Von Wladislaw Sankin
Die kräftige Stimme von Anatoli Grabeschow hallte tief in den Forst am Rande Hannovers hinein. Das beschauliche Plätzchen im Grünen diente am Samstag als Veranstaltungsort für die ungestörten Feierlichkeiten des Deutsch-Russischen Herbstfests, dessen “Programmkern” der charismatische Hobby-Sänger bildete. Denn abgesehen von leckeren Speisen wie Schaschlik, Pilaw, Salaten und Kuchen sollte vor allem ausgelassen gesungen und getanzt werden. Und es wurde bis tief in den Abend hinein gefeiert und getanzt, trotz spätherbstlicher Temperaturen.
Dies war nicht Grabeschows erster Auftritt in Hannover. Neben seiner unermüdlichen Tätigkeit als Sänger und musikalischer Entertainer auf Privatveranstaltungen ist Grabeschow auch politisch aktiv. Im Juni 2022 vermochte er während einer prorussischen Kundgebung auf dem Opernplatz, die ukrainischen Störer für einen kurzen Augenblick mit einem ukrainischen Lied zur Ruhe zu bringen. Diese haben damals neben bekannten Nazi-Parolen auch “Tod den Russen” gebrüllt ‒ mit Wohlwollen der Politik.
Auch einige Deutsche haben damals gegen wüste Anfeindungen protestiert. Seitdem gibt es diese Allianz zwischen der Initiative “Frieden mit Russland” und einer Reihe loser Vereine der Russlanddeutschen und sonstiger Russischstämmiger, die es damals wagten, gegen die Russophobie auf die Straße zu gehen.
“Das Deutsch-Russische Fest ist für sich genommen ein politisches Statement, das ganz klar gegen diesen Kriegskurs der Zeitenwende-Agenda steht. Wir tragen die antirussische Hetze nicht mit. Zusammen setzen wir uns gegen ein kriegstüchtiges und für ein friedensfähiges Deutschland ein.”
Mit diesen Worten leitete Anke Wittkopp von der Initiative “Frieden mit Russland” die Veranstaltung ein. Sie hat für die DKP Niedersachsen bei den Bundestagswahlen kandidiert und setzte sich noch lange vor Beginn der russischen Militäroperation in der Ukraine für den Abzug der NATO aus ganz Osteuropa ein.
Anke Wittkopp von der Initiative Frieden mit Russland leitet das deutsch-russisches Herbstfest in Hannover ein: “Das deutsch-russische Fest Ist für sich genommen ein politisches Statement, das für sich genommen gegen die sog. Zeitenwende steht”. 12. Oktober 2024 pic.twitter.com/AHkueqMz4e
— Wlad Sankin (@wladsan) October 13, 2024
Für sie und mehrere andere Aktivisten aus der Partei und ihrem Umfeld war die Frage nach den Ursachen des Ukraine-Konflikts schon damals längst beantwortet. Trotz des Einmarsches in die Ukraine sehen sie nicht bei Russland den “imperialistischen Raubzug”.
Es sind nicht viele Deutsche, aber sie sind entschlossen zu handeln und zu protestieren. Das Resultat war diese Musik- und Gourmetveranstaltung, die im Laufe des Tages mehr als hundert Besucher anlocken konnte, wobei einige mehrere hundert Kilometer zurücklegen mussten, um an dem Fest teilzunehmen.
Doch ohne die sogenannte russisch-norddeutsche Community, die zwei Aktivistinnen aus dem Bielefelder Raum, Olga Ekkert und Ewgenia Eckart, um sich versammelt haben, wäre das Fest in diesem Umfang nicht realisierbar gewesen, sagt Johannes Magel. Er ist der Mitbegründer der Initiative “Frieden mit Russland” und ehemalige DKP-Kreisvorsitzende in Niedersachsen.
In seiner orangen Signaljacke hat Magel die Veranstaltung als väterlicher Gastgeber und Wart betreut. Trotz anfallender Kosten war der Eintritt frei, nur um Spenden wurde gebeten. Anke Wittkopp übergibt das Mikrofon an Olga Ekkert, die dann sagt:
“Trotz aller Schwierigkeiten und Hindernisse hört die deutsch-russische Freundschaft nicht auf. Unsere Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft verlieren wir nicht. Diese Veranstaltung, die der Freundschaft zwischen Deutschland und den Völkern der ehemaligen Sowjetunion gewidmet ist, ist ein wichtiges Ereignis.”
Nicht viele Reden finden an diesem Tag statt. Der Musikmarathon mit dem Gesangslangstreckenläufer Grabeschow läuft bis 21 Uhr. Der Kleinunternehmer, für den der Gesang Nebenberuf ist, singt so ziemlich alles, was bei den Völkern der ehemaligen Sowjetunion beliebt ist, und etwas darüber hinaus.
Dokumentiert. So feierten russische Landsleute und ihre deutsche Freunde den Tag des Sieges am 9. Mai 2024 in Stukenbrock (in der Nähe der Gedenkstätte Stalag 326) im Raum Bielefeld, NRW. pic.twitter.com/YrfCT3xZfH
— Wlad Sankin (@wladsan) October 13, 2024
Doch sein Steckenpferd sind Lieder mit Bezug zum Großen Vaterländischen Krieg. Die größte organisatorische Spitzenleistung der Bielefelder Deutschrussen, die Feierlichkeiten am Tag des Sieges am 9. Mai 2024 in Stukenbrock (in der Nähe der Gedenkstätte Stalag 326), war auch sein größter Erfolg als Sänger.
Damals trafen sich 3.000 Besucher, um der 60.000 in dieser Gegend gestorbenen sowjetischen Kriegsgefangenen zu gedenken und den Sieg über den deutschen Nazismus zu feiern. Die Veranstaltung wird auch im nächsten Jahr stattfinden ‒ allen politischen Widrigkeiten zum Trotz. Ein deutsch-russischer Festkalender muss schließlich gut gefüllt sein.
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