Der montenegrinische Präsident Milo Đukanović hat am Donnerstag das Parlament aufgelöst ‒ drei Tage vor den Präsidentschaftswahlen, und drei Monate nachdem die letzte Regierung Montenegros durch ein Misstrauensvotum gestürzt wurde. Das Dekret des Präsidenten wurde am Donnerstag über das staatliche Fernsehen verbreitet.
“Die 27. Einberufung der Versammlung [des Parlaments] von Montenegro wird aufgelöst. Das Dekret tritt am Tag seiner Unterzeichnung in Kraft”, heißt es in dem Dokument.
Nach der Verfassung der Republik müssen die Parlamentswahlen frühestens 60 und spätestens 100 Tage nach der Auflösung des Parlaments stattfinden. Es wird erwartet, dass Đukanović am Freitag einen Termin für die vorgezogenen Wahlen festlegt.
Am Sonntag kandidiert er für die Wiederwahl als Präsident. Bereits vor der Parlamentsauflösung waren Analysten davon ausgegangen, dass ein Sieg von Đukanović zu vorgezogenen Parlamentswahlen führen könnte, da er bisher vorgeschlagene Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten abgelehnt hat.
Montenegro befindet sich seit langem in einer politischen Pattsituation, die durch Misstrauensvoten gegen zwei Regierungen und einen Konflikt zwischen der Legislative und dem Präsidenten über die Wahl eines neuen Premierministers gekennzeichnet ist. Laut Verfassung ist Montenegro eine parlamentarische Republik, in der das Staatsoberhaupt hauptsächlich repräsentative Aufgaben wahrnimmt. Dennoch spielt die Person des Präsidenten eine wichtige Rolle bei der Bildung des Ministerkabinetts und der Ernennung des Premierministers.
Der Präsident von Montenegro wird vom Volk für eine Amtszeit von fünf Jahren gewählt und kann nicht mehr als zwei aufeinanderfolgende Amtszeiten absolvieren. Đukanović steht seit den frühen 1990ern in verschiedenen Funktionen an der Spitze Montenegros: So war er selbst fünfmal Premierminister und von 1998 bis 2002 sowie von 2018 bis 2023 Präsident.
Mit seiner Demokratischen Partei der Sozialisten führte er Montenegro 2006 in die Unabhängigkeit von Serbien und 2017 in die NATO. Noch im Februar gab es Proteste gegen NATO-Übungen in dem Land. Die aktuelle Regierung hat seit dem vergangenen Jahr antirussische Sanktionen sowie ausdrücklich die Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO unterstützt. Seit 2010 hat das Land mit einer Fläche kleiner als das Bundesland Schleswig-Holstein den EU-Kandidatenstatus, jedoch bleiben organisierte Kriminalität und Korruption problematisch. Laut Transparency International enthält die Regierung in Podgorica der Öffentlichkeit Informationen vor. Angesichts von Korruptionsvorwürfen verlor die Demokratische Partei der Sozialisten die Parlamentswahlen 2020 gegen eine Allianz von Parteien, die engere Beziehungen zu Serbien und Russland anstreben.
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