Als wäre es um das Verhältnis zwischen Donald Trump und der Bundesregierung nicht schon schlecht genug bestellt, sorgte nun eine Depesche des deutschen Botschafters in Washington, Andreas Michaelis, an Bundeskanzler Olaf Scholz für weitere Verstimmungen. Am Wochenende waren Teile des vertraulichen Berichts an die Öffentlichkeit gelangt, in dem der Diplomat offen vor einer zweiten Amtszeit von US-Präsident Donald Trump warnt.
Trump verfolge eine Strategie der “maximalen Disruption, des Aufbrechens etablierter politischer Ordnung und bürokratischer Strukturen”, heißt es in dem Bericht. Trumps “Rachepläne” würden letztlich “eine Neudefinition der verfassungsrechtlichen Ordnung” bedeuten. Man müsse mit “Strafverfahren gegen politische Gegner” rechnen, die Betroffene “stark belasten und in den Ruin treiben” könnten – als hätte es eine Politisierung der Justiz nicht bereits unter Präsident Joe Biden gegeben, der auch nicht davor zurückschreckte, sein Amt für persönliche Zwecke zu missbrauchen.
Demokraten, Zivilgesellschaft und Medien würden sich “intensiv gegen Trumps Angriffe” vorbereiten, doch “angesichts professioneller rechtlicher Planung werde es aber deutlich schwerer, Trumps Maßnahmen vor Gericht ein schnelles Ende zu setzen. Zudem lassen Drohungen, befürchtete Sanktionen und das Vorgehen gegen Kritiker den Widerstand bereits schwinden”, bedauert Michaelis, der sich selbst offenkundig im Lager des “Widerstands” verortet.
Letzteres kommt nicht überraschend, war der Botschafter doch einer der Hauptautoren der Amerikastrategie, die das Auswärtige Amt in Trumps erster Amtszeit erstellte und die “im Kern eine Anti-Trump-Strategie” war, wie es das Handelsblatt formuliert. Sie sah vor, eine “Allianz für den Multilateralismus” gegen Trumps Außenpolitik zu errichten und beispielsweise die US-Sanktionen gegen den Iran zu unterlaufen.
Dass sich Michaelis erneut eindeutig gegen Trump positioniert hat, löste bei dessen Unterstützern erwartungsgemäß scharfe Kritik aus. So beschimpfte Trumps ehemaliger Chefstratege Steve Bannon die Verfasser der Depesche und empfahl deren Entlassung: “Die Deutschen sollten diese Penner einfach rausschmeißen”, so Bannon gegenüber dem Handelsblatt.
Doch Michaelis’ Dienstherrin denkt gar nicht daran – schließlich liegt sie politisch doch auf einer Linie mit ihm. Von Caren Miosga in ihrer gleichnamigen ARD-Talkshow auf die geleakte Depesche angesprochen, machte Annalena Baerbock klar, dass sie inhaltlich voll hinter den Aussagen des deutschen Botschafters steht, etwa, dass es unter Trump zu einer unzulässigen Machtkonzentration komme:
“Wir sehen, dass mit Musk ein Multimillionär, der im 21. Jahrhundert zentrale Plattformen besitzt, dass das ‘ne ganze andere Medienlandschaft darstellt, dass die entschieden haben, dass Fakten ausgeschaltet werden, und damit müssen wir umgehen als Europäer”,
sagte Baerbock.
Auf die Idee, die Wogen zu glätten und der bald nachfolgenden Bundesregierung nicht noch weitere Steine im Verhältnis zu Washington in den Weg zu legen, kam Deutschlands Chefdiplomatin gar nicht erst. In dem Bericht habe die Botschaft ja lediglich die Situation in den USA beschrieben, und das sei “ihre Aufgabe”, so die Außenministerin.
Nicht der Inhalt der Depesche, sondern dass dieser öffentlich wurde, bereitet Baerbock Bauchschmerzen:
“Das ist ein geheimes Dokument, da ist schon die Frage, wo das rausgekommen ist und woraus man da zitieren darf.”
Deutschen Regierungskreisen sei aufgefallen, in welcher Weise der Bericht geleakt wurde, nämlich parallel an die Bild-Zeitung und die Nachrichtenagentur Reuters. Man erkenne dort “eine professionelle Handschrift”, so das Handelsblatt.
CDU-Chef Friedrich Merz geht davon aus, dass die Depesche “bewusst öffentlich gemacht wurde”. Der Kanzlerkandidat der Union insinuiert damit, dass der Inhalt des Berichts aus dem Auswärtigen Amt durchgestochen wurde. Wörtlich sagte Merz gegenüber der Welt:
“Diese Nachricht aus Washington ist in der Sprache eines politischen Aktivisten verfasst. Und sie ist offensichtlich bewusst öffentlich gemacht worden. Für das Ansehen der Bundesregierung in Washington ist das ein großer Schaden. Von dieser Bundesregierung wird in Washington so schnell keiner mehr einen Gesprächspartner finden.”
Scharfe Kritik übte auch der Unionsfraktionsvize Jens Spahn. Der ehemalige Gesundheitsminister schrieb dazu auf X: “Erratische Äußerungen und moralische Belehrungen gegenüber unseren engsten Verbündeten” würden deutschen und europäischen Interessen schaden – akkurater könnte man die drei Jahre Amtszeit von Baerbock kaum in einem Satz zusammenfassen.
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