Von Astrid Sigena
Wir leben in Zeiten, in denen immer deutlicher ein Krieg gegen Russland vorbereitet wird. Deshalb ist es nur verständlich, wenn auf Demos und auch in Artikeln immer häufiger Wolfgang Borcherts Prosa-Gedicht “Dann gibt es nur eins!” mit dem berühmten Refrain “Dann gibt es nur eins: Sag NEIN!” zitiert wird. Denn im Gegensatz zu den “Schlafwandlern” von 1914, die laut einer Historikerthese in den mörderischen Ersten Weltkrieg gewissermaßen hineinstolperten, wird heutzutage bei uns ganz bewusst der Hass auf Russland geschürt, ja sogar ein künftiges Kriegsdatum zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt vorhergesagt. Vielleicht sogar schon in diesem Herbst.
Derzeit begehen westliche und orthodoxe Christen die vorösterliche Fastenzeit. Noch wichtiger als der Verzicht auf leckeres Essen scheint aber dieses Jahr der Verzicht auf hasserfüllte Propaganda zu sein, das “NEIN”, sich dieser Gehirnwäsche auszusetzen. Denn Propaganda wirkt unterschwellig. Und sie wirkt auch auf den, der eigentlich gegenteiliger Meinung ist. Ihre lügnerischen Verknüpfungen bleiben dennoch im Gehirn desjenigen hängen, der ihr ausgesetzt war. Man kann sich ihnen kaum mehr entziehen. Das Motto muss deshalb gemäß der Gedichtzeile von Carl Wolff lauten: Halte deine Seele fest!
Wenn dieser Tage eine Boulevardzeitung uns tiefere Einblicke in Wladimir Putins Genom verheißt, die seinen angeblich finsteren Charakter erklären sollen, dann sollten wir diesen Artikel nicht anklicken (ich verlinke bewusst nicht, um meine Leser nicht in Versuchung zu führen). Was kann uns dieser Artikel denn Neues bieten, als dass Putin – wie jeder Mensch – Eltern, eine Abstammung und Gene hat?
Wenn ein GEZ-gemästeter Sender unter dem Titel “Die Killer des Kremls” sämtliche unnatürliche Todesfälle von russischen Oppositionellen, Aktivisten oder auch tschetschenischen Kriegsverbrechern aus den letzten 20 Jahren Putin in die Schuhe schieben will, dann weiß man, dass man aus dieser “Dokumentation” keinen Erkenntnisgewinn ziehen wird. Im Hintergrund des Standbildes mit dem Putin-Porträt orthodoxe Kirchtürme, um auch die Orthodoxie mit in den Dreck zu ziehen. Warum schaut man sich das als Kriegsgegner dennoch an?
Sollte man sich nicht fragen: Warum bekomme ich das immer wieder zu sehen? Was wird denn damit bezweckt? Noch bevor man sich in den Bann der Propaganda in dieser “Doku” ziehen lässt, sollte man bewusst “NEIN!” sagen. Diese “Doku” wird sicher wieder so thrillermäßig-professionell aufgebaut, dass sich auch der widerstrebende Zuschauer dem Zauber aus Spannung und Neugier kaum wird entziehen können. Ab diesem Stadium macht man sich zum Mittäter, wenn man das vergiftete Geschenk in Form dieser “Berichte” immer wieder öffnet.
Vor nichts haben die Kriegstreiber mehr Angst, als dass das Volk nicht mitzieht. Es wurmt sie ungeheuerlich, wenn auch nur ein Teil der Bevölkerung ihren Drang nach Osten nicht teilt. Auch wenn sie uns “Zweiflern” mehr oder minder unverhohlen drohen: Darin liegt unsere Macht. Sie fürchten unsere Verweigerung. Dr. Timo Graf, ein Militärsoziologe der Bundeswehr, muss es ja wissen. Die deutsche Gesellschaft habe das Verständnis für die Entbehrungen, den Schmerz und das Leid verloren, die mit einem Krieg einhergingen, klagt er. Es gehe um die “geistige Landesverteidigung”, mit der sich jeder auseinandersetzen müsse. Graf befürchtet, dass rund ein Drittel der Bevölkerung die (angebliche) Bedrohung durch Russland nicht verinnerlicht habe und im Ernstfall bei zivilen Schutzmaßnahmen nicht mitmachen, ja sogar protestieren würde. Von Sabotage wolle er erst gar nicht sprechen. Ein Zeichen, wie beunruhigend die heutigen Ingenieure der kognitiven Kriegsführung Menschen empfinden, die sich dem Schall ihrer Kriegsposaunen entziehen.
Als 1918 die deutschen Landesfürsten gestürzt wurden, soll der letzte König von Sachsen, Friedrich August III. zu seinen nunmehr früheren Untertanen trotzig gesagt haben: “Macht euern Dreck alleene!” Heute muss es heißen (und man verzeihe mir die drastische, aber notwendige Wortwahl): Macht doch euren Dreckskrieg alleene! Denn der geplante Krieg gegen Russland wird eine schmutzige Angelegenheit sein. Da gibt es nur eins: Sagt NEIN!
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