Der Bundesrat hat offiziell die Vernehmlassung zum neuen Vertragspaket mit der Europäischen Union eröffnet. Mit dem Paket, das insgesamt fast 1900 Seiten umfasst, will die Schweiz ihre Beziehungen zur EU weiter regeln und vor allem den Zugang zum EU-Binnenmarkt sichern.
Außenminister Ignazio Cassis bezeichnete das Paket als ein Handelsabkommen, nicht mehr und nicht weniger. Er betonte, dass die Schweiz damit ihre Unabhängigkeit wahre und gleichzeitig von der engen wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit der EU profitiere. Er sagte auf der Medienkonferenz, dass man sich auf die Erfahrung der Vergangenheit stütze – das sei der beste Weg.
Die Schweiz wird für die Zusammenarbeit einen jährlichen Kohäsionsbeitrag von rund 350 Millionen Franken zahlen, insgesamt rund eine Milliarde Franken pro Jahr. Auf die Frage, wie das mit den knappen Bundesfinanzen vereinbar sei, sagte Cassis, man habe Kosten und Nutzen sorgfältig abgewogen. Auch das Parlament wird sich künftig mit dieser Frage beschäftigen.
Die Personenfreizügigkeit ist weiterhin ein wichtiger Teil des Pakets, allerdings mit klaren Regeln: Zuwanderung ist nur über den Arbeitsmarkt möglich – nur wer eine Arbeitsstelle hat, darf in die Schweiz kommen. Wer seinen Job verliert, muss sich um eine neue Stelle bemühen, sonst verliert er das Aufenthaltsrecht.
Um den Schutz der Löhne sicherzustellen, enthält das Paket 14 Maßnahmen, die verhindern sollen, dass Lohndumping die Schweiz schwächt. Besonders wichtig ist die sogenannte “Non regression clause”, die einen Rückfall hinter den heutigen Lohnschutz ausschließt.
Das Stromabkommen, das ebenfalls Teil des Pakets ist, sichert der Schweiz Vorteile bei der Energieversorgung. So bleibt den Konsumenten etwa die Wahl, in der Grundversorgung zu bleiben, ohne zwingend den Anbieter wechseln zu müssen.
Ein Streitbeilegungsmechanismus über ein Schiedsgericht ist ebenfalls vorgesehen – er soll bei Konflikten zwischen der Schweiz und der EU greifen. Beide Seiten sind sich über dessen Auslegung einig, sagte Cassis.
Im Vergleich zum früheren Rahmenabkommen, das 2021 im Schweizer Parlament scheiterte, ist das neue Paket in mehreren Punkten klar besser für die Schweiz, betont der Bundesrat. Der sektorielle Ansatz regelt die Beziehungen punktuell in einzelnen Abkommen und wahrt so die Souveränität des Schweizer Parlaments, der Gerichte und des Volkes.
Jetzt, mit dem Beginn der Vernehmlassung, startet in der Schweiz die politische Diskussion. Das Parlament, die Parteien und die Bevölkerung werden das Paket genau anschauen und bewerten. Dabei geht es besonders um die Kosten, den Nutzen, die soziale Verträglichkeit und darum, inwieweit die Unabhängigkeit gewahrt bleibt.
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