Von Kirill Babajew
Der Besuch von Wladimir Putin in Peking in dieser Woche ist der zweite Russland-China-Gipfel in diesem Jahr. Diesmal stattet der russische Präsident seinem Freund und strategischen Partner einen Besuch ab und folgt damit den Vereinbarungen, die während des Besuchs von Xi Jinping in Moskau im März getroffen wurden. Damals hatte der chinesische Staatschef den russischen Präsidenten zur Teilnahme am dritten Forum der Initiative einer Neuen Seidenstraße (Belt and Road Initiative; BRI) eingeladen, die dieses Jahr ihr zehnjähriges Jubiläum feiern kann.
Die Anwesenheit des russischen Staatsoberhaupts bei dieser Veranstaltung ist besonders bemerkenswert, da gelegentlich – hauptsächlich aus dem Westen – die Ansicht vertreten wird, das Projekt BRI sei in eine Sackgasse geraten. Das von Xi Jinping im Jahr 2013 ins Leben gerufene Großvorhaben, chinesische Produkte über transeurasische Landrouten und über den Seeweg des arktische Meers mit europäischen Märkten zu verbinden, steht tatsächlich vor einem Dilemma.
Durch die Errichtung eines neuen “Eisernen Vorhangs” an den Grenzen zwischen Russland und Weißrussland ist die Europäische Union in ihre eigene Falle getappt und hat sich selbst von kostengünstigen Energiequellen abgeschnitten, die seit den 1970er Jahren ein wichtiger Antreiber ihrer Wirtschaft waren. Gleichzeitig verschließen sich westeuropäische Staaten auch der Möglichkeit, günstige chinesische Waren auf dem Landweg zu importieren, weil Russland dafür das entscheidende geografische Bindeglied zu Westeuropa im Projekt der BRI-Initiative darstellt.
Inzwischen gefährden auch noch sowohl Sanktionen über die künftige Lieferung von High-Tech-Produkten nach China als auch die Weigerung, chinesische Investitionen in europäischen Märkten zuzulassen, den chinesisch-europäischen Handel – selbst den entlang der arktischen Route. Unter diesen Bedingungen sucht die BRI nach neuen Möglichkeiten des Ausbaus, wozu auch ein rasant wachsender russisch-chinesischer Handel gehört, zusammen mit der Anknüpfung an die von Moskau geführte Initiative einer Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU).
Die Verbindung der EAEU mit der BRI wäre für Russland bedeutsam, nämlich im Kontext seiner Politik der Schwerpunktverlagerung nach Osten, die bei Exporten und Importen weitgehend abgeschlossen ist. China ist sich darüber im Klaren, dass der Handel mit der EAEU wesentlich zuverlässiger ist als die Interaktion mit westlichen Ländern – auch wenn sich der Handel vorerst noch in einem niedrigeren Umfang als jener mit der EU bewegt.
Nachdem der Handel zwischen China und Russland im vergangenen Jahr den Wertumfang von fast 200 Milliarden US-Dollar erreicht hatte, könnte er mittelfristig über 300 bis 350 Milliarden US-Dollar erreichen. Die derzeitige Transportinfrastruktur kann den wachsenden Warenfluss allerdings nur noch schwer bewältigen, und es sind dafür neue Lösungen erforderlich. Auch darüber werden die Staats- und Regierungschefs Russlands und Chinas vermutlich beim Gipfeltreffen in Peking diskutieren. Dazu könnten neue Projekte für neue Eisenbahnstrecken über die gemeinsame Grenze und durch zentralasiatische Länder sowie Projekte für zusätzliche Pipelines auf der Tagesordnung stehen. Angesichts der vollen Kapazität der Pipeline “Power of Siberia” in Richtung China, erwarten viele, dass während Putins Besuch die Vereinbarungen über den Bau von “Power of Siberia-2” abgeschlossen werden, was sowohl Russland beim Umlenken seiner Gasströme nach Osten als auch China zugutekäme, weil das Land nach einem günstigen Anbieter sucht, um die bisherige Energiegewinnung aus schmutziger Kohle ersetzen zu können.
Wahrscheinlich werden sich die Gespräche auch dem Aufbau einer Finanzinfrastruktur widmen. Beide Länder entwickeln aktiv nationale digitale Währungen, die innerhalb von zwei bis drei Jahren die derzeit dominierenden Strukturen für internationalen Zahlungsverkehr ablösen könnten. Dadurch werden weitere Sanktionsrisiken beseitigt, da keine Korrespondenzabrechnungen in US-Dollar über die USA mehr erforderlich sind und gleichzeitig grenzüberschreitende Zahlungen erheblich automatisiert würden.
Gleichzeitig ist es von entscheidender Bedeutung, Peking von der Notwendigkeit zu überzeugen, großen russischen Banken den Zugang zum chinesischen Finanzsystem zu ermöglichen: Sberbank, Alfa Bank und Gazprom-Bank haben bereits ihre Absicht angekündigt, Filialen in China zu eröffnen, und die Zustimmung der chinesischen Regulierungsbehörde wird dabei helfen, diese Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern auszubalancieren, da chinesische Banken schon seit geraumer Zeit erfolgreich in Russland tätig sind.
Natürlich ist es für die Staatsoberhäupter Russlands und Chinas auch die Diskussion verschiedener politischer Fragen wichtig, sowohl im Rahmen der bilateralen Koordinierung als auch im Kontext der Aktivitäten internationaler Organisationen. So bringt etwa die Erweiterung der Mitgliedsstaaten der BRICS sowohl neue Chancen als auch Herausforderungen mit sich. Die Aktivitäten der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) erfordern längst überfällige Verbesserungen und einen Übergang zu einer höheren Ebene der Interaktion unter den Mitgliedern. Möglicherweise diskutieren Putin und Xi Jinping auch über die Auswirkungen des jüngsten Gipfels zwischen China und den zentralasiatischen Staaten, da Moskau mit der Absicht Pekings wohl kaum zufrieden sein dürfte, dieses Gipfeltreffen in ein dauerhaftes institutionelles Format umzuwandeln.
In jedem Fall ist es an der Zeit, dass die Partner ihre Politik wieder miteinander abstimmen und neue Perspektiven für die Zusammenarbeit erkunden. Jedes Treffen zwischen Putin und Xi Jinping gibt neue Impulse für die Entwicklung wirtschaftlicher, wissenschaftlicher, technologischer und humanitärer Beziehungen. Angesichts der Tatsache, dass im Jahr 2024 das 75. Jubiläum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen China und Russland sein wird, sollte dieser Impuls besonders stark sein.
Übersetzt aus dem Englischen
Kirill Babajew ist Direktor des Instituts für China und modernes Asien der Russischen Akademie der Wissenschaften, Professor der Finanzuniversität und stellvertretender Vorsitzender des Präsidiums des Nationalen Komitees für die Forschungen im Rahmen der BRICS.
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