Auch nach den Enthüllungen des US-Investigativjournalisten Seymour Hersh herrscht in den deutschen Behörden und Ministerien offenbar wenig Interesse, die Anschläge auf Nord Stream aufzuklären. Wie die Berliner Zeitung berichtet, hält das Bundeswirtschaftsministerium unter Leitung von Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) die Bundesrepublik nicht einmal für einen vom Anschlag betroffenen Staat. Eine Ministeriumssprecherin verweist auf Nachfrage zum Stand der Ermittlungen darauf, dass die Pipelines im Besitz der Betreiber Nord Stream 1 AG und Nord Stream 2 AG seien. Der Berliner Zeitung sagte die Sprecherin:
“Für eventuelle Untersuchungen möchte ich auf die Unternehmen und die betroffenen Staaten verweisen.”
Auch die Reparaturarbeiten an den Pipelines seien nach Ansicht des Ministeriums “rein unternehmerische Entscheidungen”, beziehungsweise “Entscheidungen des russischen Staates. Tatsächlich gehört der Betreiber und Besitzer der Nord-Stream-2-Pipeline, die Nord Stream AG, zu 100 Prozent dem russischen Staatskonzern Gazprom. Im Falle der Nord-Stream-1-Pipeline ist Gazprom mit 51 Prozent zwar der Haupteigentümer, die anderen 49 Prozent gehören jedoch den Unternehmen Wintershall Dea, E.ON, Engie und der niederländischen Gasunie.
Verantwortlich für die Aufklärung der Nord-Stream-Sabotage ist jedoch in erster Linie die Generalbundesanwaltschaft. Da sich Schweden und später auch Dänemark wegen Bedenken in Bezug auf die Vertraulichkeit aus einer gemeinsamen Ermittlergruppe zurückgezogen hatten, ermitteln die Staaten nun alleine und unabhängig voneinander.
Laut Strafgesetzbuch gilt Deutschland jedoch auch unabhängig von den Eigentümerverhältnissen als betroffener Staat, da durch die Explosionen “Anlagen, die der öffentlichen Versorgung mit Wärme dienen oder sonst für die Versorgung der Bevölkerung lebenswichtig sind”, außer Funktion gesetzt wurden. Der Generalbundesanwalt teilte unter Berufung auf das Bundesjustizministerium mit, dass sich die Anzeige noch immer gegen “Unbekannt” richte. Mit den weiteren Ermittlungen seien das Bundeskriminalamt (BKA) und die Bundespolizei beauftragt worden, die “sämtlichen Hinweisen zur Aufklärung des zugrunde liegenden Sachverhalts nachgehen”.
Die Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht (Die Linke) hatte ebenfalls eine Anfrage gestellt und nachgefragt, ob die Bundesregierung “die detaillierten Hinweise des Investigativjournalisten und Pulitzer-Preisträgers Seymour Hersh zur Planung und Durchführung des Attentats auf die Nord-Stream-Pipelines” überprüfen und eine Stellungnahme der US-Regierung sowie der norwegischen Regierung zu den geschilderten Vorkommnissen erbitten wolle.
Die Antwort des Bundesjustizministeriums, die der Berliner Zeitung vorliegt, fällt ebenso spärlich aus: Dem Generalbundesanwalt würden “keine Erkenntnisse im Sinne der jüngsten Veröffentlichung des Journalisten Seymour Hersh vorliegen”. Zudem verweist man darauf, dass es zwar eine grundsätzliche verfassungsrechtliche Pflicht gebe, die Informationsansprüche des Deutschen Bundestages und einzelner Abgeordneter zu erfüllen. In diesem Fall habe jedoch das berechtigte Geheimhaltungsinteresse zum Schutz der laufenden Ermittlungen Vorrang:
“Eine Auskunft zu Erkenntnissen aus dem Ermittlungsverfahren würde konkret weitergehende Ermittlungsmaßnahmen erschweren oder gar vereiteln.”
Zudem zeigen sich die betroffenen Unternehmen ebenfalls zurückhaltend. Die BASF-Tochter Wintershell Dea mit Sitz in Kassel, die 15,5 Prozent der Anteile an der Nord Stream AG besitzt, erklärte, man respektiere “die absolute Vertraulichkeit der laufenden behördlichen Ermittlungen in Deutschland, Dänemark und Schweden” und wolle nicht über die Täter spekulieren. E.ON hält ebenfalls 15,5 Prozent an der Nord Stream AG und gab bekannt, man wolle sich ebenfalls nicht an Spekulationen zu den Tätern beteiligen. Lediglich der mittlerweile verstaatlichte Gaskonzern Uniper, der seine Beteiligung an Nord Stream 2 mittlerweile abgeschrieben hat, teilte mit, “ein sehr großes Interesse an einer vollständigen Aufklärung des Sachverhaltes” zu haben. Diese Aufklärung sei aber eine Aufgabe der relevanten staatlichen Stellen, so das Unternehmen.
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