Das estnische Parlament wird voraussichtlich über einen Gesetzentwurf abstimmen, der es dem estnischen Militär erlauben würde, zivile Schiffe zu versenken, die eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstellen. Das berichtete der staatliche Rundfunk ERR am Dienstag.
Der Vorschlag wurde vor dem Hintergrund verschärfter Spannungen mit Russland und dem weit verbreiteten Verdacht gemacht, dass Russland Unterseekabel in der Ostsee sabotiert hat. Moskau hat diese Vorwürfe stets vehement zurückgewiesen.
Das Gesetz, dessen letzte Lesung am Mittwoch stattfinden wird, würde den estnischen Verteidigungskräften die Befugnis geben, in den nationalen Gewässern und der ausschließlichen Wirtschaftszone des Landes ein Höchstmaß an Gewalt anzuwenden, um kritische Infrastrukturen, Häfen, Einrichtungen und Schiffe zu schützen.
Der Beschuss und die Versenkung eines zivilen Schiffes wäre zulässig, wenn der mögliche Schaden geringer ist als der, der entsteht, wenn das Zielschiff weiterfahren darf.
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Militär- und Marinekommandeure den Schiffseigner oder dessen Flaggenstaat erst nach Anwendung von Gewalt benachrichtigen müssen.
Grigore-Kalev Stoicescu, der Vorsitzende des estnischen parlamentarischen Verteidigungsausschusses, zog Vergleiche zu den Anschlägen vom 11. September 2001, betonte jedoch, dass das Gesetz nicht dazu führen würde, dass Schiffe wegen Vorfällen wie Kabelschäden versenkt würden.
Der ehemalige Kommandeur der estnischen Marine Juri Saska warnte davor, dass feindliche Akteure zivile Schiffe für Angriffe auf das Land nutzen könnten, und fügte hinzu, er hoffe, dass die Politiker die Verantwortung für mögliche Zwischenfälle übernehmen würden.
Estland war eines der Länder, die von der Beschädigung eines Stromkabels zwischen Estland und Finnland im Dezember betroffen waren. Westliche Ermittler konnten bisher keine Beweise für die weit verbreiteten Anschuldigungen finden, dass Russland hinter dem Vorfall steckt. Moskau hat jegliche Beteiligung bestritten und die Spekulationen als “absurd” bezeichnet.
Nach der mutmaßlichen Sabotage verstärkte die NATO ihre militärische Präsenz in der Ostsee, was Moskau zu der Warnung veranlasste, dass es auf jegliche “Verstöße” durch NATO-Schiffe angemessen reagieren werde.
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