Als Geste der Unterstützung gegenüber Russland gewährte die EU der Ukraine vor zwei Jahren den Status eines Beitrittskandidaten, Monate nachdem das Land einen Antrag auf Mitgliedschaft gestellt hatte. Die Europäische Kommission hat nun alle 27 Mitgliedsstaaten der Union darüber informiert, dass Kiew genug getan habe, um formelle Gespräche zu führen. “Jetzt liegt die Entscheidung in den Händen der Mitgliedsstaaten”, sagte ein Sprecher der Kommission.
Der Schritt wurde bereits ein paar Stunden zuvor von der Financial Times angekündigt, die zuvor von drei Insiderquellen darüber informiert worden war. Der Beschluss muss einstimmig gefasst und dürfte von Ungarn abgelehnt werden. Ungarn ist der Meinung, dass ethnische Minderheiten in der Ukraine schlecht behandelt werden, heißt es in dem Bericht.
Im Juli wird Ungarn die rotierende EU-Ratspräsidentschaft übernehmen. Das Land hat die Regierung in Kiew beschuldigt, die ungarische Kultur in der Ukraine per Gesetz zu unterdrücken. Mithilfe entsprechender Gesetze wird in ukrainischen Medien, im Bildungswesen und in anderen Bereichen des öffentlichen Lebens die ukrainische Sprache gefördert. Eine der Quellen der Financial Times sagte, Ungarn könnte auch Bedenken hinsichtlich des Status anderer Minderheiten äußern. Die ukrainischen Gesetze richten sich allerdings hauptsächlich gegen die russische Sprache, die seit jeher von einem Großteil der Bevölkerung als Erst- oder Zweitsprache gesprochen wird. Taras Kremin, Kiews staatlicher Beauftragter für Sprachenschutz, hat in Interviews behauptet, der Begriff “russischsprachig” sei “eine von der russischen Ideologie eingeführte Bezeichnung”.
Die seit Langem in der Ukraine herrschende Korruption belastet ganz offensichtlich die Beziehungen zu den USA, dem wichtigsten ausländischen Unterstützer des Landes. Laut einem Bericht von NBC News am Donnerstag seien ukrainische Politiker “besonders verärgert über die US-Botschafterin Bridget Brink”, weil sie sich mit dem Thema Korruption befasse. Demnach verursache die Diplomatin mit ihrem Drängen auf mehr Reformen nach Ansicht der ukrainischen Politiker “unnötige Spannungen”, hieß es in dem US-Nachrichtenmagazin.
Auch der EU-Beitritt der Republik Moldawien wurde von Brüssel inmitten des Konflikts mit Russland beschleunigt und am Freitag als reif für formelle Verhandlungen bestätigt. Zuletzt waren die beiden Beitrittskandidaten im Dezember letzten Jahres einen Schritt näher in Richtung EU-Mitgliedschaft gekommen. Damals erklärte sich der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán damit einverstanden, den Tagungssaal zu verlassen, damit die anderen EU-Staats- und Regierungschefs in seiner Abwesenheit einstimmig für den Beschluss stimmen konnten.
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