“Wir sind auf wirtschaftlicher Ebene so etwas wie eine Brücke zwischen Ost und West”, charakterisiert der deutsche Unternehmer Ulf Schneider die Arbeit seiner im Jahr 2003 gegründeten Beratungsfirma. In einem Interview mit der Berliner Zeitung am 13. November erklärt der 56-Jährige, dass er trotz der gegenwärtigen politischen Spannungen zwischen Deutschland und Russland die Aufrechterhaltung der Kontakte für wichtig halte:
“Ich möchte dazu beitragen, dass trotz angespannter politischer Situationen auf menschlicher Ebene so viel wie möglich Kontakte beibehalten werden.”
Schneiders Unternehmen, das etwa 500 Mitarbeiter an 18 Standorten zählt, ist in mehreren Staaten Osteuropas und fast allen Ländern der ehemaligen Sowjetunion vertreten – darunter auch in Russland und der Ukraine. Der Geschäftsmann, der nach eigenen Angaben eine “berufliche Leidenschaft für den Osten” hat, sagte, dass seine Mitarbeiter aus Kiew und Moskau “einen Draht zueinander” haben und er sich eine Zunahme der Kommunikation für die Zukunft wünsche.
Als besonders hoffnungsvoll im Hinblick auf die Entwicklung der deutsch-russischen Beziehungen bezeichnet der studierte Volkswirt die Zeit der 2000er-Jahre. Ihren Höhepunkt erreichten diese Beziehungen 2012, als der Handelsumsatz zwischen den beiden Staaten knapp 100 Milliarden Euro erreichte. Insbesondere sei damals der Aufbau eines gemeinsamen Wirtschaftsraums zwischen der Europäischen Union und Russland möglich gewesen:
“Es war die Zeit der großen Chancen. Ich glaube schon, dass es am Anfang dieses Jahrhunderts eine große Chance gab, dass die Europäische Union und Russland einen gemeinsamen Markt entwickeln, einen gemeinsamen wirtschaftlichen Raum, einen gemeinsamen humanitären Raum, einen Raum ohne Grenzen, ohne Visa. Und wir sind ja auch einige Zeit sehr gut vorangekommen.”
Gründe für das Scheitern dieser Möglichkeit nennt Schneider in seinem Interview nicht und verzichtet allgemein auf Wertungen. Eine Rückkehr zu diesen Zeiten hält er allerdings für “unrealistisch”; zudem räumt er ein, dass es inzwischen auf beiden Seiten Frustration und Enttäuschung gebe. Gleichzeitig seien aber Kontakte nicht völlig abgebrochen und es bestehe aber nach wie vor ein Wunsch nach ihrer Intensivierung:
“Ich sage aber auch, dass ich weiterhin spüre, dass beide Seiten, also Russen und Deutsche, irgendwie wieder mehr miteinander interagieren wollen.”
Vor allem würden Deutschland und Russland eine gemeinsame Zukunftsvorstellung benötigen, betont Schneider:
“Meine große Hoffnung ist, dass wir gemeinsam eine Vision entwickeln, wie wir in Zukunft miteinander umgehen wollen. Da geht es um Möglichkeiten des gemeinsamen Handels, wieder mehr kulturellen und wissenschaftlichen Austausch. Sollte es wenigstens solch eine Vorstellung geben, dann denke ich, wird es einfacher sein, Wege dorthin zu finden.”
Hinsichtlich einer Wiederaufnahme der wirtschaftlichen Vernetzung ist der Unternehmer vorsichtig optimistisch. Er sieht diese allerdings als einen stufenweisen Prozess, der mehrere Jahre in Anspruch nehmen und zunächst über Vermittler – etwa über zentralasiatische Staaten – verlaufen könnte.
Die westlichen Sanktionen hält Schneider dagegen für ineffektiv:
“Es ist nicht so, dass Russland jetzt irgendetwas groß fehlt.”
Besonders ineffizient im Hinblick auf politische Einflussnahme und für eine Normalisierung der Beziehungen regelrecht hinderlich sei die Aufhebung der direkten Flugverbindungen:
“Um einfache Begegnungen zwischen den Menschen wieder zu ermöglichen, sollte man den regulären Flugverkehr wieder aufnehmen. Ich glaube im Übrigen, diese Flugverbindungen wieder aufzunehmen ist völlig unabhängig von der Frage eines möglichen Waffenstillstands eine sinnvolle Idee. Denn letztendlich führt diese Sperrung der Lufträume nur dazu, dass Menschen weniger untereinander kommunizieren. Das trägt nicht zu einer Beilegung des Konfliktes bei, das trägt eher zu einer Verkrustung und einer Verschärfung bei. Es trägt dazu bei, dass nur noch die Menschen, die sich das leisten können, ihre Verwandten, Freunde und Arbeitskollegen besuchen.”
Mittelfristig sieht Schneider das Risiko eines dauerhaften Verlustes von Märkten durch Deutschland. Als Beispiel führt er den inzwischen von China übernommenen Automarkt an und äußert Zweifel, ob Deutschland diesen selbst im Fall einer Rücknahme der Sanktionen in den nächsten Jahren wiedergewinnen könnte.
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