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Frankreichs Nationalversammlung stellt sich gegen Mercosur-Abkommen

rtnews by rtnews
06/12/2025
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Ein seltener Schulterschluss im französischen Parlament stellt das Mercosur-Abkommen infrage. Während Paris zögert, erhöht Brüssel den Druck – und Europas Agrarlobby warnt vor unfairem Wettbewerb. Das geplante Abkommen würde Zölle senken und die Agrarmärkte zwischen der EU und Südamerika weit öffnen.

Von Pierre Levy

Am 27. November verabschiedete die französische Nationalversammlung fast einstimmig – was äußerst selten vorkommt – eine Resolution, in der die Regierung aufgefordert wird, das Freihandelsabkommen abzulehnen, das die Europäische Union mit dem Mercosur (Brasilien, Argentinien, Uruguay, Paraguay, Bolivien) unterzeichnen will. Genauer gesagt stimmten 244 Abgeordnete für den von der LFI (La France insoumise; oft als “radikal links” eingestuft) vorgeschlagenen Text ‒ nur einer stimmte dagegen, während sich die übrigen Abgeordneten (hauptsächlich Macron-Anhänger) der Stimme enthielten.

Doch trotz der überwältigenden Zustimmung der Nationalversammlung ist die Resolution für die französische Regierung nicht bindend. Sie kann sie ignorieren. Und das von Brüssel ausgehandelte Abkommen kann sich gegen die Regierung durchsetzen, wenn Frankreich unter den Mitgliedstaaten in der Minderheit ist. Mit anderen Worten: Die Stimme der gewählten nationalen Abgeordneten hat beratenden Charakter ‒ die der EU hingegen ist entscheidend.

Der Vertragsentwurf ist ein komplexes Abkommen, aber sein Ziel ist klar: Es geht darum, die Zölle auf den Handel – Waren und Dienstleistungen – zwischen den beiden Blöcken abzuschaffen oder stark zu senken. Diese repräsentieren zusammen 800 Millionen Verbraucher, worauf sich die Europäische Kommission schon im Voraus freut.

Die großen Agrar- und Lebensmittelkonzerne des Mercosur dürften so insbesondere viel mehr Rind- und Schweinefleisch, Geflügel, Milchpulver, Mais und Soja nach Europa exportieren ‒ und die Industrieunternehmen des Alten Kontinents hoffen, ihre Produkte aus den Bereichen Automobil, Metallurgie, Chemie, Pharmazie und so weiter in die Mercosur-Staaten zu verkaufen.

Angesichts der Macht des südamerikanischen Agrarhandels, der insbesondere großflächige extensive Landwirtschaft und Viehzucht betreibt, würden viele Bauern in den verschiedenen EU-Staaten diese Konkurrenz als Bedrohung für ihre Existenz ansehen. Zumal die Unternehmen des Mercosur bei weitem nicht denselben Vorschriften und Auflagen – in Bezug auf Gesundheit und Umwelt – unterliegen wie die Unternehmen auf dem Alten Kontinent.

Daher auch der Slogan, der sich während der großen Bauernproteste im Winter 2023/2024 verbreitet hatte: “Importieren wir nicht das, was in Frankreich verboten ist.” Damals beschränkten sich die Demonstrationen nicht nur auf Frankreich, sondern breiteten sich auf ein Dutzend weitere Länder aus.

Und im November 2024 flammten sie in Frankreich erneut auf, was erklärt, warum ein großer Teil der französischen Politik dem Vertrag zurückhaltend gegenübersteht – selbst Politiker, die der aktuellen Regierung nahestehen und die den Zorn der ländlichen Bevölkerung fürchten.

Um den Ursprung des Projekts zu verstehen, muss man bis ins Jahr 1999 zurückgehen, als Brüssel die ersten Verhandlungen mit dem Mercosur aufnahm. Diese wurden dann mehrfach unterbrochen und wieder aufgenommen, was zeigt, wie sensibel und brisant das Thema ist. Schließlich wurde 2019 eine Grundsatzvereinbarung unterzeichnet.

Mit dem Amtsantritt von Jair Bolsonaro in Brasília wurde der Prozess jedoch 2020 erneut ausgesetzt. Die Europäische Kommission, die im Namen der 27 Mitgliedstaaten die ausschließliche Verhandlungsbefugnis besitzt, setzte die Gespräche allerdings unter völliger Geheimhaltung fort.

Dies ging so weit, dass die Gespräche vor genau einem Jahr beinahe zu einer formellen Unterzeichnung geführt hätten. Letztendlich haben die Vorbehalte Frankreichs, Österreichs, Irlands, der Niederlande, Polens und Griechenlands diesen Abschluss verzögert.

Aber das Lager der Gegner – die alle einen bedeutenden Agrarsektor haben – wurde immer schwächer. Denn auf der anderen Seite verstärkten die Befürworter des Projekts – insbesondere Deutschland und Spanien – ihren Druck. Vor allem Berlin hofft auf wichtige Absatzmärkte für seine großen Industriekonzerne, insbesondere die Automobilindustrie.

Deutschland findet natürlich in Ursula von der Leyen eine mächtige Verbündete. Die Präsidentin der Kommission, die derselben Partei wie der Kanzler (CDU) angehört, betont insbesondere die dringende Notwendigkeit, neue Absatzmärkte zu finden, zumal sich der nordamerikanische Markt unter dem Druck der von Donald Trump massiv eingesetzten Zölle zunehmend verschließt.

Eine indirekte Folge dieser Politik des Weißen Hauses ist außerdem, dass die chinesischen Exporte in die Vereinigten Staaten zurückgehen und sich daher neu ausrichten … insbesondere in Richtung Europa.

Diese Umstände verstärken den Freihandelsdrang, der ohnehin in der DNA der europäischen Integration verankert ist, wie die insbesondere mit Kanada (CETA, 2017), Japan (2019) oder Neuseeland (2024) in Kraft getretenen Abkommen zeigen. Erst im vergangenen September wurde noch ein Abkommen mit Indonesien unterzeichnet. Und Brüssel träumt davon, bis Ende des Jahres ein Abkommen mit Indien abzuschließen.

Darüber hinaus spielen auch geopolitische Faktoren eine Rolle. Die estnische EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas betonte im vergangenen Jahr: “Wenn wir kein Abkommen mit dem Mercosur abschließen, wird China dies tun.” Bereits zwischen 1999 und 2024 sank der Anteil der brasilianischen Agrar- und Lebensmittelexporte in die EU von 41 auf 13 Prozent. Mit einem Anteil von 33 Prozent der Exporte dieses Sektors ist China nun der wichtigste Markt für die Agrarindustrie Brasiliens.

Schließlich ist Südamerika reich an Rohstoffen, darunter auch strategisch wichtige Seltene Erden, für die die EU ihre Versorgung durch Diversifizierung ihrer Lieferanten sichern möchte.

Und wie geht es nun weiter? Nach all den Verzögerungen und Verschiebungen drängt Frau von der Leyen auf eine Unterzeichnung bis Ende des Jahres. Der für den 20. Dezember geplante Mercosur-Gipfel könnte dafür die Gelegenheit bieten – davon träumt zumindest Brüssel. Zuvor müssen jedoch noch einige Hürden genommen werden.

Einerseits muss das Europäische Parlament den Entwurf mit einfacher Mehrheit billigen. Die Abstimmung könnte am 16. Dezember stattfinden, aber der Ausgang scheint noch nicht sicher zu sein. Anschließend und wahrscheinlich unmittelbar danach müssen die Mitgliedstaaten mit qualifizierter Mehrheit entscheiden: Wenigstens 15 Länder (die mehr als 65 Prozent der Bevölkerung der 27 Mitgliedstaaten repräsentieren) müssen ihre Zustimmung geben.

Die französische Führung hat deutlich gespürt, dass das Lager der Gegner geschwächt ist. Die Unterstützung Irlands, Österreichs, Ungarns und Polens wird nicht ausreichen. Emmanuel Macron, der um jeden Preis vermeiden will, in einer Minderheits- oder Verliererposition zu landen (und der im Übrigen ein grundsätzlicher Befürworter des Freihandels ist), hat daher Mitte Oktober eine Kehrtwende um 180 Grad vollzogen und argumentiert, dass der Entwurf des Abkommens mit dem Mercosur unter bestimmten Bedingungen akzeptabel sei.

Er berief sich dabei insbesondere auf “Schutzmaßnahmen”, die Anfang September von der Kommission vorgeschlagen und am 19. November von den Mitgliedstaaten gebilligt wurden: Für bestimmte Produkte – Rindfleisch, Reis, Geflügel, Eier, Zucker und andere – könnte ein Dringlichkeitsverfahren die Einfuhren aussetzen, wenn diese den europäischen Markt aus dem Gleichgewicht bringen würden. Es gibt jedoch keine Garantie dafür, dass die Führer des Mercosur diese in letzter Minute hinzugefügte Klausel akzeptieren werden.

Vor allem setzt sich der französische Präsident für sogenannte “Spiegelklauseln” ein: Alle Vorsichtsmaßnahmen und Beschränkungen, die die EU sich selbst auferlegt, sollten auch für Produkte aus Brasilien, Argentinien und den anderen Ländern gelten.

So hat beispielsweise die französische Landwirtschaftsministerin gefordert, dass in der EU verbotene Pestizide auch in der Produktion der Mercosur-Länder verboten werden. Sie möchte außerdem, dass sich diese Länder verpflichten, Rindern, deren Fleisch nach Europa exportiert wird, keine Antibiotika zu verabreichen.

Es gibt jedoch keine Anzeichen dafür, dass sich eine Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten dieser Forderung anschließen wird oder dass der Mercosur, in diesem Fall, bereit wäre, diese zu erfüllen. Und selbst wenn diese Bedingungen erfüllt wären, weisen Kenner der Branche darauf hin, dass es weitgehend an Zollmitteln mangelt, um die Einhaltung dieser Verpflichtungen zu überprüfen.

Die nächsten Wochen werden daher entscheidend sein, um festzustellen, ob und welcher Kompromiss zustande kommt. Die französischen Landwirte stehen an vorderster Front, aber sie sind nicht die Einzigen, die die aktuellen Entwicklungen genau beobachten.

Unabhängig vom kurzfristigen Ergebnis bestätigt sich einmal mehr eine Feststellung: Der internationale Handel fällt in die ausschließliche Zuständigkeit der Kommission, die allein im Namen der 27 Mitgliedstaaten verhandelt. Diese zeichnen sich aber durch sehr unterschiedliche Parameter aus, die von Land zu Land variieren (insbesondere das Gewicht der Industrie, der Landwirtschaft, der Dienstleistungen und des Außenhandels in der nationalen Wirtschaft).

Die Durchsetzung einer einheitlichen Politik für alle Mitgliedstaaten führt daher zwangsläufig dazu, dass die Interessen einer Reihe von ihnen – in Wirklichkeit sogar der meisten – missachtet werden. Zum ausschließlichen Vorteil der europäischen Dogmatiker des Freihandels und der südamerikanischen Agrarindustrie ‒ und zum Nachteil der Kleinbauern auf beiden Seiten des Atlantiks…

Mehr zum Thema – Mercosur-Abkommen: Nachteile für alle außer für deutsche Exportindustrie



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Tags: FrankreichsgegenMercosurAbkommenNationalversammlungsichstellt
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