Von Dagmar Henn
Eines der wenigen Fotos, die diesen Bericht illustrieren, stammt aus Essen. Es zeigt einen Roboterhund, der 2025 bei der Landespolizeidirektion zur Brandermittlung zum Einsatz kam. Anfang des Monats erschien eine erweiterte Version einer Untersuchung mit dem Titel “The Unmanned Future” (“Die unbemannte Zukunft”), die zuerst 2023 vom Innovationslabor von Europol veröffentlicht wurde. Zwei Jahre später haben sich die Erfahrungen mit Drohnen vervielfacht, vor allem durch den gigantischen, blutigen Feldversuch in der Ukraine.
“‘Stille Netze’ passiver Akustikmasten kartieren jeden Mikro-Rotor im Umkreis eines Kilometers; in Bürgersteinpollern und Straßenlaternen verbergen sich Mikrowellen-Abwehrkapseln, die ankommende Lenkmodule in Millisekunden braten können, und Streifenpolizisten tragen RobotFroster-Gewehre und Granaten mit Nanonetzen, die wie Gänseblümchen erblühen, um wildgewordene Rotorgeräte anzulocken.”
So klingt es, wenn in diesem Bericht die Zukunft des Jahres 2035 beschrieben wird. Das ist nur zehn Jahre entfernt. Aber humanoide Roboter, die sich selbsttätig aufladen, sind heute schon Realität, und auch, wenn der Bericht vor allem auf die US-Entwicklungen fokussiert – die Entwicklung in China dürfte noch deutlich schneller sein.
Auf 48 Seiten wurde hier zusammengefasst, welche Fragen aus dem Blick der Strafverfolgungsbehörden auftauchen. Im Gegensatz zu vielen anderen Texten, die im Umfeld der EU-Bürokratie entstehen, ist dies trotz der gelegentlichen dystopischen Einwürfe eine nüchterne Zusammenfassung der Sachlage. Unheimlich sind die Teile, die nicht oder nur sehr beiläufig angesprochen werden.
Die erste, grundsätzliche Feststellung, die hier gemacht wird, ist, dass sich das Handlungsfeld verändert, weil die technologischen Veränderungen – Drohnen, Roboter und auch Künstliche Intelligenz – für alle Zwecke verfügbar werden. Ansätze in diese Richtung gibt es längst, Schmuggler setzen Drohnen zu Wasser und in der Luft bereits selbstverständlich ein, und die sich langsam entwickelnden Lieferdienste, die diese Technik nutzen, beschränken sich nicht nur auf legale Ware. Mehr noch, die FPV-Drohnen, die derzeit an der ukrainischen Front eine so große Rolle spielen, könnten ebenso bei Auseinandersetzungen zwischen kriminellen Banden wie bei Terrorangriffen zum Einsatz kommen. Die kurze, oben zitierte Passage skizziert einige der Vorstellungen, wie auf diese neuen Bedrohungen reagiert werden könnte.
Es ist die Rede von “wachsendem öffentlichem Druck wegen des Verlusts an Privatsphäre durch allgegenwärtige Anti-Drohnen-Überwachung”. Das bezieht sich auf das oben zitierte Szenario, das vor allem deshalb unheimlich wirkt, weil es Gegenstände des Alltags wie die Straßenlaternen in Teile einer Kriegslandschaft verwandelt, ein wenig so, als liefen wegen der Erfindung der Schusswaffen alle nur noch in Kevlar-Hemden herum.
Aus der Sicht von Europol sind da eine Menge ungeklärter Rechts- und Technikfragen. Die militärische Antwort auf eine angreifende Drohne sei einfach, wird ausgeführt. Aufhalten. Aber die gleiche Situation erfordert eine ganz andere Herangehensweise, wenn sie in einem polizeilichen Umfeld stattfindet. Nicht nur, weil das Risiko, dass Unbeteiligte zu Schaden kommen könnten, wesentlich höher ist, sondern auch, weil das Ziel letztlich sein muss, Täter zu ermitteln, und die Zerstörung einer Drohne auch die benötigten Informationen mitzerstört. Eine Lage, auf die es noch keine technische Antwort gibt – die aber mit den oben erwähnten Nanonetzen zumindest schon einmal skizziert wird.
Aktuell gibt es eine Vorschrift, Drohnen mit einem Gewicht von mehr als 250 Gramm zu registrieren. Seitdem hat das Angebot an Drohnen mit einem Gewicht von 249 Gramm gewaltig zugenommen; die Hoffnung, eine Registrierungspflicht werde eine Identifizierung der Halter erleichtern, hat sich also nur teilweise erfüllt. Ein zusätzliches Problem, das noch nicht gelöst ist, ist, dass es kein zuverlässiges Geofencing gibt. Geofencing heißt, dass bestimmte Koordinaten von den Drohnen nicht mehr angeflogen werden können. Das muss allerdings beim Hersteller geschehen. Aktuell sitzen die Hersteller der meisten kommerziellen Drohnen in China, und der größte Hersteller von Freizeitdrohnen, DJI, hat das Geofencing erst Anfang 2025 für die letzten EU-Länder aufgegeben.
Die enorme Geschwindigkeit, mit der sich innovative Konzepte und Verbesserungen in Drohnentechnologie und Robotik gerade an der ukrainischen Front verbreiten, beunruhigt die Autoren dieses Berichts.
“Dieses Wissen ist unter einer bedeutenden Zahl von Nutzern – und Beobachtern – verbreitet und droht, im Umfeld der inneren Sicherheit in der EU, auch für kriminelle und terroristische Einsätze verfügbar zu werden.”
Und die Integration von Künstlicher Intelligenz steht erst am Anfang. Dabei sieht der Bericht das zum Teil noch sehr harmlos, obwohl in der Zukunftsvision für 2035 Roboter omnipräsent sind: die neuesten Erkenntnisse in Bezug auf künstliche Intelligenz, die auf der einen Seite die Fähigkeit zu erratischem Verhalten belegen, also etwa zu lügen oder auch, gezielt die eigene Existenz zu schützen, und auf der anderen Seite eine jüngere Studie, die Reaktionen dokumentiert, die zumindest denen einer traumatisierten Person entsprechen, was bei der Abgabe von Entscheidungen an KIs selbst dann problematisch wäre, wenn es sich nur um eine simulierte Traumatisierung handelt. Was hieße das wirklich für von einer KI gesteuerte Roboter?
Der Roboterhund, der gezeigt wird, gehört da zu den harmlosen Versionen; er kann nur Bilder aufzeichnen. Aber in den Vereinigten Staaten, wo solche Geräte bereits eingesetzt wurden, gab es heftige öffentliche Gegenwehr; in New York musste ein erster Einsatz 2021 abgebrochen werden. Schon das Ersetzen von Menschen durch Maschinen wurde als Feindseligkeit wahrgenommen.
Das Misstrauen wurde auch durch die Tatsache verstärkt, dass bereits 2016 in Dallas ein Bombenräumroboter genutzt wurde, um einen Schützen, der zuvor fünf Polizisten angegriffen hatte, in die Luft zu sprengen. Auch das wurde damals, selbst in den Vereinigten Staaten, als Verwischung der Grenze zwischen Polizeiarbeit und Kriegsführung gesehen.
“Öffentliches Vertrauen ist”, führt die Studie dazu aus, “vor allem wenn man den Einsatz einer spezifischen Technologie durch die Strafverfolgung aus dem Blickwinkel des Tauschs zwischen Privatsphäre und Sicherheit betrachtet – viel schwerer zu gewährleisten, wenn der versprochene zusätzliche Gewinn durch die Technologie nicht ausreicht, um die möglichen Sorgen auszugleichen.”
Das ist der Kern der eigentlich zentralen Frage. Denn dieses Vertrauen, das da dem Einsatz einer Technologie entgegengebracht werden soll, hängt ab vom grundsätzlichen Vertrauen in den Staat, der diese Mittel einsetzt.
“Der bereits weitverbreitete Einsatz von Polizeidrohnen beispielsweise, etwa für Überwachungszwecke, traf wiederholt auf öffentlichen Skeptizismus, verbunden mit Angst vor Überwachung, Mangel an Transparenz, Furcht vor Missbrauch und einer wahrgenommenen Entmenschlichung der Polizeiarbeit.”
Die Furcht vor Missbrauch ist, das thematisiert der Bericht natürlich nicht, eng mit der Frage verbunden, welche Freiheitsvorstellung überhaupt existiert. Die EU-Kommission ist da ein überzeugendes Negativbeispiel, mit ihren allumfassenden Vorgaben und Beschränkungen; ein Gegenüber, angesichts dessen man seine persönliche Entscheidungsfreiheit und seine Privatsphäre fest im Griff halten will wie seinen Geldbeutel auf dem Jahreskongress der Taschendiebe.
Wäre es überhaupt vorstellbar, so etwas wie diese militarisierte Straßenszene hinzunehmen, wenn sich die Schlüssel dafür in den Händen einer Ursula von der Leyen befinden? Oder, mit anderen Worten, wenn Europol eine nüchterne Betrachtung liefert, an welchen Stellen der rechtliche Apparat ebenso wie Ermittlungstechniken und Schutz nachgezogen werden müssten, wenn es zum prognostizierten universellen Einsatz dieser Technologien kommt, was nützt das? Wenn in dem Moment, in dem diese Erkenntnisse in Vorschriften und eigene Technologien umgesetzt werden, der Bürger nur noch das widerspenstige Objekt ist, das zu beugen und bei Bedarf zu brechen ist?
In seinem berühmten Werk “Überwachen und Strafen” entwickelte Michel Foucault sein ganzes Panorama der bürgerlichen Gesellschaft und ihrer internalisierten Kontrolle, ausgehend vom Bild eines Gefängnisentwurfs des frühen 19. Jahrhunderts, in dem alle Zellen von einem zentralen Turm aus einzusehen waren. Aber während bei Foucault – wie bei seinem Vorgänger Norbert Elias – die Internalisierung, die Selbstkontrolle, noch die ehemals sichtbar zelebrierte Strafe ersetzen sollte, scheint sich das in der Entwicklung der letzten Jahrzehnte nicht zu realisieren. Während von der Abfallentsorgung bis zum Pronomen alles mit Regeln versehen wird, breitet sich sowohl die alltägliche Überwachung als auch die repräsentative Strafe wieder aus, bis hin zu einer Wiederbelebung mittelalterlicher Rechtsakte wie der Reichsacht in Gestalt von EU-Sanktionen gegen eigene Bürger.
Es gibt unzählige Beispiele, wie Daten missbraucht werden können. Sie müssen nur durch die Hände von Datenhändlern laufen, beispielsweise, und schon werden die Meldungen eines aktuellen Neuwagens zum Bewegungsprofil. Kann man sich darauf verlassen, dass eine mit Überwachungsdrohnen und Gesichtserkennung ausgerüstete Polizei nicht einer wildgewordenen Staatsanwaltschaft zuliefert, die wegen einzelner Parolen Strafverfahren startet? Kann man nicht.
Und es wird noch schlimmer – denn die roboterisierte Gesellschaft, in der diese Zukunft spielt, hat durch die technologische Entwicklung noch ganz andere Probleme:
“Die Strafverfolgung wird von diesem Trend schwer getroffen werden. Das schließt die Notwendigkeit mit ein, Verbrechen zu untersuchen, die durch Roboter verübt oder gegen sie gerichtet werden, und die potenziellen direkten und indirekten Folgen der Veränderung auf dem Arbeitsmarkt zu managen – einschließlich einer Zunahme an kriminellen Aktivitäten als Ergebnis wachsender Arbeitslosigkeit – wie auch der Umgang mit dem eigenen Personal in Übereinstimmung mit diesen Veränderungen.”
Wenn man sich an das berüchtigte Programm Lavender erinnert, das in Gaza die Ziele für israelische Angriffe auswählte, oder den aktuell laufenden Versuch in der Ukraine, eine von Bandera-Ideologie geprägte Künstliche Intelligenz zu schaffen, wird noch einmal deutlich, welche Abgründe sich hinter dieser technologischen Entwicklung auftun können. Wie wird eine Obrigkeit, die aktuell gerne mithilfe von Debanking und Denunziation ihre Gegner unterdrückt, auf die Mittel zur perfekten Überwachung reagieren, die durch die Kreuzung von Robotik und KI entstehen?
So bemüht das Papier ist, das da über die “unbemannte Zukunft” zusammengetragen wurde, die entscheidenden Fragen sind nicht technisch, sondern politisch. Vor mehr als vierzig Jahren gab es einmal breite Proteste gegen eine geplante Volkszählung, die dann, übrigens am 15. Dezember 1983, durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts gestoppt wurde. Dieses Urteil legte die Grundlage für den Begriff der “informationellen Selbstbestimmung”, also für das Grundrecht, selbst die Verfügung über seine Daten zu haben.
Dieses Recht ist inzwischen fast in Vergessenheit geraten. Aber die Zukunftsvision, die “The Unmanned Future” zeichnet, zeigt, dass es an der Zeit ist, es wieder in Erinnerung zu rufen. Denn wenn Roboter und KI zum Segen werden sollen und nicht zum Fluch, müssen sich die Bürger in der EU wieder daran erinnern, dass weder sie noch ihr Abbild in den Daten obrigkeitliche Verfügungsmasse sind.
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