Von Walerija Werbinina
Sobald der Westen begann, nun auch über mögliche Lieferungen von Kampfflugzeugen, in erster Linie US-amerikanischer F-16, an die Ukraine ernsthaft zu diskutieren, konnte Frankreich nicht unbeteiligt bleiben. Und nicht nur deshalb, weil es mit seinen Flugzeugen der Typen Rafale und Mirage traditionellerweise als ein Branchenführer gilt. Ein Krieg ist eine gute Gelegenheit, um alte Waffen abzuschreiben und Rüstungsfabriken mit neuen Aufträgen auszulasten. Das Verhalten der französischen Regierung illustriert dies bestens.
Wie der französische Nachrichtenkanal BFM unter Verweis auf eine ungenannte Regierungsquelle berichtete, seien Lieferungen von Rafale-Jägern an die Ukraine gegenwärtig wohl ausgeschlossen. Doch – was nicht minder wichtig ist – Kiew und Paris begannen über mögliche Lieferungen von Flugzeugen des Typs Mirage 2000 zu verhandeln.
Frankreich ist einer der eifrigsten Waffenlieferer an die Ukraine. Zuvor hatte es bereits die Selbstfahrlafetten Caesar, Haubitzen TRF1, Mehrfachraketenwerfer LRU sowie die Luftabwehrsysteme Crotale an Kiew geliefert. Außerdem versprach Emmanuel Macron, der Regierung Selenskij leichte Radpanzer des Typs AMX-10 RC zur Verfügung zu stellen. Es ist nur logisch, dass Frankreich in seiner Güte auch Flugzeuge liefern könnte.
Der französische Experte Patrick Sauce, zu dessen Dienstaufgaben die Erklärung außenpolitischer Fragen für die Massen zählt, machte die folgende vielsagende Bemerkung:
“Der Februar wird zum Monat der Flugzeuge werden. In praktisch allen Kanzleien werden die Telefonleitungen schmelzen.”
Er fügte außerdem hinzu, dass es nicht ausreiche, allein die Flugzeuge zu liefern. Es müssten auch Piloten ausgebildet sowie eine entsprechende Wartung der Maschinen auf fremdem Gebiet gewährleistet werden. Dies werde noch schwieriger als im Fall der Panzer.
Noch bedeutsamer ist die Bemerkung des Experten, dass die Mirage-Jäger im französischen Militär gegenwärtig durch modernere Rafale-Maschinen ersetzt und bald außer Dienst gestellt werden. Eine Übergabe älterer Flugzeuge an die Ukraine löst für Frankreich gleich mehrere Probleme: Sie erlaubt, Ballast loszuwerden, sich als Vorkämpfer des Guten zu profilieren und möglicherweise auch gut zu verdienen.
Doch wie sich herausstellte, ist nicht alles so einfach. Sauce weiter:
“Wir müssen uns fragen: Wird die Übergabe von Mirage-Flugzeugen an die Ukrainer nicht unseren eigenen Bestand an Jägern vermindern? Es gibt einen gewissen Zeitraum, besonders in den Jahren 2023 und 2024, in dem wir die Mirage-Flugzeuge außer Dienst stellen, aber noch nicht über eine gleiche Anzahl an Rafales als Ersatz verfügen. In diesem Fall wäre es sinnvoller, die Mirage-Flugzeuge zu behalten.”
Besondere Beachtung verdient es, dass Sauce sich bereits jetzt absichert, indem er die russische Luftabwehr und die Leistung russischer Kampfflugzeuge hoch einschätzt:
“Die russischen Stellungen sind vor Luftangriffen gut geschützt. Und im Jahr 2023 wird die Mirage den Flugzeugen der Typen MiG und Suchoi gegenüberstehen, die in Russland bedeutende Fortschritte gemacht haben.”
Eine solche Voraussicht lässt den Gedanken aufkommen, dass die Sache in Wirklichkeit bereits beschlossen ist und dass Sauce wie viele andere Experten das Elektorat auf die Ereignisse der nächsten Zukunft vorbereitet. Sollten die Mirage-Flugzeuge an die Ukraine übergeben werden und sich nicht von der besten Seite zeigen, kann man immer auf die gegnerische Luftabwehr oder modernere Flugzeuge des Gegners hinweisen. Wenn die Jäger aber gute Leistungen aufweisen und bei der ukrainischen Gegenoffensive helfen, wird das eine hervorragende Werbung französischer Waffen werden und die Anzahl von Aufträgen vergrößern. In jedem Fall trägt Frankreich praktisch keine Risiken.
Der französische Luftwaffengeneral Patrick Dutartre, der in die Sendung von BFM als Experte eingeladen wurde, äußerte sich indessen in Bezug auf die Perspektiven von Mirage-Flugzeugen zurückhaltender. Als ein Praktiker bestand er darauf, dass es unmöglich sei, selbst einen erfahrenen Piloten innerhalb weniger Wochen am Jagdflugzeug eines anderen Typs auszubilden.
Um ein Kampfpilot in Frankreich zu werden, muss man lange lernen: erst ein 17-wöchiger Einführungskurs in der Luftwaffenschule in Salon-de-Provence, danach eine praktische Ausbildung an Militärstützpunkten. Somit dauert die Ausbildung bis zum Abschluss ein Jahr und vier Monate, und selbst das nur in dem Fall, wenn man von vornherein alle Tests bestanden hat, bewiesen hat, dass man würdig ist ein Kampfpilot zu sein und einen Vertrag für zehn Jahre Dienstzeit beim Militär unterzeichnet hat.
Dem Realisten General Dutartre sind alle Risiken gut bewusst. Er schlussfolgerte:
“Vor allem braucht es Zeit, damit sich die Piloten mit dem neuen Flugzeugtyp vertraut machen. Theoretisch ist eine Umschulung innerhalb einiger Monate möglich, wenn die Trainings unter idealen Bedingungen stattfinden. Doch das ist nicht alles, denn man muss auch eine Reihe von Problemen lösen, unter anderem im Zusammenhang mit der Logistik. Ich denke, dass es am richtigsten wäre, den Ukrainern MiG-29 zu liefern, denn das ist ein Flugzeug, das sie kennen.”
Danach sprach sich Dutartre ganz unpatriotisch dafür aus, ukrainische Piloten nach der Erschöpfung von MiG-Reserven an der F-16 auszubilden, denn dies sei der meistverbreitete Jäger in Europa. Anders gesagt, erscheint die Mirage für die Ukraine suboptimal, selbst aus der Perspektive französischer Militärangehöriger.
Mehrere vom General erwähnte Probleme – die Notwendigkeit einer technischen Wartung konkreter Flugzeuge, Lieferungen von Ersatzteilen, Installation neuer Ausrüstung und Weiteres – wären unter Kriegsbedingungen schwer zu lösen. Zum Vergleich: Als Frankreich im Jahr 2015 versucht hatte, 18 Jäger vom Typ Mirage 2000-5F an Kolumbien zu verkaufen, sollten die eigentlichen Maschinen für 350 Millionen US-Dollar verkauft werden, während die technische Wartung und begleitende Dienstleistungen mit ganzen 150 Millionen bewertet wurden.
Doch unter Kriegsbedingungen wird alles, was mit technischer Wartung zusammenhängt, sowie die Anpassung bestehender Infrastruktur an ein neues Flugzeugtyp ernsthafte zusätzliche Anstrengungen erfordern. Deshalb empfahl der Luftwaffengeneral als ein ausgesprochener Praktiker, das Rad nicht neu zu erfinden, sondern die in Osteuropa verbliebenen MiG-Flugzeuge an die Ukraine zu übergeben. Doch in diesem Fall könnte Frankreich nichts dazuverdienen. Daher der Wunsch der Regierung, unter Vorwand von Hilfe die eigenen veralteten Jäger loszuwerden. Wie bereits erwähnt, ist von einer Lieferung von neuesten Rafale-Flugzeugen keine Rede.
Der Chefredakteur der Zeitschrift Revue Defense Nationale General Jérôme Pellistrandi bemerkte:
“Ein Flugzeug kann nicht so einfach wie ein Panzer übergeben werden.”
Er fügte hinzu, dass nach Angaben des französischen Verteidigungsministeriums das Land über 113 Flugzeuge vom Typ Mirage 2000 verfüge, wobei 55 Maschinen eine Modernisierung unterlaufen. Darüber hinaus besitzen laut dem General unterschiedliche Modifikationen des Jägers unterschiedliche Eigenschaften. So sei das Modell Mirage 2000-5 offen veraltet. Besser stehe es um den Jäger Mirage 2000-D.
Der General merkte außerdem an, dass selbst wenn sich die französische Regierung jetzt gegen eine Lieferung von Flugzeugen ins Kriegsgebiet entscheidet, sie es in Zukunft trotzdem tun könnte:
“Die Frage nach Lieferungen von Flugzeugen kann in den folgenden Monaten und Jahren aufkommen, denn die Ukraine muss über ausreichende Möglichkeiten verfügen, um sich vor Russland zu schützen.”
Das Bemerkenswerteste an dieser Äußerung ist die Erwähnung von Jahren, was bedeutet, dass sich Europa und die USA auf einen langjährigen Krieg gegen Russland vorbereiten. Zu diesem Zweck erfolgt quasi eine Erweiterung des Sortiments an Militärlieferungen für die Ukraine parallel zu einer Erweiterung des Sortiments an Sanktionen. Die NATO hat sich endgültig für den Krieg entschieden. Das bedeutet, dass der eigentliche Kampf erst beginnt.
Übersetzt aus dem Russischen und zuerst erschienen bei Wsgljad.
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