Taiwan hat die Abschaltung seines letzten aktiven Atomreaktors eingeleitet und sich damit offiziell von der Kernenergie verabschiedet. Mit dem Schritt erfüllte die regierende Demokratische Fortschrittspartei (DPP) ein zentrales Versprechen ihres Energieplans aus dem Jahr 2016, der einen Atomausstieg bis spätestens 2025 vorsah. Hintergrund war vor allem die Nuklearkatastrophe im japanischen Fukushima im Jahr 2011.
Die Abschaltung ist allerdings umstritten. Der Atomausstieg hat auf der abtrünnigen Insel Taiwan einen hohen Preis, der tief in die Sicherheit des Landes reicht. Einerseits ist der Bedarf an verlässlicher Stromerzeugung vor allem in der energieintensiven Chipindustrie Taiwans immens und wächst durch immer weitere Fertigungsanlagen sowie neue Bedarfe von Halbleitern für künstliche Intelligenz rasant. Zum anderen ist Taiwan im Kriegs- und Blockadefall durch China weitgehend von Energie abgeschnitten. Taiwan erzeugt derzeit mehr als achtzig Prozent seiner Energie mit Flüssigerdgas und Kohle. Diese Energieträger muss die Insel wiederum vollständig per Schiff importieren.
Zum Zeitpunkt des gesetzlich beschlossenen Atomausstiegs machte die Kernenergie zwölf Prozent des taiwanesischen Strommixes aus. Sie soll durch Wind- und Solarenergie ersetzt werden. Das Ziel der Regierung war es, bis zum Jahr 2025 einen Anteil von 20 Prozent des Energiemixes mit erneuerbaren Energien zu erreichen. Dieses Ziel wurde verfehlt. Im vergangenen Jahr machten erneuerbare Energien gut elf Prozent der taiwanischen Stromerzeugung aus.
Inzwischen kommt Druck, mehr Flüssiggas zu kaufen, und zwar aus den USA: Taiwans Regierung ist bereit, ihre Gasimporte aus den USA zu verdreifachen, um das Handelsbilanzdefizit mit Amerika zu verringern. Damit will Taipeh unter anderem US-Präsident Donald Trump besänftigen.
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