von Dagmar Henn
Wirklich beliebt ist er nicht mehr, der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland. In einer Umfrage antworteten 61,3 Prozent der Befragten auf die Frage “Sollen die Rundfunkgebühren in Deutschland ähnlich wie in Frankreich abgeschafft werden” mit “auf jeden Fall.” Weitere 7,1 Prozent antworteten mit “eher ja”.
Man könnte meinen, dass es sich dabei um einen aktuellen Einbruch durch den Skandal um Ex-RBB-Chefin Schlesinger handelt. Aber das gleiche Umfrageportal Civey, das am 10. August diese Werte lieferte, hat seit 2018 eine weitere Umfrage, in der gefragt wird, wie viel die Bürger bereit wären, für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu zahlen, wenn sie es selbst entscheiden könnten. Die häufigste Antwort, mit derzeit über 44 Prozent, lautet: Nichts.
Das passt zwar nicht zur Selbstdarstellung, die die Vertreter dieser Medien stets mit stolzgeschwellter Brust verkünden, aber es ist im Grunde die logische Konsequenz, wenn sich die öffentlich-rechtlichen Sender zwar noch im technischen Aufwand, aber nicht im Inhalt von den Konzernmedien unterscheiden.
Das ursprüngliche Konzept des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zielte auf zweierlei: auf der einen Seite die politische Bildung der Bevölkerung zu heben, und auf der anderen Ereignisse wie den fatalen Einfluss der Hugenberg-Presse auf die Entwicklung der Weimarer Republik durch ein Gegengewicht zu verhindern.
Man kann nicht oft genug empfehlen, sich auf Internet-Kanälen wie YouTube alte Sendungen etwa von Peter Scholl-Latour anzusehen; der Unterschied wird sehr schnell kenntlich. Die Wohlstandsneurotiker haben kürzlich erst einen solchen Vergleich anhand einer alten Scheibenwischer-Sendung nach dem 11. September 2001 durchgeführt. Auch da ist schnell zu erkennen, wie stark die Unterschiede sind und wie tief sich diese Programme boulevardisiert und auf eine einheitliche Meinung zubewegt haben.
Dabei sollte die ziemlich komplizierte Struktur, bei der ein Rundfunkrat über die Programmgestaltung wacht, dafür sorgen, dass alle gesellschaftlichen Gruppen angemessen zu Wort kommen. Deshalb gibt es Vertreter der Gewerkschaften, der Kirchen, der Sportvereine … was zwar nie sehr viel Erfolg hatte, inzwischen aber gar keinen mehr, weil alle Positionen, die durch Parteivertreter gekapert werden konnten, längst gekapert worden sind. Und das öffentlich-rechtliche Fernsehen schon lange die Tendenz hat, die Gesellschaft von oben zu betrachten. Die wenigsten Fernsehzuschauer dürften angesichts der Wohnungen und der Einrichtungen in den meisten Fernsehserien das Gefühl haben, dass hier ihre Geschichte erzählt wird.
Deutschland hält sich die teuersten Fernsehsender der Welt. Aber in acht Jahren Krieg im Donbass waren sie nicht imstande, tatsächlich zumindest von beiden Seiten zu berichten, wie das früher einmal üblich war. Ein Dokumentarfilm, der vom MDR finanziert worden war, der die Geschichte eines Orchestermusikers aus dem Donbass erzählte, der mit den in deutschen Medien vermittelten Vorstellungen aufbrach und mit anderen zurückkehrte, wurde vom MDR einmal gezeigt. Und dann verschwand er im Giftschrank. Dabei war die Erzählung authentisch, ein realer Beleg. Das Ergebnis entsprach nur nicht dem, was gewünscht war.
Genau so etwas sollten eigentlich die Rundfunkräte durch ihre vielfältige Besetzung verhindern, die dazu dienen soll, dass jeder Teil des Publikums einen Ansprechpartner hat, der seine Interessen vertreten kann. Die Finanzierung über Gebühren hat politisch nur eine Rechtfertigung – dass die gelieferte Information tatsächlich die Funktion erfüllt, den Bürgern fundierte politische Entscheidungen zu ermöglichen. Das ist aber nur dann möglich, wenn die unterschiedlichen Argumente dargelegt werden; in dem Moment, in dem nur noch die herrschende Meinung zulässig ist, entfällt der Grund für eine Finanzierung aus einer anderen Quelle als der Staatskasse.
Das Problem ist seit vielen Jahren bekannt. Früher machte man sich immer über den Bayrischen Rundfunk lustig, dessen Interviews bei Vertretern der bayrischen Regierung immer ins tief unterwürfige abglitten (“Stimmt es, Herr Ministerpräsident, dass Sie …”). Inzwischen ist das der normale Tonfall, außer, es geht um Vertreter irgendwie abweichender Meinungen. Dann wird der Verhörton aktiviert. Beides hat mit dem, was ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk liefern sollte, nichts zu tun.
Besonders extrem wurde das seit Ende Februar. Wäre es nicht die Aufgabe solcher Sender, die gesamte Reaktionsspanne auf eine Krise wie den russischen Militäreinsatz in der Ukraine abzubilden? Also zu erklären, was die Minsker Vereinbarungen enthalten, wirkliche Informationen über die Zustände in der Ukraine zu liefern, auch über die Armut und die Korruption, die Interessen zu benennen, die hinter Rüstungslieferungen stehen, gerne auch eine offene Debatte zwischen Anhängern und Gegnern der NATO – wie bitte soll der Souverän als solcher handeln, wenn er nicht als solcher behandelt wird? Wenn die Position des Westens so klar wäre, eine logische Folge der Gegebenheiten, dann wäre nichts davon eine Gefahr. Wer die Wahrheit sagt, muss Argumente nicht fürchten.
Stattdessen machen sich Anstalten, die sich über aus den Bürgern gepresste Beiträge finanzieren (Zahlen darüber, wie viele die Zahlung verweigern, werden nicht bekannt gegeben), zu Bütteln einer Obrigkeit, die jetzt auch noch Hungern und Frieren verordnet. Die großzügige Bezahlung des festangestellten Personals sorgt schon dafür, dass niemand davon vor Scham im Boden versinkt.
Ursprünglich war es einmal eine gute Idee. Aber wenn heute die meisten nicht mehr dafür zahlen wollen, dann liegt das nicht an Netflix, YouTube und dergleichen. Nein, die Verachtung ist ehrlich erarbeitet. Der Zustand der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten entspricht dem Zustand der bundesdeutschen Demokratie. Er ist erbärmlich.
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