Die Konzeptausstellung, unter Mitarbeit betroffener in Deutschland lebender Flüchtlinge, wurde im Jahr 2023 erstmalig interessierten Bürgern vorgestellt. Im Anschluss erfolgten weiteren Aufbauten an unterschiedlichen Orten in Sachsen. Die jüngste Planung der Initiatoren, eines Ehepaars, das ehrenamtlich Flüchtlinge betreut, sah das Foyer des Landratsamtes Pirna als kommenden Ausstellungsort vor. Die für den 25. September geplante Vernissage falle nun jedoch aus, da sich Mitarbeiter des Amtes vorab mehr als kritisch mit den Inhalten der Präsentation auseinandergesetzt hätten, heißt es.
Im Jahr 2023 wurde die Ausstellung erstmals im Bürgerzentrum der Stadt Aue präsentiert, danach wurde sie “von vielen Orten angefragt”, so die Sächsische Zeitung den Vorgang erläuternd. Es folgten Veranstaltungen “unter anderem in den Kirchen Halberstadt und Schwarzenberg, im Franziskaneum Meißen, im Sächsischen Landtag und in der Arbeitsagentur Chemnitz”. Macher und Initiatoren der Ausstellung sind zwei Eheleute aus dem erzgebirgischen Schwarzenberg, die aktiv in einem Flüchtlingsunterstützerkreis tätig sind.
Die aktuelle Präsentation im Foyer des Landratsamtes Pirna wurde jetzt ohne Wissen des Ehepaars abgebaut, dies noch vor dem Start, der geplanten Vernissage am 25. September. Zu den Inhalten heißt es:
“Lobecks konzipierten die Ausstellung mit dem Titel ‘Es ist nicht leise in meinem Kopf’, dazu erschien auch ein gleichnamiges Buch. Auf den Ausstellungstafeln ist immer links ein Protagonist im Bild zu sehen, rechts daneben steht ein Text. Darin schildern 35 Geflüchtete, unter anderem aus Syrien, Afghanistan und aus afrikanischen Ländern, ihr Leben, ihre Erfahrungen, ihre Flucht und die Fluchtursachen.”
Diese Schilderungen bezogen sich auch auf die Erfahrungen der Flüchtlinge nach Ankunft in Deutschland. Zu der Entscheidung des Amtes, die Präsentation nach Aufbau am 11. September umgehend wieder zu demontieren, heißt es in dem Artikel:
“Am 12. September wurden die Initiatoren von der Landkreisbehörde kurz darüber informiert, dass die Bilder wieder abgehängt wurden, angeblich habe es Beschwerden gegeben. Zu diesem Zeitpunkt, sagt Lenore Lobeck, hätten sie und ihr Mann weder gewusst, um welche Beschwerden es ging, noch von wem sie kamen, noch auf wessen Geheiß die Bilder wieder verschwanden und wo sie nun lagerten.”
Die Gründe erfuhr das Ehepaar in einem Schreiben des Landratsamtes, versandt im Auftrag von Landrat Michael Geisler (CDU). Darin heißt es dem Artikel zufolge:
“Die Beauftragte des Landkreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge für Integration und Migration hat sich im Vorfeld offensichtlich nicht ausreichend mit den Inhalten der Texte und der Fotos auseinandergesetzt, um mögliche Auswirkungen ausreichend bewerten zu können.”
Die “Brisanz der dort kommunizierten Äußerungen”, sei erst bei genauerer Betrachtung aufgefallen. Die Ausstellung habe schon in den ersten Stunden nach dem Aufhängen “polarisiert und für eine aufgeheizte Stimmung gesorgt”, dies ausgehend von den Reaktionen von Mitarbeitern des Landratsamtes, wie auch Bürgern, die aufgrund von Terminen zufällig vor Ort waren.
So sei in den begleitenden Texten zu den Fotografien nicht “ein positives Feedback zu den zahlreichen negativen Äußerungen der in unserem Land Schutzsuchenden enthalten gewesen”, heißt es in dem Schreiben weiter. Insofern sei die Ausstellung aus Sicht der Behörde “nicht dazu geeignet, Vorurteile abzubauen, wie im Vorfeld kommuniziert, sondern würde vielmehr diese noch verstärken.” Das Amt verfügte einen sofortigen Abbau. Als Beispiel führt die Behörde in dem Schreiben Sätze von Flüchtlingen auf, die auf den Tafeln zu lesen sind:
“Aussagen wie ‘Wir sind eingesperrt wie hinter einer Mauer’, oder in Bezug auf die Polizei ‘… nur kontrolliert wirst, weil du schwarz bist …’ oder ‘Ich habe kein Leben in Deutschland … Ich weiß nicht, ob ich hierbleiben will …’ hätten verständlicherweise den Unmut und das Unverständnis von Bürgern und von Mitarbeitern des Landratsamtes hervorgerufen.”
Die Eheleute zeigten sich nun “schockiert über das Vorgehen des Landratsamtes, der Vorfall sei aus ihrer Sicht ungeheuerlich.” Die Vorwürfe seien nicht nachvollziehbar, denn überall, “wo die Ausstellung bislang zu sehen war, ist ihr Kern erkannt und sie so gelesen worden, wie sie gemeint ist.” Außer “selten verbal geäußertem Missfallen” sei bisher zum Glück alles unversehrt geblieben, dies bezogen auf die Befürchtungen, dass Bilder oder die Ausstellung “von Rassisten oder Rechten beschädigt oder attackiert werde.”
Zu der Kritik der Mitarbeiter und Bürger nach Betrachtung der Ausstellung erklärte die Macherin empört:
“Aber dass ein Amt eines demokratischen Staates Bilder einer Ausstellung, die um Verständnis für Geflüchtete wirbt und gegen Vorurteile spricht, aufgrund von ‘Beschwerden’ wieder abnimmt, habe eine völlig andere und neue Dimension. Es mache deutlich, sagt Lenore Lobeck, wie stark Rechte und Migrationskritiker bereits das Meinungsbild beherrschten.”
Sie sei zudem verärgert, dass das Landratsamt Passagen von Flüchtlingen in den Ausstellungstexten, “in denen zu lesen ist, dass sie dankbar sind, in Deutschland zu leben und etwas zurückgeben”, nicht erwähnt habe. Ein Pirnaer Verein suche laut Artikel nun nach einem Ausweichquartier, “um die Ausstellung doch noch zeigen zu können.”
Mehr zum Thema – Bereitet der sächsische Innenminister ein Verbot der “Freien Sachsen” vor?