Von Sergei Sawtschuk
Glücklicher- oder unglücklicherweise bestand das Hauptereignis während der Neujahrsfeiertage — sieht man einmal vom kontinuierlichen Vormarsch unserer Truppen an einigen Frontabschnitten ab — in der Einstellung der Gaszufuhr in das ukrainische Gastransportsystem. In zirkuspolitischer Manier gelang es Kiew, diese Situation in einen großen Sieg umzumünzen, indem es behauptete, nicht Gazprom habe den Gashahn zugedreht, sondern die Ukraine habe den Gastransport des Aggressors eingestellt. Es scheint, dass damit eine ganze Epoche zu Ende ist, aber wir wagen zu behaupten, dass dies in dieser historischen und geopolitischen Sinfonie nicht das Finale, sondern nur ein Zwischenspiel ist.
Gehen wir alles der Reihe nach durch, denn die letzte Woche war mit so vielen wichtigen und weniger beachteten Ereignissen gefüllt, dass man sich leicht verwirren lassen kann.
Die wichtigste Aussage über das Schicksal des ukrainischen Gastransits machte Wladimir Putin zum Jahresende. Auf die Frage nach der Unterzeichnung eines neuen Gasabkommens sagte das russische Staatsoberhaupt wörtlich, dass diese Angelegenheit abgeschlossen sei.
An der Genauigkeit der Formulierung des Präsidenten kann man nicht zweifeln, aber man sollte nicht vergessen, dass Wladimir Wladimirowitsch ein Politiker mit großer Erfahrung ist, dessen Talente selbst von den eifrigsten Russophobikern zähneknirschend bewundert werden. Zudem ist Putin ein Jurist, sodass seine Aussagen wortwörtlich genommen werden sollten. Und in diesem konkreten Fall antwortete er:
“Es gibt keinen Kontrakt, und es ist unmöglich, ihn in drei oder vier Tagen abzuschließen. Es wird keinen geben.”
Punktum. Es handelt sich um eine Tatsachenfeststellung, und man braucht hier nicht nach einer zweiten oder dritten Sinnschicht zu suchen.
Neben der Ukraine nahm auch Moldawien eine solche prinzipielle Haltung ein. Moldawien weigert sich, seine Schulden in Höhe von über 700 Millionen US-Dollar für Erdgaslieferungen anzuerkennen, obwohl das Unternehmen Moldovagaz noch 2021 einen neuen Vertrag mit Gazprom unterzeichnete, die Existenz und den Umfang der Schulden anerkannte und sich verpflichtete, sie zurückzuzahlen.
Wir haben nun das Jahr 2025, und die moldawische Regierung ändert abrupt ihre Meinung und schiebt die gesamte Finanzlast auf Transnistrien: Angeblich bezahle diese prorussische Region Moskau nicht für die Gaslieferungen. Diese Behauptung stellt eine absichtliche Lüge dar, da die Gaseinfuhren nach Moldawien direkt aus der Ukraine kamen.
Infolge dieser selbstmörderischen Sturheit wurden die Gaslieferungen nach Moldawien eingestellt und der lokale Energiesektor brach sofort zusammen. Es wurden totale Stromausfallpläne eingeführt, die Beleuchtung in öffentlichen Gebäuden fiel aus und die Aufzüge und Klimatisierungssysteme wurden abgeschaltet. Die Bevölkerung wurde vom Parlament zum Stromsparen und zur Begrenzung der Temperatur in den Wohnungen auf maximal 19 Grad Celsius aufgefordert. Außerdem wurde in Transnistrien die Gasversorgung von Wohngebäuden unterbrochen und die Heizung und das Warmwasser abgestellt.
Neben dem Abbruch der Beziehungen zu Gazprom trennte sich von Chișinău auch ein großes staatliches moldawisches Kraftwerk, das zum Inter RAO UES-Konzern gehört und seinen Sitz in einer Stadt der Transnistrischen Moldauischen Republik hat. Dieses Kraftwerk, das den Großteil Moldawiens mit Strom versorgte, wurde am Silvesterabend von Gas auf Kohle umgestellt, wobei die derzeitigen Reserven voraussichtlich bis Anfang März reichen werden.
Das moldawische Regierungsteam berichtete jedoch in Anlehnung an die Medienerfahrungen seiner Freunde in Kiew stolz, dass das Energiesystem der Republik am 1. und 2. Januar nicht zum Stillstand kam, da es gelang, etwas Strom aus Rumänien zu kaufen. Für die Zukunft erhoffen sich die lokalen Verantwortlichen brüderliche Unterstützung durch das ukrainische Unternehmen Energoatom.
Dieser Energiesturm in Moldawien verdient nicht ohne Grund unsere Aufmerksamkeit. Es besteht die Meinung, dass Moldawien als winziges und armes Land im Rahmen seines bewussten Sturzflugs zum Modell für weitere – viel umfassendere – zerstörerische Prozesse innerhalb der Europäischen Union werden kann.
Es besteht Grund zu der Annahme, dass Energoatom in der Lage sein wird, ein gewisses Mengenstromvolumen nach Süden zu liefern, wobei sich die Frage stellt, wie groß und wie dauerhaft diese Lieferungen sein werden. Für Moldawien ist diese Angelegenheit jedoch von entscheidender Bedeutung, da seine europäischen Verbündeten weder über übermäßige Erzeugungskapazitäten noch über freie Gasmengen verfügen. Die Gaspreise an den europäischen Börsen steigen vor dem Hintergrund der Transiteinstellung langsam, aber kontinuierlich um durchschnittlich ein Prozent pro Tag. Und schon jetzt liegt der Preis pro tausend Kubikmeter auf dem höchsten Stand seit November 2023.
Diese Diskussion kann nicht ohne Erwähnung der Ukraine, ihrer Position und vor allem der offensichtlichen und unsichtbaren Gründe geführt werden.
Als Hauptpostulate für die Alternativlosigkeit der Import- und Transitlieferungen russischen Gases wurden in der Regel zwei Thesen angeführt: Ohne dieses Gas könne der Bedarf der Ukraine nicht gedeckt werden, und es sei für Kiew von entscheidender Bedeutung, ein Entgelt für den Gastransit zu erhalten. Diese beiden Thesen sind unter den Gegebenheiten des Jahres 2025 nicht mehr ganz aktuell.
Erstens ist der Inlandsgasverbrauch der Ukraine auf ein Minimum geschrumpft. Während das Land 1992 noch 110 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr benötigte ‒ davon mehr als 40 Milliarden für die seit Sowjetzeiten immer noch mächtige Industrie ‒, sind diese Zahlen im Jahr 2023 auf 19 Milliarden beziehungsweise vier Milliarden entsprechend gesunken. Mit anderen Worten: Der Gesamtverbrauch ist auf ein Fünftel und der industrielle Verbrauch auf ein Zehntel gesunken. Nach den jüngsten veröffentlichten Daten scheiterte Kiew im Jahr 2021 mit dem Investitionsprogramm “20/20” und konnte nur 19,8 Milliarden Kubikmeter Gas selbst fördern. Zusammen mit dem Zukauf einiger Gasmengen aus Polen und Ungarn reicht dies aus, um den schwachen Puls der Volkswirtschaft aufrechtzuerhalten.
Darüber hinaus erweist sich das aus der Sowjetzeit stammende Gastransportsystem für den Bedarf der Ukraine als überflüssig. Zudem ist die physische Infrastruktur dieses Systems stark verschlissen. Bereits 2015 schätzte ein unabhängiges deutsches Unternehmen in einem Audit den Investitionsbedarf für die Modernisierung des ukrainischen Gastransportsystems auf 2,5 Milliarden Euro. Berücksichtigt man die laufenden Abbauprozesse, könnte dieser Betrag sicherlich auf sieben oder acht Milliarden erhöht werden. Kiew verfügt nicht über dieses Geld, und Poroschenko seinerseits verschreckte alle potenziellen Käufer mit seiner fantastischen Frechheit.
Zweitens stellt die Transitgebühr für Kiew kein so erstrebenswertes Ziel mehr dar. Zur Erinnerung: Ende Oktober 2024 bekannte das ukrainische Finanzministerium die Staatsverschuldung in Höhe von 156 Milliarden US-Dollar. Sollte Kiew im Jahr 2025 ‒ wie geplant ‒ Auslandskredite in Höhe von 35 Milliarden US-Dollar aufnehmen, wird die Auslandsverschuldung des Landes 102 Prozent des derzeitigen BIP übersteigen. Bei einer so hohen Verschuldung spielen 800 Millionen US-Dollar keine Rolle mehr. In Bezug auf diesen Verlust kann man die ukrainische Redewendung anwenden: “Brennt die Scheune nieder, so lasse auch das Haus niederbrennen.”
So, und jetzt kommt das Wichtigste.
Derzeit erreicht russisches Erdgas die EU entweder über die South-Stream-Pipeline und die Türkei oder in Form von LNG. Die Ereignisse der letzten zwei Wochen deuten jedoch darauf hin, dass die Geschichte mit dem ukrainischen Gastransit noch lange nicht zu Ende ist. Lassen wir eine Erinnerung an diejenigen wach werden, die zum Jahresende hart gearbeitet haben und im Vorfeld der Silvesternacht mit den angenehmen Dingen beschäftigt waren.
In der zweiten Dezemberhälfte schlug Viktor Orbán einen friedlichen Plan zur Beilegung der Ukraine-Krise vor. Darauf reagierte Selenskij in rüpelhafter Manier, dass die Ukraine die Hilfsleistungen von “Putins Leibeigenen” nicht benötige. Anschließend flog Robert Fico nach Moskau und führte ein Gespräch mit unserem Präsidenten. Das Kommuniqué über dieses Gespräch war äußerst lakonisch, doch Fico bot Selenskij sofort ein Treffen an, ohne zu verbergen, dass es dabei um das Thema Erdgas gehen würde.
Der Kiewer “Virtuose des unkonventionellen Klaviers” reagierte auf diesen Vorschlag mit einer ebenso unverfrorenen Ablehnung. Im Rahmen der darauf folgenden verbalen Auseinandersetzung schlug Robert Fico der Kiewer Regierung vor, die Einnahmen aus dem Gastransit und die Freundschaft mit den EU-Ländern nicht zu verlieren, und wies die EU auf die rechnerische Gegebenheit hin, dass der Schaden für die Eurozone und die Ukraine um ein Vielfaches größer wäre als für Moskau, falls der Gastransit gestoppt würde.
In der zuvor erwähnten Aussage erklärte Wladimir Putin lediglich, dass es unmöglich sei, vor dem Jahreswechsel ein neues Gasabkommen zu schließen. Und sonst nichts. Die Initiativen von Robert Fico, sein Versprechen zur Unterbrechung der Stromlieferungen an die Ukraine, der ziemlich kalte Winter in Europa und die schrumpfenden Gasreserven in den europäischen unterirdischen Gasspeichern (weniger als 75 Prozent zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels) setzen in dieser verworrenen Geschichte kein Schlusszeichen, sondern nur eine Abfolge von Auslassungspunkten.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 3. Januar 2025 zuerst auf RIA Nowosti erschienen.
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