Für die Bundestagswahl deutet sich eine Zäsur an. Eine konservative Wende steht bevor, in der die Entwicklungen der letzten Dekaden auf den Prüfstand gestellt, zum Teil wohl auch rückgängig gemacht werden. Das betrifft zahlreiche Politikbereiche wie Zuwanderung und Migration, Globalisierung und internationale Vernetzung.
Es deutet sich darüber hinaus auch eine sittliche Wende an. Die letzten Legislaturperioden standen ganz im Zeichen der Wokeness, von Identitätspolitik und dem Fokus auf LGBT.
Mit dem Wahlkampf ist der Zeitpunkt gekommen, sich noch einmal zu vergegenwärtigen, was in den ersten beiden Dekaden des 21. Jahrhunderts in Deutschland alles eingeführt, geändert und aufgezwungen wurde. Viele Wähler denken, dass vor allem die Grünen die Partei der politisch gepflegten Wokeness sei. Im Rückblick wird deutlich, dass dem nicht so ist. Die Grünen sind ein kräftig treibender Motor, aber sie sind keineswegs allein.
Gleich zu Beginn des neuen Jahrhunderts wurde unter der ersten rot-grünen Regierung im Jahr 2001 das Lebenspartnerschaftsgesetz verabschiedet. Gleichgeschlechtliche Paare hatten von nun an die Möglichkeit, ihre Partnerschaft registrieren zu lassen. Die CDU forderte damals noch lautstark, dass eine gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft nicht der Ehe gleichgestellt sein darf.
Diese Forderung gab die CDU dann 2017 auf. Die eingetragene Lebenspartnerschaft wurde durch die Ehe für alle ersetzt. Für die Abstimmung über das Gesetz zur gleichgeschlechtlichen Ehe wurde der Fraktionszwang aufgehoben, die Abgeordneten waren in diesem Fall nur ihrem Gewissen verpflichtet und stimmten mehrheitlich dafür. Ob sich die Bundesbürger in einem Referendum ebenfalls dafür entschieden hätten, ist dagegen fraglich. In Ländern, in denen durch Referenden über ähnliche Regelungen abgestimmt wurde, entschied sich die Mehrheit dagegen. Die Ausnahme bildet Irland. Dort sprach sich 2015 die Mehrheit der Bürger für die queere Ehe aus.
Bei der Abstimmung im Bundestag stimmten auch 75 Abgeordnete der CDU für das Gesetz, die Mehrheit der Partei gab sich jedoch weiterhin konservativ-bürgerlich und stimmte dagegen. Unter den Gegnern war auch Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die Ehe für alle konnte in Kraft treten.
Schon ein Jahr später wurde die Bezeichnung “divers” als Option für den Geschlechtereintrag eingeführt. Seitdem müssen unter anderem alle Stellenanzeigen mit dem Hinweis (m, w, d) versehen werden. Im Ausland ist diese Regelung schwer zu vermitteln, sie ist lässt sich dagegen gut zum Grund für manch gelungenen Lacher machen.
Durchschlagenden Erfolg bei den Zielgruppen hatten all diese Maßnahmen nicht. 2019, 18 Jahre nach Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes, gab es rund 34.000 eingetragene Lebenspartnerschaften. Der prophezeite Ansturm auf die Standesämter blieb im Großen und Ganzen aus. Die Probleme bezüglich Erbschaftsrecht und ärztlicher Auskunftspflicht, die sich mit der AIDS-Krise vor allem schwulen Paaren stellten, wurde durch das Lebenspartnerschaftsgesetz zwar gelöst, aber es kam zu spät, denn die AIDS-Krise war dank neuer Therapiemöglichkeiten Ende der 90er-Jahre bereits wieder vorbei. AIDS war inzwischen in der Regel keine tödliche Krankheit mehr, sondern eine chronische.
Bei einer Eheschließung wird gar nicht erst erhoben, ob es sich um eine gleichgeschlechtliche Ehe handelt. Ob viele gleichgeschlechtliche Paare von der Möglichkeit Gebrauch machen, sich trauen zu lassen, lässt sich daher nicht sagen. Ein tatsächliches Problem wurde mit dem Gesetz nicht behoben. Es ging den Aktivisten der LGBT-Bewegung um eine eher diffus gefühlte Benachteiligung. Drängend war das Problem in keinem Fall.
Wie viele Menschen sich dagegen als divers bezeichnen, lässt sich genau beziffern. Es waren Stand Mai 2022 969 Personen. Das Gesetz wurde für eine Gruppe von Menschen gemacht, die es statistisch eigentlich gar nicht gibt. Noch heute dürfte es den allermeisten Deutschen schwerfallen, zu erklären, was divers denn nun eigentlich ist. Das Gesetz löste ein Problem, das faktisch nicht existierte.
2024 wurden dann schließlich mit dem Selbstbestimmungsgesetz mehr Probleme geschaffen als gelöst. Es löste das seit 1980 geltende Transsexuellengesetz ab. Das alte Gesetz regelte die Änderung der Geschlechtszugehörigkeit und war explizit “besonderen Fällen” vorbehalten. Mit dem Selbstbestimmungsgesetz wurde der behördliche Vorgang massiv vereinfacht. Es reicht, eine Erklärung gegenüber dem Standesamt abzugeben. Transsexualität wird zum modischen Massenphänomen gemacht.
Die berechtigte Kritik am Gesetz ist, dass es Missbrauch Tor und Tür öffnet. Die Kritik ist international und kommt unter anderem von der UNO. Die Befürworter des Gesetzes halten es dennoch für beispielgebend und wegweisend. Das ist international mit Sicherheit nicht der Fall. Aber auch hier gilt: Wer es seinen Freunden im Ausland erzählt, hat den Lacher sicher auf seiner Seite.
Die Gay Prides, die in Deutschland CSD genannt werden, wurden in den vergangenen Dekaden nicht nur größer, sondern auch zahlreicher. Nicht nur Berlin, Köln, Hamburg und München laden einmal im Jahr ein, sich zu Vielfalt, Toleranz und einer bunten Gesellschaft zu bekennen. Auch Städte wie Regensburg, Potsdam, Olpe und Pfaffenhofen bieten inzwischen die Möglichkeit zur Konfession. Die Gay Prides sind inzwischen völlig entpolitisiert. 2016 war das Motto des Berliner CSD beispielsweise “Danke für nix” und brachte das Anspruchsdenken der LGBT-Bewegung prägnant auf den Punkt.
Seit einiger Zeit weht einmal im Jahr nicht nur vor Supermärkten und Möbelhäusern, sondern auch vor Behörden und Ministerien die Regenbogenflagge. Wer angesichts dieser Entwicklung immer noch glaubt, es gehe um Minderheiten, hat elementare Zusammenhänge nicht verstanden. Die LGBT-Bewegung ist inzwischen bloße Masse.
Der absehbare Schwenk in der Entwicklung wird daher wohl eher positive Auswirkungen auf die Bewegung haben. Wenn die Gelder ausbleiben, weil die großen Firmen sich von ihren Diversity-Programmen verabschieden, sich bei den Gay Prides zurückhalten und nicht mehr bereit sind, Unsummen für eine Präsenz dort auszugeben, wird das der Selbstbesinnung dienen. Wenn queer aus der Mode kommt, bleiben die übrig, denen der politische Kampf für die Rechte von Minderheiten nicht Schmuck, sondern echtes Anliegen ist. Sie werden dann auch wieder zu echter Solidarität fähig.
Der LGBT-Bewegung steht ein heilsamer Schock bevor. Das ist gut so, denn ihre Verbindung und Verflechtung mit Politik und Medien, verbunden mit dem Drang, beständig neue Gesetze zur Regelung von Problemen zu fordern, die ohne Gesetz gar nicht existieren würden, hat zu einer Überforderung der Gesellschaft geführt. Der konservative Schwenk der westlichen Gesellschaften kommt daher nicht von ungefähr. Die Mehrheit hat das bunte Opfer-Getue und die Forderungshaltung gegenüber der Gesellschaft schlicht satt. Die deutsche Gesellschaft hat angesichts des Abstiegs der deutschen Wirtschaft drängendere Probleme als die Frage, welches Pronomen man wem gegenüber zu verwenden habe.
Mehr zum Thema – Deutschland 2023 – Theater des Grauens