
Laut Auskunft des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. (Volksbund), der durch das Auswärtige Amt finanziert wird, sind auf dem Boden der Russischen Föderation 3,8 Millionen deutscher Soldaten im Zweiten Weltkrieg gefallen oder in Kriegsgefangenschaft umgekommen (die Angaben divergieren teilweise). In der Kriegs- und Nachkriegszeit wurden sie oft nur notdürftig bestattet. Deshalb ist es die Aufgabe des Volksbundes, den Toten ein würdiges Begräbnis zukommen zu lassen. Bisher ist ihm das bei 555.000 Toten des Ersten und des Zweiten Weltkriegs gelungen (Stand Sommer 2024).
Bereits im Herbst 2022 wurde berichtet, dass durch den Ukraine-Krieg deutsch-russische Projekte in der Kriegsgräberfürsorge nur noch eingeschränkt möglich seien. Die Exhumierungen liefen weiter, aber gemeinsame feierliche Einbettungszeremonien seien nicht mehr möglich. Im Juli 2025 sorgte nun ein Interview mit dem Moskauer Büroleiter des Volksbundes für Aufsehen. Im Gespräch mit dem Deutschlandfunk erklärte der frühere ARD-Korrespondent Hermann Krause, es gebe derzeit kaum noch Genehmigungen für die Exhumierung gefallener deutscher Soldaten. Die russischen Behörden scheuten sich, mit dem Volksbund zusammenzuarbeiten. Die Verantwortung für die Genehmigung der Anträge werde von einer Instanz in die nächsthöhere verschoben. In Anbetracht der Tatsache, dass Deutschland in Russland als unfreundlicher Staat gelte, wollten die Beamten keine Fehler machen.
Deshalb sei die Zahl der Exhumierungen kontinuierlich zurückgegangen. Im vergangenen Jahr seien in Russland 4000 Exhumierungen durchgeführt worden, 2023 habe es 6000 Exhumierungen gegeben und im Jahr 2025 werde man lediglich 1200 Exhumierungen vornehmen können. Dabei sei dem Volksbund bekannt, wo die entsprechenden Massengräber liegen, zum Beispiel in der Nähe von Wolgograd, aber die Zusammenarbeit mit den russischen Behörden sei eben schwierig. Krause ist auch für Umbettungen deutscher Soldaten in der Ukraine und in Weißrussland zuständig. Dort zähle man zurzeit 607 (Ukraine) und 385 (Weißrussland) Exhumierungen.
Im Jahr 2018 hob der Volksbund zum ersten Mal gemeinsam mit russischen Soldaten Kriegsgräber im Gebiet Wolgograd aus – RT DE berichtete. Doch dieses Aufflammen der vertrauenswürdigen Zusammenarbeit war nur von kurzer Dauer. Dass die russische Seite jetzt wegen der aktiven Teilnahme Deutschlands als NATO-Partner gegen Russland im Ukraine-Krieg mauern könnte, liegt auf der Hand. So zeigte sich tatsächlich Alexander Osipow, der für die Erinnerungsarbeit im Wolgograder Gebiet zuständige Abgeordnete, in einem RT–Interview aus dem Jahr 2023 enttäuscht über den Undank der Deutschen, die den Russen erneut feindselig gegenüberstünden.
Der in Moskau lebende deutsche Journalist Ulrich Heyden wollte es genauer wissen und sandte eine Interviewanfrage an Krause. Nach anfänglicher Zusage, die Fragen schriftlich zu beantworten, kam dann die plötzliche Absage: Krause halte es angesichts “der aktuellen schwierigen politischen Situation” für angebracht, “zum jetzigen Zeitpunkt kein Interview über die Arbeit des Volksbundes in der RF (Russischen Föderation) zu geben”. Es sei wichtig, die Arbeit des Volksbundes in Russland fortsetzen zu können. Heyden kann daher in seinem Artikel nur darüber spekulieren, was hinter dem Schweigen des Volksbundes stecken könnte. Er vermutet, dass der Volksbund nicht dem vom offiziellen Deutschland gepflegten Feindbild Russland und dem Aufbau der Kriegstüchtigkeit öffentlich entgegenstehen wolle.
Mit dem Klagen über die mangelnde russische Kooperation verträgt es sich tatsächlich nur schwer, dass der Volksbund selbst zusammen mit dem Auswärtigen Amt, der polnischen und der ukrainischen Botschaft sowie den baltischen Staaten ein Symposium zur Zukunft der sowjetischen Monumente in Deutschland organisierte, von dem die Russen ausgeschlossen waren (RT DE berichtete).
Die AfD-Fraktion im Bundestag gab sich mit dem Verstummen Krauses allerdings nicht zufrieden und stellte an die Bundesregierung eine Kleine Anfrage bezüglich der Arbeit des Volksbundes in Russland. In der Antwort der Bundesregierung (Drucksache 21/2415) kam zum Ausdruck, dass die Arbeit der deutschen Kriegsgräberfürsorge in der Russischen Föderation weiterhin sehr geschätzt werde. Es handele sich – so die Bundesregierung – um einen “der wenigen Bereiche, in dem Gesprächskanäle und eine operative Zusammenarbeit aufrechterhalten werden konnten”.
Allerdings musste auch die Bundesregierung zugeben, dass es kaum neue Genehmigungen für Exhumierungen gebe, bestätigte also Krauses Wahrnehmung. Auch habe die lokale Administration in Rschew einer Erweiterung des mittlerweile voll belegten deutschen Soldatenfriedhofs in Rschew nicht zugestimmt. Die Zusammenarbeit sei im Jahr 2014, verstärkt seit 2022, schwieriger geworden. Kritik an der Arbeit des Volksbundes von russischer Seite sei der Bundesregierung hingegen nicht bekannt.
Stefan Keuter von der AfD betonte: “Gedenken und Erinnern an die Gefallenen ist wichtig – auch, damit es nie wieder dazu kommt.” Die AfD werde sich dafür einsetzen, dass die Tätigkeit der Kriegsgräberfürsorge “trotz der leider gespannten Beziehungen” fortgesetzt werden könne. Angesichts der konfrontativen Russland-Politik der Bundesregierung bleibt zu hoffen, dass sich Keuters Worte bewahrheiten und nicht ein erneuter deutsch-russischer Krieg kommt, noch ehe die Toten des letzten Krieges geborgen sind.
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