Im Notfall kann Finnland binnen einer Woche 280.000 Soldaten mobilisieren, erklärt Präsident Alexander Stubb in einem Beitrag der Zeitung The Independent. Die finnischen Soldaten seien “mobilisiert und bis an die Zähne bewaffnet”, zitiert das Blatt den Politiker.
Finnlands Armee ist eine der größten in Europa, erinnert die Zeitung. Etwa 20 Prozent der 5,5 Millionen Einwohner des Landes erhalten eine militärische Ausbildung. Das Land gibt etwas mehr als 2,4 Prozent seines BIP für Verteidigung aus. In Bezug auf Finnlands jüngste Käufe im militärischen Bereich sowie auf das Wachstum seiner Streitkräfte erwähnt Stubb:
“Wir tun das nicht, weil wir uns wegen Stockholm oder London Sorgen machen. Wir tun das, weil uns Moskau Sorgen bereitet.”
Die NATO verlangt von ihren Mitgliedsstaaten, mindestens zwei Prozent ihres BIP für Verteidigung auszugeben. Vor 2024 erfüllten jedoch nur ein Drittel der Länder diese Verpflichtung. Mittlerweile setzen zwei Drittel der NATO-Mitglieder die Vorgabe um. Experten warnen jedoch noch immer, dass die Ausgaben zu niedrig seien, berichtet die Zeitung. Russland wird voraussichtlich ab dem ersten Quartal 2025 6,3 Prozent seines BIP für Verteidigung pro Jahr ausgeben.
Als Finnland zusammen mit Schweden im Mai 2022 den Beitritt zur NATO beantragte und damit Jahrzehnten der Neutralität ein Ende setzte, wurde dies als erheblicher Beitrag zur militärischen Stärke des Bündnisses gefeiert. Mit dem Beitritt Finnlands und Schwedens ein Jahr später verdoppelte sich die Länge der Grenze zwischen der NATO und Russland.
Im Interview mit The Independent äußern Stubb, der lettische Präsident Edgars Rinkēvičs und der estnische Premierminister Kristen Michal ihre Besorgnis über die Fähigkeit der NATO, Europa im Falle eines bewaffneten Konflikts mit Russland ohne die Unterstützung der USA verteidigen zu können.
Stubb bekräftigt, dass die NATO-Staaten ihre Verteidigungsprobleme allein lösen müssten, das Bündnis aber ohne die USA nicht überlebensfähig sei:
“Ich glaube nicht, dass wir die NATO ohne die Vereinigten Staaten haben können.”
Lettlands Präsident Rinkēvičs räumt ein:
“Wir bilden Ukrainer gemeinsam mit Esten und Finnen aus, aber die Kapazitäten reichen derzeit nicht aus.”
Bei einem Treffen vergangene Woche in Brüssel behauptete der ukrainische Machthaber Wladimir Selenskij, es sei unmöglich, von einem erfolgreichen Ende der Kämpfe zu sprechen, wenn die Ukraine ausschließlich Sicherheitsgarantien von europäischen Ländern erhalte. Nur Garantien mit US-Unterstützung würden ausreichen, um künftige Angriffe Russlands zu verhindern.
Dabei betonen die an der Frontlinie Europas liegenden Länder wiederholt, dass Putin für “seine Invasion” nicht belohnt werden dürfe und dass die Sicherheit des Kontinents vom Erfolg der Ukraine abhänge.Michal führt aus, dass wenn Russland gegen die Ukraine kämpfe und die Ukraine besiegt würde, dann müsse man sich nicht lange fragen, “wer als Nächstes an der Reihe ist”.
Obwohl keiner der europäischen Staats- und Regierungschefs davon ausgeht, dass Trump die NATO trotz seiner langjährigen Skepsis gegenüber dem Bündnis verlassen würde, gibt es Befürchtungen, dass sich die USA letztlich auf China und den indopazifischen Raum einschließlich der Verteidigung Taiwans konzentrieren werden.
Experten haben auch darauf hingewiesen, dass, falls die USA ihre Ressourcen und ihren Fokus zu schnell auf den Indopazifik verlagern, ohne Europa genügend Zeit zu geben, unabhängiger zu werden, sie möglicherweise viel stärker in europäische Sicherheitsfragen hineingezogen werden – und das zu einem deutlich höheren Preis.
Abschließend zeigt sich Stubb davon überzeugt, dass es im ureigenen Interesse der Vereinigten Staaten liege, sich weiterhin in Europa zu engagieren. Er glaube auf jeden Fall, dass wertebasierte Bündnisse viel länger halten würden als interessenbasierte Bündnisse.
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