Ende des Jahres 2022 sorgte die amtierende Bundesregierung für eine Änderung der sogenannten “Versorgungsreserveabrufverordnung“. Diese besagte, dass über einen vorgegebenen befristeten Zeitraum gegebenenfalls die verpönten und stillgelegten Kohlekraftwerke im Land wieder aktiv für die Stromversorgung der Bürger zur Verfügung stehen dürfen. Der genau festgelegte Zeitraum lief vom 1. Oktober 2022 bis zum 30. Juni 2023. In einer Pressemitteilung vom 4. Oktober sieht sich das Habeck-Ministerium nun gezwungen, erneut über die befristete Reaktivierung die Stromversorgung des Landes zu sichern.
So heißt es in der Mitteilung wörtlich:
“Die Versorgungsreserve wird reaktiviert, um Gas in der Stromerzeugung einzusparen und dadurch Versorgungsengpässen mit Gas in der Heizperiode 2023/2024 vorzubeugen.”
Nach den niedergeschriebenen Angaben des Ministeriums hat damit die Regierung am Mittwoch eine Verfügung erlassen, die es dem größten deutschen Stromerzeuger RWE erlaubt, zwei Kohleblöcke in seinem Kraftwerk Niederaußem und einen weiteren in seinem Kraftwerk Neurath wieder in Betrieb zu nehmen, um zusätzlichen Strom in das Netz einzuspeisen. Auf der Grundlage derselben Anordnung wird zudem der zweitgrößte Kohleversorger des Landes, die LEAG, zwei Blöcke des Kohlekraftwerks Jänschwalde reaktivieren.
Das BMWK sieht sich jedoch zudem verpflichtet, im Rahmen der Mitteilung ihre potenziell irritierte Wählerschaft zu beruhigen. So heißt es weiter:
“Das Ziel, den Kohleausstieg idealerweise (sic!) im Jahr 2030 zu vollenden, bleibt, wie auch die Klimaziele, davon unberührt.”
Ein vom Bundestag eingeforderter Bericht der Bundesregierung sollte zudem laut Mitteilung klären, ob potenzielle “Auswirkungen auf die Energiewirtschaft und den Klimaschutz” zu befürchten wären. Diesbezüglich heißt es in der BMWK-Mitteilung:
“Der Bericht kommt zum Schluss, dass beide betrachteten Instrumente, sowohl die vorübergehende Marktrückkehr von Kraftwerken aus der Netzreserve als auch ein erneuter befristeter Abruf der Kraftwerke der Versorgungsreserve, für sich und gemeinsam geeignet sind, im kommenden Winter je nach Versorgungslage effektiv Erdgasverstromung zu ersetzen und den Bedarf an Erdgas insgesamt zu verringern.”
Nach dem vorläufigen Ablauf Ende März 2024 werde dann untersucht, “ob und wie viele zusätzliche Treibhausgasemissionen im Rahmen der Gesetzesanwendung ausgestoßen wurden”. Daraus resultierend würden “Vorschläge” eingebracht, “mit welchen Maßnahmen diese zusätzlichen Emissionen kompensiert werden können”.
Die genannten Kraftwerke waren im vergangenen Winter in Betrieb, befinden sich aber seit dem Sommer im sogenannten Stand-by-Betrieb. Die jüngste Anordnung tritt am 6. Oktober in Kraft, wobei die Kohlekraftwerke voraussichtlich bis März 2024 voll betriebsfähig sein werden. Unabhängig davon erwägt Berlin, den Betrieb von zwei RWE-Kohleblöcken im RWE-Werk Neurath bis zum Frühjahr 2025 zu verlängern.
Vor dem Jahr 2022 bezog Deutschland rund 40 Prozent seines Gases aus Russland und war von der Verringerung der russischen Energielieferungen aufgrund der EU-Sanktionen gegen Moskau wegen der Ukraine mit am stärksten betroffen.
Obwohl das politische Berlin verschiedene Schritte unternommen hat, um russisches Gas durch alternative Lieferungen zu ersetzen und den Energieverbrauch im Land zu senken, haben Branchenexperten regelmäßig vor der anhaltenden Gefahr von Engpässen gewarnt. Einem aktuellen Bericht der deutschen Gasspeicherbetreibergruppe INES zufolge besteht in Deutschland bis zum Winter 2026/27 die Gefahr von Gasknappheit während der Heizperiode, sollten zwischenzeitlich nicht weitere Brennstoffinfrastruktur, Speicherkapazitäten und Pipelineverbindungen geschaffen werden.
So warnten Analysten nachdrücklich davor, dass die Abschaltung der letzten drei deutschen Kernkraftwerke im April dieses Jahres die Energiesicherheit des Landes weiter gefährdet.
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