Was bleibt, wenn die Strahlkraft eines Lebenswerks in juristische Scharmützel, Whistleblower-Briefe und Presseerklärungen zerfällt? Der 87-jährige Klaus Schwab, einst gefeierter Architekt des Weltwirtschaftsforums (WEF), sieht sich mit dieser Frage auf brutale Weise konfrontiert. Hausverbot in der eigenen Stiftung, öffentliche Demontage und ein Interimsduo, das den Machtapparat derzeit steuert – das ist das unrühmliche Finale eines Mannes, der jahrzehntelang als moralischer Gastgeber der globalen Elite galt.
Der Gründer erhält Hausverbot – Schwab vor dem Scherbenhaufen seiner Macht
Was wie ein Machtwechsel auf Raten begann, endet nun in einem beispiellosen Bruch: Klaus Schwab, Gründer und langjähriges Gesicht des Weltwirtschaftsforums, wurde laut NZZ-Informationen mit einem faktischen Bann belegt – für den Hauptsitz in Cologny bei Genf gilt für ihn Hausverbot. Die Entscheidung kommt nicht aus dem Nichts: Zwischen Schwab und dem Stiftungsrat, den er über Jahrzehnte selbst formte, herrscht ein offener Machtkampf. Frühere Loyalitäten gelten nicht mehr.
Nicht nur der Zugang zum Gebäude, auch der Kontakt zu früheren Mitarbeitern sowie der Zugriff auf persönliche Unterlagen ist Schwab aufgrund einer laufenden Untersuchung untersagt. Offiziell schweigt das WEF zu den Details des Hausverbots, betont jedoch, dass der Stiftungsrat “einstimmig” eine externe Untersuchung beschlossen habe – ein Zeichen dafür, wie tief das Vertrauen in den einst unantastbaren Gründer inzwischen erschüttert ist.
Der Rücktritt Schwabs kam nicht schleichend, sondern stürmisch ‒ ausgelöst durch ein anonymes Schreiben, das dem Stiftungsrat des WEF zugespielt wurde. Darin finden sich gravierende Vorwürfe: Missbrauch von Stiftungsgeldern für Massagen und Urlaube, Bargeldabhebungen durch Mitarbeiter für private Zwecke, ein fragwürdiger Führungsstil und mangelndes Handeln bei sexuellen Belästigungsvorwürfen. Noch sind die Anschuldigungen unbewiesen – doch sie haben genügt, um einen der einflussreichsten Männer der internationalen Politik- und Wirtschaftsszene aus dem eigenen Haus zu verbannen.
Die Reaktion Schwabs fällt typisch aus für Männer seiner Generation und Machtposition: Er erklärt sich zum Opfer. Von Diffamierung ist die Rede, von Intrigen, gar von Undankbarkeit. Dabei übersieht Schwab, dass sich die Welt verändert hat. Die Aura der Unantastbarkeit, die er über Jahrzehnte pflegte, funktioniert nicht mehr im digitalen Zeitalter, in dem Machtmissbrauch nicht mehr diskret, sondern öffentlich verhandelt wird.
Schwabs Behauptung, seine Frau habe seit 1973 “unentgeltlich” fürs Forum gearbeitet, wirkt wie aus der Zeit gefallen – gerade angesichts von Luxusreisen auf WEF-Kosten. Auch der Verweis auf persönliche Kredite und Preisgelder, die er ins Forum eingebracht habe, wirkt wie ein Ablenkungsmanöver. Die Frage bleibt: Ist ein Lebenswerk eine Carte blanche für Intransparenz?
Mit Peter Brabeck-Letmathe, Ex-Nestlé-Chef, und Børge Brende, Norwegens Ex-Außenminister, rückt eine neue Führung ins Zentrum. Sie übernehmen das WEF in einer Phase tiefer Glaubwürdigkeitskrise. Ihre Aufgabe: das Forum zu retten, ohne zu sehr mit seinem Gründer identifiziert zu werden – eine Operation am offenen Herzen, politisch wie moralisch.
Doch auch das neue Führungsduo steht unter Beobachtung. Denn der Umgang mit Schwab wirft Fragen auf: Warum wurde so lange geschwiegen? Wie viele dieser Vorgänge waren bekannt – und wurden intern gedeckt? Die Glaubwürdigkeit des WEF hängt nun daran, wie transparent und konsequent die Aufarbeitung der Vorwürfe erfolgt.
Der Mythos Davos – entzaubert?
Davos galt lange als Bühne des “guten Kapitalismus”. Hier sollten sich globale Eliten nicht nur treffen, sondern Verantwortung übernehmen. Doch Kritiker werfen dem Forum seit Jahren vor, vor allem eines zu sein: eine Selbstbeweihräucherung der Mächtigen, fernab demokratischer Kontrolle. Der Fall Schwab liefert jetzt das passende Symbolbild: ein abgeschotteter Führungszirkel, in dem Macht so lange zelebriert wurde, bis sie zur Karikatur wurde.
Was bleibt von Klaus Schwab? Die Vision eines Weltforums, das Politik und Wirtschaft zusammenbringt – und der Verdacht, dass diese Nähe zu eng, zu lukrativ und zu wenig kontrolliert war. Vielleicht liegt in seinem unrühmlichen Abgang auch eine Chance: für eine ehrliche Neuausrichtung des WEF, für eine Öffnung gegenüber echter Zivilgesellschaft – und für ein Ende der Selbstherrlichkeit, die Schwab jahrzehntelang verkörperte.
Wenn das WEF nicht zu einem Denkmal vergangener Hybris werden soll, braucht es mehr als neue Köpfe. Es braucht einen Bruch mit den alten Machtstrukturen – und den Mut, sich von seinem Gründer zu emanzipieren. Auch wenn dieser nun klagt. Auch wenn es weh tut.
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