
Das Wiener Landesgericht hat einen 39-jährigen Iraker vom Vorwurf der Freiheitsentziehung und Nötigung freigesprochen. Dem Mann war vorgeworfen worden, seine Ehefrau und deren zwei Kinder gegen ihren Willen in sein Auto gezwungen zu haben. Aufmerksamkeit erregte der Fall, weil die sechsjährige Tochter der Polizei ein international bekanntes SOS-Handzeichen zeigte.
Das Geschehen nahm am 30. November nach einem Verkehrsunfall am Neubaugürtel seinen Lauf. Bei der anschließenden Kontrolle stellte sich heraus, dass der Lenker über keine gültige Fahrerlaubnis verfügte. Auf der Rückbank bemerkten die Beamten die verängstigte Ehefrau und ihre Kinder.
Die sechsjährige Tochter machte mit einem internationalen SOS-Handzeichen auf sich aufmerksam, woraufhin Mutter und Kinder aus dem Fahrzeug geholt und getrennt befragt wurden.
Im Fahrzeug wurden zudem vier Messer gefunden. Der Angeklagte erklärte vor Gericht, es handele sich nicht um Waffen, sondern um Küchenmesser “für Sandwiches”. Gegen ihn bestand zudem ein aufrechtes Waffenverbot und ein Annäherungs- und Betretungsverbot wegen früherer Konflikte mit der Ehefrau.
Die Staatsanwaltschaft ging davon aus, dass der Mann seine Frau zur Mitfahrt gezwungen habe und anschließend “wie ein Wilder” durch Wien gefahren sei.
Der Unfall führte schließlich zur Polizeikontrolle. Der Angeklagte bestritt die Vorwürfe und erklärte, man sei einvernehmlich unterwegs gewesen. Er führte das SOS-Handzeichen des Kindes darauf zurück, dass das Mädchen das Zeichen bereits eine Woche zuvor im Supermarkt gezeigt habe und vom Jugendamt darin unterwiesen worden sei. Zudem behauptete er, der frühere Partner seiner Frau habe das Kind beeinflusst.
Während des Prozesses zeigte sich der Angeklagte wiederholt schwierig. Er erhob Anschuldigungen gegen seine Frau, sprach von einer “islamischen Ehe” und versuchte, eigene Bedingungen für Aussagen zu stellen. Die Richterin wies ihn mehrfach zurecht und warnte vor Verleumdungen.
Die Beweisführung erwies sich als problematisch. Die 34-jährige Ehefrau erschien mit beiden Kindern und mehreren Sozialarbeiterinnen vor Gericht, machte jedoch von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Das Kind verweigerte ebenfalls jede Aussage, auch per Videoschaltung. Frühere Aussagen der Frau konnten daher nicht verwertet werden.
Mangels verwertbarer Zeugenaussagen sprach das Gericht den Angeklagten rechtskräftig frei. Die Richterin stellte dabei ausdrücklich klar, dass der Freispruch nicht auf der Glaubwürdigkeit des Mannes beruhe. Seine Aussagen seien aus ihrer Sicht unglaubwürdig, doch die geltende Gesetzeslage habe keine andere Entscheidung zugelassen.
Die Ereignisse fanden über Österreich hinaus Beachtung, nachdem das SOS-Handzeichen der Sechsjährigen auf eine mögliche Entführung hingedeutet hatte. Trotz des Freispruchs gilt der Sachverhalt weiterhin als umstritten und wirft Fragen zur Beweisführung bei häuslicher Gewalt und familiären Auseinandersetzungen auf.
Mehr zum Thema ‒ Politischer Konflikt erreicht den ESC: Island und vier weitere Länder boykottieren Eurovision






