Lars Klingbeil ist sich sicher: Man wird einen Weg finden, um das in der EU eingefrorene russische Vermögen der Ukraine legal zur Verfügung zu stellen. Am Rande des Treffens der Finanzminister der EU-Länder in Luxemburg sagte Klingbeil, er ist sich “sicher, dass wir am Ende auch dazu kommen, dass Putin für seinen Krieg bezahlt.” Ziel sei es, den de facto Diebstahl “rechtssicher” zu machen.
Die Idee ist, das immobilisierte russische Vermögen als Garantie für die Kreditaufnahme an den Finanzmärkten zu hinterlegen. Die aufgenommenen Gelder sollen dann als sogenannte “Reparataionskredite” an die Ukraine überwiesen werden. Russland würde sein Vermögen nur dann zurückbekommen, wenn das Land nach Ende der Kampfhandlungen Reparationszahlungen an die Ukraine leistet.
Der Plan gilt als illusorisch, da Russland nur im Fall einer Kapitulation zu Reparationszahlungen verpflichtet werden könnte. Sollte dagegen der wahrscheinlichere Fall eines Zahlungsausfalls der Ukraine eintreten, ist die Haftungsfrage weitgehend ungeklärt. Die EU-Kommission will die Haftung auf die EU-Länder verlagern. Ob die tatsächlich einspringen und Russland entschädigen werden, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen.
Mit anderen Worten: Die Risiken sind extrem hoch, die Wahrscheinlichkeit, dass die Finanzmärkte, auch bei scheinbar juristisch sauberer Verkleidung der Maßnahme, sie als etwas anderes denn als Diebstahl einordnen werden, ist gering. Aus diesem Grund fürchtet die EZB einen erheblichen Schaden für den Euro, sollten dadurch grundsätzliche Zweifel an der Neutralität, Sicherheit und Zuverlässigkeit der Währung aufkommen.
Belgien warnt ebenfalls vor dem Schritt. Die Clearingstelle Euroclear, die den Großteil des eingefrorenen Vermögens verwaltet, hat ihren Sitz in Brüssel. Belgiens Premierminister de Wever fürchtet, dass eine russische Antwort auf eine Konfiszierung Belgien hart treffen wird, und fordert Absicherungen von der EU.
Russland bereitet sich unterdessen auf diesen Schritt vor. Präsident Putin hat am 30. September ein Dekret unterschrieben, das die beschleunigte Verstaatlichung westlicher Vermögenswerte in Höhe von 1 Billion US-Dollar erlaubt.
Ob sich vor diesem Hintergrund die Prognose Klingbeils erfüllt, ist nicht sicher. Neben den zu erwartenden Auswirkungen auf den Euro und die Wirtschaft im Euro-Raum stellt die von dem SPD-Politiker favorisierte Maßnahme zudem einen klaren Eskalationsschritt dar. Sie ist daher in jedem Fall ein Ausdruck der Unvernunft, was nicht heißt, dass die EU nicht zu diesem Mittel greifen könnte.
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