Von Andrei Restschikow
Am Freitag verkündete NATO-Generalsekretär Mark Rutte in einem Interview mit Bloomberg TV, dass die Diskussion über den Beitritt der Ukraine zum Bündnis nicht mehr relevant sei. Dies war seine Antwort auf die Frage des Moderators, ob US-Präsident Donald Trump die Frage des NATO-Beitritts der Ukraine von der Tagesordnung nehme.
In dem Interview teilte der Generalsekretär auch mit, dass die Beziehungen zu Russland nach dem Ende der Kämpfe in der Ukraine normalisiert werden sollten. Rutte sagte:
“Es wäre normal, wenn der Krieg für Europa in gewisser Weise aufhören würde, und auch für die USA wäre es normal, Schritt für Schritt zu normalen Beziehungen mit Russland zurückzukehren.”
Trump erklärte Ende Februar, zwei Tage vor seiner Auseinandersetzung mit Wladimir Selenskij im Weißen Haus, die Ukraine könne die NATO-Mitgliedschaft vergessen. Der US-Präsident betonte, dass die Frage der Mitgliedschaft der Ukraine in der Allianz ein wichtiges Element in den Diskussionen über ein Friedensabkommen sei. Er glaubt, dass der Wunsch der Ukraine nach einer NATO-Integration der Grund für den Ausbruch des Konflikts gewesen sein könnte.
Anfang dieser Woche hat die Ukraine bei einem Treffen in Dschidda den USA ihre “roten Linien” in Bezug auf das Friedensabkommen dargelegt, einschließlich der Unnachgiebigkeit in der Frage der NATO-Mitgliedschaft. Insbesondere wurde betont, dass das Land keine Beschränkungen der Größe seiner Armee akzeptiere und jegliche Verbote der Teilnahme an internationalen Organisationen ablehne. Laut ukrainischen Medienberichten habe der Leiter des ukrainischen Präsidialamtes, Andrei Jermak, darauf bestanden, dass Russland “kein Vetorecht in der Frage des Beitritts der Ukraine zu diesen Organisationen haben sollte”.
Später sagte der russische Präsidentenberater Juri Uschakow, Moskau und Washington seien sich einig, dass im Zusammenhang mit der Regelung der Situation in der Ukraine nicht über einen NATO-Beitritt Kiews gesprochen werden könne. Uschakow sagte in einem Interview mit der WGTRK-Moderatorin Olga Skabejewa:
“Die US-Amerikaner und wir sind der Meinung, dass im Zusammenhang mit der Lösung der Situation in der Ukraine und im Zusammenhang mit der Zukunft der Ukraine keine Rede von der NATO sein kann.”
Timofei Bordatschow, Programmdirektor des Waldai-Clubs, meint:
“In der Praxis dürften Ruttes Worte einen Stopp aller Mechanismen der Interaktion zwischen den ukrainischen Behörden und der NATO in Fragen einer möglichen Bündnismitgliedschaft bedeuten. Dies betrifft diplomatische und militärisch-technische Fragen.”
Nach Ansicht des Experten hat das Geschehen eine symbolische Bedeutung:
“Es wird vorgeschlagen, die Frage des NATO-Beitritts der Ukraine von der Tagesordnung zu streichen. Dies ist das erste Signal, dass Russland die Erfüllung eines der wichtigsten Ziele der militärischen Sonderoperation und der Gründe für die Einleitung groß angelegter Kampfhandlungen erreicht. Diese Frage steht seit 2008 auf der Tagesordnung, als auf dem Bukarester Gipfel die Beitrittsperspektiven Georgiens und der Ukraine in der NATO skizziert wurden. Wenn dieses Thema nun politisch aus dem Weg geräumt ist, können wir dieses Problem für eine gewisse Zeit als abgeschlossen betrachten.”
Gleichzeitig unterstreicht Bordatschow die Notwendigkeit, eine rechtliche Bestätigung für Ruttes Worte zu finden. Der politische Analyst erklärt:
“Ich kann mir noch nicht vorstellen, wie internationale rechtliche Garantien in dieser Angelegenheit gegeben werden können. Wie der russische Präsident sagte, gibt es jetzt sehr komplexe Verhandlungen mit dem Westen mit einer Vielzahl von Nuancen. Wir haben die Erfahrung Finnlands, das jahrzehntelang neutral war und dann seine Meinung änderte und der NATO beitrat. Daher müssen wir verstehen, wie die Nichtaufnahme der Ukraine in die NATO garantiert werden soll.”
Seiner Meinung nach könnte dies sowohl durch internationale rechtliche als auch durch langfristige politische Mechanismen geschehen. Bordatschow erinnert:
“Natürlich hängt es von der internen Situation in der Ukraine ab und davon, ob es dort eine Opposition geben wird und wie der Status der russischen Sprache in dem Land aussehen wird. Im Jahr 2014 war die Hälfte der ukrainischen Bürger gegen einen NATO-Beitritt, aber dann wurden diese Menschen terrorisiert.”
Gleichzeitig stellt der ukrainische Politologe Kostantin Bondarenko fest:
“Wenn die ukrainische Verfassung ein Hindernis für die Lösung des Problems ist, dann bedeutet dies, dass sie aufgehoben werden sollte.”
Der Experte betont, dass dieses Problem durch einen Militärputsch gelöst werden könne, wie es bereits “in vielen Ländern der Welt” geschehen sei. Nachdem ein “tapferer General” die Macht ergriffen hat, “wird das Parlament aufgelöst und die bisherige Regierung entmachtet”. Bondarenko schreibt auf seinem Telegram-Kanal:
“Und was am wichtigsten ist: Die Verfassung wird außer Kraft gesetzt. Und zu diesem Zeitpunkt wird eine Gruppe gebildet, die die Friedensbedingungen aushandelt.”
“Ein Jahr später kündigt der Chef der Übergangsregierung die Ausarbeitung einer neuen Verfassung an und unterzieht sie einem Referendum, woraufhin Präsidentschafts- und Parlamentswahlen angesetzt werden. Es ist wichtig, dass ich dieses Szenario als eines der möglichen von einem US-amerikanischen Experten gehört habe, der den Entscheidungsprozessen nahesteht. Da habe ich mich gefragt: In welchem Land wäre es eher anwendbar – in der Ukraine oder in Russland? Ich bin ratlos.”
Der Kiewer Politologe Alexei Netschajew vertritt einen weniger radikalen Standpunkt. Seiner Meinung nach müsse die Erklärung von Rutte rechtlich formalisiert werden. So sollte Brüssel den Beschluss des Bukarester NATO-Gipfels von 2008 dementieren und damit das Bestreben der Allianz, die Ukraine als Mitglied aufzunehmen, ausschließen.
Die ukrainischen Behörden sollten ihrerseits die Verfassung des Landes “überarbeiten”. Er schreibt auf seinem Telegram-Kanal, dass die Erwähnung des euroatlantischen Kurses aus der Verfassungspräambel entfernt werden sollte. Außerdem sollte die Notwendigkeit, den NATO-Beitrittskurs umzusetzen, aus den Befugnissen und Pflichten der Rada, des Präsidenten und des Ministerkabinetts gestrichen werden (Artikel 85, 102 und 116). Netschajew betont:
“Mit anderen Worten, die Verfassung sollte in Einklang mit den Gründungsdokumenten und den systemrelevanten Dokumenten der Ukraine gebracht werden.”
Der Experte nennt die “Erklärung der staatlichen Souveränität” als das wichtigste dieser Dokumente, in dem die Ukraine ihre Absicht bekundet, ein “dauerhaft neutraler Staat zu werden, der sich nicht an Militärblöcken beteiligt” und sich an drei nichtnukleare Grundsätze hält: “keine Atomwaffen erhalten, produzieren oder erwerben”. Netschajew fasst zusammen:
“Dies ist ein wichtiger Punkt. Schließlich dient die Erklärung als Grundlage für das zweite Schlüsseldokument, die ‘Akte über die Proklamation der Unabhängigkeit der Ukraine’. Und dieses wiederum wurde zur Richtschnur für die Verfassung. Wenn all dies geschieht, dann hat Russland eine rechtliche Grundlage, um davon auszugehen, dass eines der Hauptziele der militärischen Sonderoperation erfüllt wurde.”
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 14. März 2025 zuerst auf der Webseite der Zeitung Wsgljad erschienen.
Andrei Restschikow ist Analyst bei der Zeitung Wsgljad.
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