Mögliche Energieengpässe im Falle eines Lieferstopps von russischem Gas infolge des Kriegs in der Ukraine setzten Deutschland unter Druck. Wie werden die meist in privater Hand liegenden Energiedienstleister im Moment des Notstands reagieren? Werden die zur kritischen Infrastruktur gehörenden Unternehmen ihrem Auftrag weiter gerecht, oder wird das Beziehen von Energie zur Auktion gemäß dem Motto: Der höchste Bieter erhält den Zuschlag?
Um hier etwaigen Gewinnfantasien der Energiekonzerne zuvorzukommen, hat der Bundestag am Donnerstag Regelungen bis hin zur Enteignung von Firmen im Falle eines Energienotstands beschlossen.
Demnach stimmte der Bundestag in seiner Sitzung mit den Stimmen der Regierungsfraktionen SPD, Grüne und FDP sowie der Linken einer Reform des Energiesicherungsgesetzes aus dem Jahr 1975 zu, das der Bundesregierung schon vor einer unmittelbaren Gefährdung der Energieversorgung künftig besondere Maßnahmen bis hin zur Enteignung von Energieunternehmen ermöglicht. Nur die AfD votierte dagegen, die Union enthielt sich.
Das Gesetz, das ab Juli in Kraft treten soll, autorisiert die Bundesregierung im Falle eines möglichen Energienotstands unter anderem dazu, Energiekonzerne unter eine Treuhandverwaltung zu stellen. Dies soll greifen, wenn die Unternehmen ihren Aufgaben nicht mehr nachkommen und die Versorgungssicherheit gefährdet ist.
Der Bundesrat muss dem Vorhaben allerdings noch zustimmen, was nach Angaben von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) bereits in der kommenden Woche geschehen könnte.
Dass die Regierung im Notfall entsprechende Schritte unternimmt, hatte Habeck zuvor schon unter Berufung auf eine andere Gesetzesgrundlage bei der Gazprom-Tochter Germania gezeigt. Das für das Deutschlandgeschäft zuständige russische Unternehmen wurde infolge des Ukraine-Kriegs kurzerhand unter die Treuhandschaft der Bundesnetzagentur gestellt.
Der nahezu Enteignung waren Überlegungen des Mutterkonzerns Gazprom vorangegangen, die Tochter an einen anderen Eigentümer abzugeben. Dem kam die Bundesregierung zuvor und schritt ein. Darauf reagierte Russland in dieser Woche mit Gegensanktionen und verkündete, die Handels- und Speichertöchter in Deutschland einstweilen nicht mehr mit Gas zu beliefern.
Das der jetzt beschlossenen Reform zu Grunde liegende Energiesicherungsgesetz wurde seit seiner ersten Fassung im Jahr 1975 nur unwesentlich verändert. Immerhin setzte die FDP im parlamentarischen Verfahren zuvor noch durch, dass nach einer Verstaatlichung einer Firma diese später auch wieder privatisiert werden muss. Bei einer Gefährdung der Versorgung ermächtigt das Gesetz die Regierung nämlich jetzt dazu, Gegenmaßnahmen gegen die Krise zu ergreifen. Dazu zählen neben den neu in das Gesetz eingebrachten Enteignungen auch Regelungen zur Produktion, dem Transport sowie der Verteilung von Energie.
Erstmals angewandt werden könnte das erneuerte Gesetz nunmehr im Fall der Öl-Raffinerie in Schwedt, da eine Lösung für die Eigentümerfrage bis dato noch aussteht. Die Raffinerie gehört mehrheitlich dem Rosneft-Konzern und wird von diesem mit russischem Öl versorgt.
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