Von Wiktorija Nikiforowa
Der Tod des 96-jährigen Jean-Marie Le Pens brachte den unglaublichen Erfolg der von ihm mitbegründeten rechten Bewegung ans Licht. Parteien, die von der versammelten liberalen feinen Gesellschaft beschimpft, ignoriert und belacht wurden, beanspruchen heute die Macht in ganz Europa und übernahmen sie bereits in den USA. Sie haben buchstäblich den alten Algorithmus umgesetzt: erst wurden sie nicht bemerkt, dann verspottet, dann bekämpft, und heute siegen sie.
Die erneuerte Front National, die zu Rassemblement National wurde, gewann im vergangenen Jahr die Parlamentswahlen in Frankreich, und Le Pens Tochter wurde zur populärsten französischen Politikerin und der Hauptanwärterin auf das Amt des Präsidenten.
Die Alternative für Deutschland wird bei den Bundestagswahlen im Februar mindestens auf den zweiten Platz kommen.
Vor einem Jahr gewann in den Niederlanden Geert Wilders’ Partei für die Freiheit, und vor Kurzem kam in Österreich die FPÖ an die Macht und bildet inzwischen die Regierung.
Viktor Orbán, das Oberhaupt der ungarischen Rechten, gründete eine rechte Fraktion im EU-Parlament und beansprucht eine führende Rolle nicht nur in der europäischen, sondern auch in der globalen Politik.
Schließlich kam in den USA Donald Trump an die Macht – und selbst den Begriffsstutzigen wurde klar, dass das Pendel der Weltpolitik nach einem Schwung nach links inzwischen nach rechts schwingt.
In der Tat sind die Änderungen gigantisch. Sie zu begreifen, verhindert ausgerechnet die Geschwindigkeit, mit der sie erfolgen.
Noch vor zehn Jahren – nach historischen Maßstäben ein lächerlicher Zeitrahmen – verspottete die allmächtige liberale Propaganda diese Leute als “Nazis”, “Sexisten” und “Rassisten”. Sie wurden verhöhnt, beleidigt und bedroht.
Geert Wilders versteckte sich jahrelang vor potenziellen Mördern, einer der Chefs der AfD wurde im Jahr 2023 beinahe getötet, im vergangenen Jahr überlebte Robert Fico wie durch ein Wunder einen Anschlag. Donald Trump überlebte gleich zwei Attentate. Alles war also sehr ernst.
Was ermöglichte also einen solchen Erfolg der einst absolut marginalen rechten Parteien?
Hier wirkte eine ganze Kombination. Einerseits scheiterte der Versuch, die Wirtschaft durch den Einlass von Millionen von Migranten in Schwung zu bringen. Die Menschen kamen, nahmen jedoch keine qualifizierte Arbeit auf, förderten weder die Wissenschaft noch entwickelten sie neue Technologien.
Parallel dazu wurden Diktatur und Zensur verstärkt und die widerlichsten Perversitäten aufgezwungen. Der Staat drang dreist ins Privatleben der Menschen ein und gestaltete es nach Belieben um. Geschlechtsumwandlungen für Kinder, offensichtliche Überpräsenz der LGBT und eine eklatante Verhöhnung der christlichen Kirche und der traditionellen Moral wurde überall aufgezwungen.
Die Meinung der Menschen – wie etwa Demonstrationen der “gelben Westen”, Proteste der Eltern gegen gleichgeschlechtliche Ehen – wurde ignoriert. Protestierende wurden mit Wasserwerfern auseinandergetrieben und mit hohen Strafen belegt.
Und dennoch könnte man all das ohne Machtwechsel dulden, wenn die Führung der westlichen Länder wirtschaftliche Erfolge vorweisen könnte. Doch die blieben aus.
Jede neue Generation der US-Amerikaner und Europäer lebt viel schlechter als die vorherige. Immobilienpreise, gefolgt von Mieten, schnellen in die Höhe, und das Leben der ehemaligen Mittelschicht wurde zum Überleben, bei dem sämtliche Löhne für Miete, Lebensmittel und Benzin ausgegeben werden.
In dieser Existenz gibt es keinen Lichtblick und keine Perspektiven. Der Wirtschaftskrieg gegen Russland trieb die Verarmung weiter an.
Es stellte sich heraus, dass es sich bei den “schrecklichen Nationalisten” um ganz normale Patrioten ihres Landes handelte, die das Leben ihrer Landsleute einfach nur ein wenig besser machen wollten. Kein Wunder, dass Menschen aufhörten, Angst vor einer Verurteilung vonseiten der Linken zu haben und begannen, für rechte Parteien zu stimmen.
Hier werden die europäischen Patrioten jedoch einer interessanten Prüfung unterzogen – dem amerikanischen Geld. Wir sehen, wie Elon Musk eilig die Geldbörse aus der Hosentasche zieht. In Kürze könnte sich ein goldener Regen auf britische, deutsche und sonstige Rechte ergießen.
Aber wird es nicht eher so sein, dass die Amerikaner die europäischen Rechtsparteien auf ihre Gehaltsliste setzen und sie zwingen werden, alle möglichen Initiativen zu unterschreiben, die ihren Wählern nicht helfen? Ein Handelskrieg – oder sogar ein echter Krieg – mit China zum Beispiel?
Dann wird sich herausstellen, dass Europas linke Parteien weiterhin unter der Schirmherrschaft der Demokratischen Partei der USA stehen, die Rechte von Jungrepublikanern instrumentalisiert werden, während sich für den einfachen Europäer wenig ändert, und Europas Abhängigkeit von Washington unter einem anderen Vorzeichen weiterhin bestehen wird. Nun, sie werden wahrscheinlich die Transgender nicht mehr fördern und wahrscheinlich werden sie die Migration rationalisieren, aber der schwere wirtschaftliche Niedergang und der Ruin der Mittelschicht werden weiter zunehmen.
Ist eine “rechte Wende” in Russland möglich? Schließlich ist eine entsprechende Agenda in russischen sozialen Netzwerken sehr beliebt und kopiert in vielerlei Hinsicht die Agenda der westlichen Rechten: Bekämpfung der Migration, Schutz des Christentums und die allgemeine Einstellung “so kann man nicht leben”.
Dennoch haben die Online-Patrioten wenig Erfolgschancen, solange die Wirtschaft des Landes wächst. Russische Bürger werden das, was sie haben, nicht für riskante Umwälzungen aufgeben.
Der Staat begann entschieden, strikte Migrationskontrolle zu betreiben – hier gibt es kaum noch etwas herauszuholen. Liberale Perversitäten gelten in Russland als Extremismus, was im Hinblick auf ihre zerstörerische Kraft ganz richtig ist. Die christliche Kirche wird in Russland ebenfalls respektiert, wie auch alle anderen traditionellen Religionen.
Es stellt sich heraus, dass es kaum etwas zu bekämpfen gibt, und ein positives Programm haben die Online-Patrioten nicht. Das ist besonders sichtbar im Vergleich zu ihren westlichen Kollegen: so versprach etwa Alice Weidel den Deutschen, Nord Stream wiederaufzubauen und die Beziehungen mit Russland zu verbessern. Das ist verständlich und konkret.
Russische Rechte schlagen dagegen einzig vor, die Visumspflicht mit sämtlichen Nachbarn einzuführen und überhaupt das ganze Land zu “mobilisieren”, was für Millionen Bürger, die ohnehin für einen russischen Sieg arbeiten, recht beleidigend ist.
Das Gefüge der russischen rechten Bewegung spiegelt nicht die Struktur der russischen Gesellschaft wider: dort gibt es praktisch keine Frauen. Die Online-Rechten sind meist griesgrämige Männer, deren Murren lebhaft an die Rhetorik der westlichen Incels erinnert.
An die verstorbenen Anführer der russischen Rechten gibt es ebenfalls viele Fragen. So vergötterte etwa Jegor Proswirnin den Nazi-Kollaborateur General Wlassow und beschimpfte die Partisanin Soja Kosmodemjanskaja öffentlich und obszön. Konstantin Krylow nahm aktiv an proliberalen Protesten teil.
Die aggressive antisowjetische Rhetorik dieser Bewegung unterscheidet sich absolut nicht von Flüchen, die Chodorkowski, Tschubais und sonstige ebenso verhasste Vertreter des liberalen Lagers auf die Sowjetunion hinabließen.
Doch die Hauptgemeinsamkeit der russischen Turbopatrioten und Liberalen ist die Idee, dass das Volk “falsch” sei. Deswegen wurden sämtliche Missliebige von Liberalen “weg aus dem Beruf” vertrieben und von Turbopatrioten ebenso eifrig aus dem Russensein verwiesen.
Selbstverständlich gefällt das den Menschen nicht, und es entsteht der Eindruck, dass Russland in absehbarer Zukunft keine “rechte Wende” erwartet. Das hindert uns keinesfalls daran, gute Beziehungen zu rechten Parteien aus der ganzen Welt aufrechtzuerhalten – lasst hundert Blumen blühen.
Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen am 13. Januar bei RIA Nowosti.
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