
Marina Achmedowa, Journalistin und Mitglied des russischen Menschenrechtsrates, machte am Mittwoch in ihrem Telegramkanal auf einen besonders kuriosen Fall bürokratischer Auswüchse im Land aufmerksam: Die Tochter einer aus Kasachstan nach Russland eingewanderten russischen Familie hat den bei der Einschulung von Migrantenkindern obligatorischen Sprachtest nicht bestanden.
Achmedowa überzeugte sich persönlich, dass das Kind perfekt Russisch spricht, und beauftragte daraufhin Reporter des Magazins Regnum, dessen Chefredakteurin sie ist, vor Ort der Sache auf den Grund zu gehen. Dabei fanden die Regnum-Reporter heraus:
Die Familie Blaschenski zog in diesem Jahr aus Kasachstan ins sibirische Tobolsk. Mutter Tatjana ist russische Staatsbürgerin, Vater Sergej ist kasachischer Staatsbürger, beide sind ethnische Russen. Eltern und Kinder sprechen nur Russisch. Sie verließen Kasachstan, um in ihrem angeborenen Sprachmilieu ein leichteres Leben zu haben.
Am 26. September legte Tochter Taisia den Russisch-Sprachtest ab. Die Eltern erhielten zunächst einen Anruf, dass sie den Test bestanden habe. Am nächsten Tag rief man die Familie jedoch erneut an und teilte mit, dass ein Fehler vorliege und das Kind nicht einmal den mündlichen Teil bestanden habe. Den Eltern wurde jedoch kein Nachweis über das Nichtbestehen des Tests vorgelegt. Das Mädchen muss nun drei Monate ohne Schule warten, bevor sie einen neuen Versuch machen darf, den Test zu bestehen. Sergej selbst hat kürzlich den Test für eine Aufenthaltsgenehmigung abgelegt und mit Bravour bestanden.
Regnum hat sich daraufhin mit der Bildungsabteilung der Stadtverwaltung von Tobolsk in Verbindung gesetzt, die selbst keine sprachlich einwandfreie Bezeichnung ihres Amtes zustande bringen konnte, wie Achmedowa anmerkt. Auf Russisch klingt die Amtsbezeichnung so, als sei die Abteilung zuständig … für die Bildung der Stadtverwaltung. Achmedowa:
“Wir würden uns wünschen, dass der Name der Abteilung wenigstens irgendwie russisch klingt.”
Die Abteilung hat auf Anfrage bestätigt, dass Taisia die Prüfung nicht bestanden hat und die ursprüngliche Information ein Fehler war, da sie mit einem anderen Mädchen verwechselt wurde. Den Reportern wurde die Einsichtnahme in Taisias Test verweigert – niemand außer der prüfenden Organisation und dem Kind selbst habe das Recht, ihn zu sehen; nach Auffassung der Beamten auch die Eltern nicht. Unter der Hand sagte eine Beamtin, dass der Test sich an Schülern mit einer Spitzennote in Russisch orientiere und 90 Prozent der einheimischen Kinder ihn auch nicht bestehen könnten.
Achmedowa zweifelt, ob es “nur” Auswüchse der Bürokratie sind, die zu so etwas führen:
“Man möchte verstehen – ist es die Bürokratie, die den nach Russland zurückgekehrten Familien Steine in den Weg legt, oder ist es etwas Schlimmeres?”
Erst am Sonnabend vergangener Woche (22. November 2025) sorgte ein Bericht der föderalen Schulaufsicht Rosobrnadsor für Schlagzeilen, wonach lediglich 19 Prozent der Migrantenkinder den diesjährigen Einschulungssprachtest geschafft hätten. Der Sprachtest ist seit April dieses Jahres obligatorisch. Achmedowas Recherchen werfen nun die Frage auf, ob dieses Ergebnis tatsächlich und allein auf unzureichende Russischkenntnisse der Einwanderer zurückzuführen ist.
Mehr zum Thema – Russland führt Sprachtests für Migrantenkinder ein





