Frühmorgens gegen 7:26 Uhr passiert ein schwerer Zug mit Leopard-2-Kampfpanzern den Bahnhof St. Pölten. Die Fahrzeuge: grau überlackiert, jedes Herkunftszeichen entfernt. Der Zielort: unbekannt. Die Reaktion der Regierung? Schweigen – oder demonstrative Ahnungslosigkeit.
Auf einem mittlerweile weitverbreiteten Video sind mehrere Leopard-2-Panzer zu sehen – ein Modell, das sowohl in der Schweiz als auch bei NATO-Armeen im Einsatz steht.
Behörden im Schweigemodus
Markierungen, Embleme, Herkunftsländer? Fehlanzeige. Alles scheint darauf hinzudeuten, dass diese Fahrt möglichst unbemerkt verlaufen sollte – und dass jemand darauf achtete, keine Spuren zu hinterlassen.
Das österreichische Portal exxpress konfrontierte vier Institutionen – Verteidigungs-, Innen- und Außenministerium sowie die ÖBB – mit dem Video. Die Antworten fielen durchgehend ausweichend aus: Keine Stelle sieht sich verantwortlich, keine gibt Auskunft.
“Dem BMI liegt kein Antrag für eine Durchfuhr von Panzern am 16. Mai 2025 vor”,
erklärte das Innenministerium lapidar.
“Kein Truppenaufenthalt gemäß Gesetz”,
hieß es aus dem Verteidigungsministerium.
Das Außenministerium antwortete auf Anfragen schlichtweg gar nicht.
Die ÖBB wiederum verweisen auf eben jene Ministerien, die sich nicht zuständig fühlen. Dabei müssen die Bundesbahnen wissen, welches Transportgut sie befördern – und wer dafür bezahlt hat.
Juristisch ist die Lage komplex – aber nicht eindeutig. Zwar ist laut § 5 Abs. 2a des Kriegsmaterialgesetzes die Durchfuhr zwischen zwei EU-Staaten grundsätzlich bewilligungsfrei, doch das enthebt Österreich nicht der Pflicht zur Dokumentation und Kenntnisnahme – insbesondere dann, wenn es sich um den Transport in ein Kriegsgebiet handeln könnte.
Und genau hier liegt das Problem: Wenn die Panzer etwa über die Slowakei oder Tschechien weiter in die Ukraine gebracht würden, handelte es sich nicht mehr um eine interne EU-Verbringung. Spätestens dann greift § 3 Abs. 4 KMG, der eine Zustimmungspflicht für die Lieferung in Drittstaaten vorsieht.
Doch wie soll Österreich zustimmen oder ablehnen – wenn es offiziell gar nichts weiß?
Ein neutraler Staat darf in einem bewaffneten Konflikt nicht Partei ergreifen. Wenn Österreich allerdings die Augen verschließt, um militärisches Gerät durch sein Gebiet passieren zu lassen, das möglicherweise auf ukrainischen Schlachtfeldern landet, stellt sich die Frage: Ist das noch Neutralität – oder schon ein Bruch derselben?
Völkerrechtlich wäre es zumindest fragwürdig. Politisch ist es heikel. Und moralisch eine Ausrede.
Wer nicht wissen will, was er duldet, kann sich nicht auf Neutralität berufen.
Die Strategie scheint dennoch zu sein: keine Kenntnisnahme, keine Verantwortung. Im Ergebnis ermöglicht das aber potenziell geheime Waffenlieferungen durch österreichisches Staatsgebiet – unter Missachtung demokratischer Kontrollinstanzen.
Anders, die Schweiz: Als im Jahr 2023 stillgelegte Leopard-2-Panzer an Deutschland zurückverkauft wurden, bestand Bern ausdrücklich darauf, dass sie nicht an die Ukraine weitergegeben werden. Berlin versprach es. Kommt es dennoch anders, wäre das diplomatisch ein Affront.
Umso beunruhigender ist der Gedanke, dass ebendiese Panzer – grau lackiert und unkenntlich gemacht – nun durch Österreich rollen könnten. Noch ist es Spekulation, doch Gewissheit kann es nur durch Transparenz geben.
Diese fehlt. Und sie fehlt – mit System.
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