Von Felicitas Rabe
Seit dem Jahr 2016 werden von deutschen Friedensaktivisten private Freundschaftsfahrten nach Russland durchgeführt. Die Projektleitung der Druschba-Friedensfahrten haben seit 2018 der Unternehmensberater Reinhold Groß und seine Frau Inge Moser inne. Während im Jahr 2017 noch 340 Druschba-Fahrer nach Russland fuhren, sind es zurzeit nur noch rund 40 Teilnehmer. Im Interview mit RT DE sprach Reinhold Groß am Mittwoch über die Erfahrungen, welche die deutschen Druschba-Fahrer im Laufe der Jahre in Russland gemacht haben, und warum sie sich für die Volksdiplomatie engagieren.
RT DE: Herr Groß, wie entstand die Idee zu den Druschba-Fahrten? Was war und ist das Motiv der Friedensaktivisten aus Deutschland, mit privaten Fahrzeugen unterschiedliche Projekte und Menschen in ganz Russland zu besuchen?
Reinhold Groß: Der Ursprungsgedanke der Druschba-Fahrten bestand darin, dass man nicht mehr weiter nur über Russland, sondern mit den Menschen in Russland reden wollte. Die Projektinitiatoren wollten Land und Leute in Russland kennenlernen, um sich jenseits der Darstellung in den Medien eine eigene Meinung zu bilden.
RT DE: Wie darf man sich so eine Friedensfahrt und deren Vorbereitung vorstellen?
Reinhold Groß: Ungefähr bis Weihnachten des Vorjahres sammeln wir Einladungen zum Besuch unterschiedlicher Projekte, Veranstaltungen und Orten in Russland, welche die Druschba-Fahrer besuchen können. Für die Druschba-Fahrt 2025, die am kommenden 28. Juni in Deutschland startet, gibt es zum Beispiel zwischen 20 und 25 Einladungen aus Russland. Die zwei für dieses Jahr vorgesehenen Touren werden dann entsprechend der Einladungen und Besuchsorte geplant. Die Teilnehmer können sich bis acht Wochen vor Reisebeginn für eine der geplanten Routen anmelden.
Mittels gemeinsamer Zoom-Konferenzen werden sie auf die Fahrt vorbereitet. Es geht um solche Dinge wie Visa, Autoversicherungen, Hotelanmeldungen. Gelegentlich kommt es auch vor, dass ein Druschba-Fahrer wieder aussteigt. Schon mancher kam mit einer falschen Vorstellung, wie zum Beispiel, dass er die Fahrt zum Auswandern nach Russland nutzen könne. Die Fahrten werden alle von den Teilnehmern privat finanziert und organisiert. Das Projekt erhält darüber hinaus weder aus Deutschland noch aus Russland finanzielle Unterstützung.
Bis 2019 trafen sich alle Teilnehmer zu Beginn der Fahrt in Berlin und fuhren von dort aus gemeinsam im großen Druschba-Autokonvoi los. Die Fahrzeuge waren mit russisch-deutschen Freundschaftsfahnen geschmückt und wurden bei ihrer Ausfahrt aus Berlin von vielen Druschba-Friedensfreunden verabschiedet.
Seit 2022 startet man nicht mehr gemeinsam in Berlin – und während der Fahrt durch Europa reisen die Druschba-Fahrer auch nicht mehr im Konvoi mit deutsch-russischen Freundschaftsfahnen. Bis zur russischen Grenze geben sich die Friedensaktivisten inzwischen nicht mehr zu erkennen. Sie müssten sonst insbesondere in Deutschland befürchten, dass sie gemäß § 130 StGB – Unterstützung eines russischen Angriffskriegs – strafrechtlich belangt würden.
RT DE: Welche Highlights möchten Sie im Rahmen dieses Interviews kurz vorstellen?
Reinhold Groß: Eines meiner persönlichsten Highlights erlebte ich bei meiner zweiten Friedensfahrt im Jahr 2018. Dabei habe ich auf dem deutschen Soldatenfriedhof in Wolgograd (ehemals Stalingrad) meinen verstorbenen Großvater gefunden. Ich fand seinen Namen auf einer der 110 steinernen Denkmalsquader auf dem deutschen Soldatenfriedhof – auf jedem Quader hatten Bildhauer jeweils 1.000 Namen der im damaligen Stalingrad vermissten deutschen Soldaten eingemeißelt und verewigt.
Ein weiteres Highlight erlebte ich auf der Druschba-Fahrt im Jahr 2023. In dem Jahr hatten wir bei der Ausfahrt an den europäischen Grenzen große Probleme. In Estland wollte man seitens der estnischen Behörden alle vier Tage jeweils nur zwei Autos über die Grenze nach Russland fahren lassen. An der lettischen Grenze wollte man uns überhaupt nicht passieren lassen. Erst in Finnland ließ man uns ausreisen.
Unsere Fahrtrouten verlängerten sich dadurch um 2.500 Kilometer. Deshalb kamen wir jeweils mit drei bis fünf Tagen Verspätung bei den einzelnen Stationen unserer Reise an. In Wolgograd wurden wir daraufhin von unserem dortigen Gastgeber, der russischen Friedensstiftung, mit einer Auszeichnung geehrt: Wir wurden dafür geehrt, dass wir in diesen Zeiten den Mut haben, trotz aller Widrigkeiten die Friedensfahrten durchzuführen.
Aufgrund unserer Verspätung trafen wir 2023 ausgerechnet am Tag der Feierlichkeiten zum 80. Gedenken des Endes der Panzerschlacht von Kursk im Zweiten Weltkrieg in der Stadt Kursk ein. Im Rahmen der Feier fand eine große Parade statt, die von den Veteranen des Kriegs angeführt werden sollte. Auf Wunsch der Menschen in Kursk lud man die deutschen Druschba-Fahrer spontan ein, die Parade gemeinsam mit den Veteranen anzuführen. Nach der Parade kamen die Veteranen zu uns deutschen Friedensaktivisten. Sie nahmen die St.-Georgs-Bänder von ihrer Brust und hefteten sie uns an. Es gilt als die höchste Ehre, ein St.-Georgs-Band zu tragen, das zuvor ein Veteran getragen hat.
Im vergangenen Jahr, im August 2024, durften wir als weiteres Highlight in Nischni Nowgorod im Park des Großen Vaterländischen Krieges eine Zedernallee pflanzen. Die offizielle Sprecherin der Oblast Nischni Nowgorod hatte das organisiert. Diese Zedernallee wurde für den Erhalt der deutsch-russischen Freundschaft angelegt. Bewusst hatte man sich dabei für die Zeder entschieden: “Denn die Zeder wächst langsam und ausdauernd, wie unsere Freundschaft zwischen Russland und Deutschland”, so die Worte bei der Eröffnung.

Zweimal wurden Druschba-Fahrer in Russland zur Teilnahme am Kongress der Volksdiplomatie eingeladen, im Jahr 2019 nach Moskau und im Jahr 2024 nach Rostow am Don. An diesen Volksdiplomatie-Konferenzen im Sinne der Völkerfreundschaften nehmen Menschen aus Europa, Russland und Asien teil und stellen ihre Projekte vor. 2024 waren mehrere Organisationen aus Europa eingeladen. Aber neben den Vertretern aus Serbien folgten ansonsten nur noch Vertreter der deutschen Druschba-Fahrer der Einladung. Dafür wurden wir als einzige Teilnehmer bei der Kongresseröffnung als Ehrengäste empfangen und vorgestellt.
RT DE: Welche Erfahrungen haben Sie als Deutsche während ihrer Reisen mit den Russen gemacht?
Reinhold Groß: Trotz des Verhaltens der deutschen Regierung gegenüber Russland, insbesondere seit dem Beginn der Spezialoperation, werden die deutschen Druschba-Fahrer von den Russen sehr herzlich empfangen. Dazu muss man wissen, dass die Russen grundsätzlich zwischen der deutschen Regierung und den einfachen Menschen aus Deutschland unterscheiden.
RT DE: Mit welchen weiteren besonderen Herausforderungen haben die Druschba-Fahrer seit 2022, dem angeblichen Beginn des Ukraine-Kriegs, zu tun?
Reinhold Groß: Immer öfter schrecken potenzielle Fahrer vor einer Teilnahme zurück, weil sie Angst haben vor den Konsequenzen. Das reicht von der Angst vor einem Verlust des Arbeitsplatzes bis dahin, dass Eltern Angst haben, Jugendämter könnten ihnen bei einer Teilnahme an einer Friedensfahrt nach Russland Probleme bereiten. Seit dem Jahr 2022 wurden auch die allermeisten deutsch-russischen Städtepartnerschaften entweder aufgelöst oder auf Eis gelegt.
Ich bin in keiner politischen Partei. Dennoch wurde ich seitens der Öffentlichkeit wegen meines Engagements für Frieden mit Russland mehrfach als “rechts” oder als “Nazi” verleumdet. Über die Druschba-Fahrten halte ich jährlich rund 50 Vorträge in Deutschland, damit die Menschen hierzulande sich ein Bild machen können. Mittlerweile werden den Veranstaltern ungefähr zehn Prozent der dafür gebuchten Veranstaltungsräume abgesagt. Das Motto unserer Friedensfahrten lautet:
Miteinander reden, nicht übereinander!
Einander kennenlernen, Freundschaften schließen und vertiefen!
Freunde töten einander nicht!
Lasst uns gemeinsam in Frieden leben!
Die Druschba-Fahrten im Jahr 2025 starten am 28. Juni. Es wird zwei unterschiedliche Touren geben. Die Pkw-Route führt nach Kursk, nach Belgorod, nach Wolgograd und nach Rostow am Don. In Kursk und Wolgograd werden Blumen zum 80. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs niedergelegt. Bilder und weitere Informationen zu den Druschba-Fahrten findet man auf Druschba-Global.org und in dieser Video-Dokumentation auf YouTube.
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