des Holocaust in der Ukraine hinweist, hatte die Existenz des Museums für einen Antisemiten in SS-Uniform schon 2020 publik gemacht, damals ohne gebührende Resonanz.
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