Um die Menschen in der Schweiz weiterhin mit den nötigen Medikamenten zu versorgen, müssen die Apotheker mittlerweile zu ungewöhnlichen Lösungen greifen.
Wie die Schweizer Tageszeitung 20 Minuten am Freitag berichtete, musste das Krankenhaus in Interlaken im Schweizer Kanton Bern ein fehlendes Herzmedikament extra in Deutschland bestellen.
Doch da das deutsche Medikament viermal so hoch dosiert ist wie das in der Schweiz verwendete, wird die Tablette in vier Teile geteilt und jedes Teil einzeln verabreicht.
Der Apotheker Sandro Giger aus Interlaken sagte gegenüber 20 Minuten:
“Wir machen das zwar mit einem Gerät, aber ganz genau ist es nicht.”
Der Chefapotheker der Berner Oberländer Spitäler Frutigen, Meiringen und Interlaken, Enea Martinelli, bestätigte gegenüber der Zeitung, dass auch aus anderen Ländern Medikamente importiert werden, so beispielsweise ein fiebersenkender Sirup aus England.
Dann müsse jedoch jeweils eine deutsche Packungsbeilage hinzugefügt werden. “Das ist dann unsere Verantwortung”, so Martinelli. Ist das Medikament trotzdem nicht verfügbar, könne auch auf Tiermedikamente zurückgegriffen werden.
So habe der Kantonsapotheker des Kantons Waadt einer schwangeren Frau Wehenmittel für Kühe verschrieben. Da es sich um denselben Wirkstoff handle, sei das möglich.
Die Taskforce des Schweizer Bundes zur Bekämpfung des Medikamentenmangels entbinde die Apotheker und Apothekerinnen vor allem von administrativem Aufwand, fügte Martinelli hinzu. Zudem sei es nun möglich, einzelne Blister an Patientinnen und Patienten abzugeben anstelle der ganzen Packung.
In der Schweiz fehlen aktuell über 970 kassenpflichtige Medikamente. Von Schmerzmitteln über Antibiotika bis zu Psychopharmaka oder Rheumamedikamenten gibt es kaum eine Medikamentengruppe, die nicht betroffen ist.
Gründe dafür sind unter anderem fehlende Wirkstoffe. In China, wo diese häufig hergestellt werden, kam es lange Zeit zu Verzögerungen wegen strenger COVID-19-Massnahmen.
Auch Spezialglas für die Pharmabranche wird zunehmend zur Mangelware. Die hohen Energiepreise infolge des Ukraine-Konflikts sind ein Grund dafür.
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