Von Andrew Korybko
Die geoökonomische Integration Eurasiens machte vergangene Woche einen großen Sprung nach vorne, als Ergebnis der von China vermittelten iranisch-saudischen Annäherung, die das Handelspotenzial des Golfkooperationsrates (GCC) mit Russland und China erschließt. Die wohlhabenden Mitgliedsstaaten des GCC können nun durch diese Annäherung auf einen Schlag zwei Megaprojekte mit Transit durch den Iran vorantreiben, die sie mit dem Nord-Süd-Transportkorridor (NSTC) mit Russland und mit dem China-Zentralasien-Westasien-Wirtschaftskorridor (CCAWAEC) mit China verbinden werden.
Saudi Arabien als De-facto-Anführer des GCC hat einer umfassenden Wirtschaftsreformpolitik, bekannt unter dem Titel “Vision 2030”, eine hohe Priorität eingeräumt. Die vom Kronprinz und Premierminister von Saudi Arabien, Mohammed bin Salman, nach seinem Machtantritt im Jahr 2015 lancierte Doktrin kam bedauerlicherweise arg ins Stottern, was ein Ergebnis des katastrophalen Kriegs im Jemen war, der seit demselben Jahr tobte. Aber jetzt scheint alles wieder auf Kurs und vielversprechender denn je zu sein, nachdem Saudi Arabien im vergangenen Dezember Investitionszusagen im Wert von 50 Milliarden US-Dollar aus China erhalten hat.
Die Volksrepublik China betrachtet die “Vision 2030” als Ergänzung zu ihrer Belt & Road Initiative (BRI), da sich Saudi Arabien auf Investitionen im Realsektor konzentrieren will, um die saudische Wirtschaft präventiv von ihrer derzeit unverhältnismäßigen Abhängigkeit von Erdölexporten zu diversifizieren. Die geographische Lage Saudi Arabiens an der Kreuzung zwischen Afrika und Eurasien macht Investitionen in diese Region auch aus Sicht der logistischen Interessen Chinas äußerst attraktiv, daher Pekings massives Engagement bei der umfassenden saudischen Wirtschaftsreformpolitik.
Ohne das von Peking vermittelte Abkommen der vergangenen Woche zwischen dem Iran und Saudi Arabien hätte sich China auf Seerouten verlassen müssen, die unter der Kontrolle der mächtigen US-Marine stehen, um die bevorstehende Explosion im bilateralen Handel zu bewältigen. Aber jetzt kann mit dem Transitkorridor CCAWAEC alles viel sicherer über den Iran abgewickelt werden. Mit Blick auf die Zukunft besteht auch die theoretische Möglichkeit, dass chinesische Energieinvestitionen im Iran die Golfstaaten mit Zentralasien und von dort aus mit der Volksrepublik verbinden und so Pekings energiestrategische Interessen vollständig sichern.
Bis dahin ist es noch ein weiter Weg, der allerdings nicht ungangbar scheint. Der Wunsch Saudi-Arabiens, der BRICS und der SOZ beizutreten, die derzeit die einflussreichsten multipolaren Organisationen der Welt sind, könnte dieses Szenario viel früher Wirklichkeit werden lassen, als selbst die optimistischsten Beobachter dies erwartet hätten. All dies scheint eine Revolution in geoökonomischen Angelegenheiten anzukündigen, und das sogar ohne, dass Saudi-Arabien dem Petroyuan seine volle Unterstützung aussprechen müsste.
Sobald dieser große Erdölexporteur damit beginnt, seine Ressourcen in nicht auf Dollar lautenden Währungen – zum Beispiel in chinesischen Yuan – zu verkaufen, wird dem Petrodollar, auf dem der wirtschaftlich-finanzielle Aspekt der unipolaren Hegemonie der USA beruht, ein Todesstoß versetzt. Der globale systemische Übergang zur Multipolarität und die bevorstehende Dreiteilung der internationalen Beziehungen, die der endgültigen unvermeidlichen Form dieses Prozesses vorausgehen wird, würde sich, sobald dies geschehen ist, beispiellos beschleunigen und damit den anhaltenden Niedergang der USA weiter vorantreiben.
Diese oben genannten Prozesse wurden bereits durch die militärische Sonderoperation Russlands in der Ukraine unumkehrbar gemacht, zu der Moskau sich zur Verteidigung seiner roten Linien bei der nationalen Sicherheit gezwungen sah, nachdem die NATO diese dort heimlich überschritten hatte und anschließend Moskaus Vorschläge zu Sicherheitsgarantien, mit denen man das Sicherheitsdilemma politisch lösen wollte, zurückwies. Im Laufe des vergangenen Jahres musste selbst die New York Times zugeben, dass nicht nur die Sanktionen gescheitert sind, sondern auch der Plan, Russland zu “isolieren“.
All dies ist größtenteils das Ergebnis davon, dass Russland den globalen Süden dazu inspirieren konnte, sich gegen den Neokolonialismus zu erheben und sich zu weigern, den Forderungen des von den USA geführten kollektiven Westens nachzukommen, und dafür ihre eigenen Interessen einseitig zu opfern. Indien spielte hier aufgrund seines Status als weltweit größtes Schwellenland eine führende Rolle, was vergleichsweise mittelgroßen und kleineren Ländern das Selbstvertrauen gab, in seine Fußstapfen zu treten.
Diese weltweit bedeutende Großmacht, die am südasiatischen Ende des Nord-Süd-Transportkorridors sitzt, der auf dem Weg nach Russland durch den Iran führt, hat auch seine Bezüge von Erdöl zu ermäßigten Preisen aus Moskau so weit ausgeweitet, dass sein jahrzehntelanger strategischer Partner heute sein größter Zulieferer ist. Von entscheidender Bedeutung ist, dass eine zunehmende Zahl der Geschäfte zwischen Moskau und Neu-Delhi in nicht auf Dollar lautenden Währungen getätigt werden, was die Prozesse bei der Entkopplung vom US-Dollar in einem solchen Ausmaß beschleunigte, dass sogar Reuters sich gezwungen sah, darüber zu berichten.
Es besteht kein Zweifel, dass die bevorstehenden saudischen Schritte zur Unterstützung des Petroyuan, die in Abstimmung mit dem Iran und Russland unternommen werden, die nächste natürliche Phase bei der Abkopplung vom US-Dollar in Gang setzen. Der Handel zwischen Russland und dem GCC-Realsektor, der über den Iran abgewickelt wird, wird in nationalen Währungen abgerechnet werden und bereitet diese drei Protagonisten auf jenen Moment vor, in dem sie sich entscheiden werden, dem Petrodollar den Todesstoß zu versetzen.
Alles in allem ist es keine Übertreibung zu behaupten, dass die Dominanz des US-Dollars durch die iranisch-saudische Annäherung zunichte gemacht wird. Dieses von Peking vermittelte Abkommen zwischen dem Iran und Saudi Arabien macht dieses Ergebnis unvermeidlich, es sei denn, es kommt zu einem subversiven Ereignis, wie einem von den USA geförderten Putsch gegen Mohammed Bin Salman, obwohl dies eher unwahrscheinlich bleibt, nachdem er seine Macht Ende 2017 erfolgreich festigen konnte. In diesem Sinne kann man zuversichtlich sein, dass die Entwicklung der vergangenen Woche im Nachhinein als Wendepunkt betrachtet wird.
Aus dem Englischen.
Andrew Korybko ist ein in Moskau ansässiger amerikanischer Politologe, der sich auf die US-Strategie in Afrika und Eurasien spezialisiert hat sowie auf Chinas Belt & Road-Initiative, Russlands geopolitischen Balanceakt und hybride Kriegsführung.
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