
Es begann vor zwei, drei Jahren – mitten in der unter der damaligen Ampelkoalition großspurig verkündeten “Verkehrswende” begann eine Stadt nach der anderen, ihr Angebot im öffentlichen Nahverkehr deutlich einzuschränken. Der Grund dafür: vielfach ein Mangel an Personal. Die Busse sind da, aber nicht die Fahrer.
Zwischen 122.500 und 132.000 Menschen arbeiteten laut einer Studie im Jahr 2022 in Deutschland als Fahrer im ÖPNV. Dabei ist ein großer Teil der Fahrer zwischen 50 und 63 Jahren alt, und jährlich werden, so eine neue Untersuchung, die die Gewerkschaft verdi in Auftrag gegeben hat, 4.000 von ihnen in Rente gehen. Aber es kommen wenig Junge nach – die Altersjahrgänge bis 29 sind nur mit höchstens je 1.200 Personen vertreten. Gleichzeitig gibt es eine Fluktuation von etwa 5.000 weiteren Fahrern jährlich.
Dass Personal aus einem Beruf hinauswechselt, ist ein Problem, das etwa aus dem Pflegebereich ebenfalls bekannt ist. Und eine der besten Strategien, um einem Personalmangel entgegenzutreten, besteht darin, die Gründe für diese Wechsel zu beseitigen. In den meisten bekannten Fällen liegen diese in Arbeitsbedingungen und Bezahlung. Das ist beim ÖPNV nicht anders.
Dabei lautet das Ziel, das die Verkehrsministerkonferenz schon 2021 setzte, die Fahrgastzahlen im öffentlichen Nahverkehr zu verdoppeln; ohne Ausbau, also ohne zusätzliches Personal, ist das nicht zu schaffen. Bis 2030 sollen bis zu 155.000 zusätzliche Fahrer benötigt werden.
Was abschreckt, ist nicht nur der Schichtdienst. Mittlerweile werden vielerorts Schichten durch längere Pausen unterbrochen, um so mit möglichst wenigen zusätzlichen Fahrern die Verkehrsspitzen zu den zwei täglichen Stoßzeiten aufzufangen; für die Fahrer bedeutet das allerdings, weit länger als die tatsächliche Arbeitszeit gebunden zu sein, ohne dafür bezahlt zu werden.
“Einer bezahlten Arbeitszeit von knapp acht Stunden am Tag können deutlich längere Dienstschichtdauern von zehn oder mehr Stunden gegenüberstehen. Tarifvertraglich sind vielfach auch Schichtlängen von bis zu zwölf Stunden zulässig.”
Bei einer Umfrage unter Beschäftigten in diesem Jahr nannten diese den Dienstplan als eines ihrer Hauptprobleme. Er sei “belastend und schwer mit dem Privatleben vereinbar.” Erst nach dem Dienstplan werden das Gehalt und die Sicherheit als Probleme genannt.
Allerdings – dieses Problem zu beheben, würde Geld kosten. Bezogen auf ganz Deutschland kommt die Studie auf 9.200 zusätzlich erforderliche Fahrer und Mehrkosten von 493 Millionen Euro.
Auch weitere mögliche Verbesserungen werden untersucht, wie “Dienstbeginn und Dienstende am selben Ort”, oder eine Mindestruhezeit zwischen zwei Schichten von elf statt zehn Stunden.
Insgesamt kommt die Studie bei einer Kombination aller Maßnahmen auf Kosten von zusätzlichen 1,76 Milliarden jährlich und einen Bedarf an 32.300 zusätzlichen Fahrern. Allerdings wären dann die Voraussetzungen geschaffen, dass diese Fahrer nicht mehr so häufig den Beruf wieder verlassen. Derzeit liegen die Gesamtaufwendungen für Bus- und Trambahnverkehr bundesweit bei 23,4 Milliarden im Jahr.
Allerdings – die Finanzierung des ÖPNV, und damit auch die Finanzierung der vorgeschlagenen Maßnahmen, liegt überwiegend bei den Kommunen. Die Fahrkarten decken stets bestenfalls die Hälfte der Kosten ab; es gibt Bundes- und Landesmittel, aber den größten Teil des verbliebenen Defizits müssen die Kommunen tragen. Die sind jedoch gerade finanziell ohnehin überlastet, unter anderem durch die Unterbringungskosten für Flüchtlinge, die auch nur zum Teil vom Bund erstattet werden.
Ein wegen Fahrermangels ausgedünntes Angebot senkt aber letztlich die Zahl der Fahrgäste, statt sie zu steigern, und die Einnahmen aus Fahrkarten sinken weiter. Schon eine Rückkehr zu den alten Taktfrequenzen, die vor den Streichungen ab 2022 üblich waren, würde die Attraktivität erhöhen. Die Finanzlage der Kommunen allerdings deutet eher darauf hin, dass eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Fahrer kaum erfolgen wird, von einer Verdopplung des Angebots ganz zu schweigen.
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