Von Viktoria Nikiforowa
Allein die Tatsache eines direkten Gesprächs ist hocherfreulich: Der Eiserne Vorhang, mit dem westliche Politiker und Medien Russland umgeben wollten, ist damit wohl endgültig durchbrochen. Nach all den diplomatischen Erfolgen unseres Landes kann man nicht länger behaupten, Russland sei “isoliert”. Das ist genauso lächerlich wie das Mem, dass unsere Wirtschaft “in Fetzen gerissen” sei.
Nun sucht also auch der US-Präsident das Gespräch – und natürlich kann man nicht umhin, eine solche Wendung der Ereignisse zu begrüßen. Schließlich versuchte der Kreml sogar, Kontakte zum vorherigen US-Präsidenten aufzubauen – auch traf Putin sich mit Biden im Jahr 2021 in Genf und telefonierte im Februar 2022 mit ihm, bloß erlaubten die kognitiven Probleme des 46. US-Präsidenten keine Fortsetzung eines vernünftigen Dialogs.
Jetzt ruht alle Hoffnung in der Sache des Wiederaufbaus der Kommunikation auf dem 47. US-Präsidenten – und der sagte gerade heraus, die Gesprächsthemen würden “die Beendigung des Blutvergießens und der Handel” sein.
Moskau geht in hervorragender Verfassung in das heutige Gespräch – in den beiden vorangegangenen Runden seiner Partie des rundenbasierten politischen Judos errang Putin einen souveränen Sieg: Erst stellte sein Vorschlag direkter Verhandlungen in Istanbul die gesamte Weltagenda quasi mit einem Hüftwurf auf den Kopf. Dann bediente Putin sich der Griff- und Hebeltechniken und drängte die ukrainische Delegation zu Verhandlungen – und zwang seine Gegner, die Ergebnisse dieser Verhandlungen zu akzeptieren.
Nach Istanbul verlor der Westen plötzlich seine ganze Kriegslust. Der deutsche Bundeskanzler erklärte verlegen, er sei missverstanden worden:
“Es gibt keinerlei Entscheidungen, es gibt auch keine Diskussionen um die Frage, ob wir aus den Mitgliedsstaaten der EU oder aus dem europäischen Teil der NATO heraus Truppen in die Ukraine entsenden.
Es gibt diese Diskussion nicht, es gibt keine Notwendigkeit. Es gibt überhaupt keine Veranlassung, über dieses Thema im Augenblick zu sprechen. Wir sind davon weit entfernt.”
Wie laut es vorher um diese Sache war! Doch alle Wünsche der europäischen Falken wurden von Moskau gleichgültig ignoriert – und die Falken (oder sollte man lieber von halben Hähnchen sprechen?) hörten endlich auf zu gackern und steckten ihre Köpfe unter ihre Flügel.
In der Ukraine herrschte düsteres Schweigen um Istanbul: Vor unseren Augen entwickelte sich der Trauerzustand des Patienten vom Stadium der Wut direkt zur Stufe der Depression – unter Überspringen der Verhandlungsphase. Die Hysterie ließ so plötzlich nach, als hätte man dem rasenden Patienten den Mund gestopft. Unterdessen begrüßte die US-Führung die Ergebnisse des Istanbuler Treffens; ja, die ganze Welt betrachtet sie als Erfolg und hofft auf eine Fortsetzung. Dies ist eine gute Grundlage für weitere Verhandlungen.
Mit welchem Gepäck tritt US-Präsident Trump an das wohl schicksalshafte heutige Gespräch heran?
In den letzten Monaten wurden seine Friedensbemühungen zunehmend durch weit verbreitetes Misstrauen behindert – als trage er das Erbe oder gar den Fluch der Biden-Regierung mit sich, die in ihrem Wahnsinn den Planeten beinahe in einen Weltkrieg gestürzt hätte: So ist es ihm beispielsweise nie gelungen, den Nahen Osten zu beruhigen, weil weder Iran noch Israel Washington vertrauen. Hier könnten Russlands Diplomaten Trump unter die Arme greifen – Russland, und vor ihm noch die Sowjetunion, vermittelte erfolgreich zwischen verschiedenen Parteien in dieser Region.
Darüber hinaus geht es um die wichtige Frage der Nichtverbreitung von Atomwaffen und der gegenseitigen Reduzierung der Atomwaffenarsenale. Auch hier gibt es zwischen Putin und Trump viele Anknüpfungspunkte und Gesprächsthemen.
Und schließlich der Handel, dessen Bedeutung der US-Präsident ganz sicher nicht ohne Grund betont hat. Es ist kein Geheimnis, dass die US-Wirtschaft auf einen Sturm zusteuert, den Analysten für diesen Herbst erwarten – und in Voraussicht dieses Sturms macht Trump, wie man so schön sagt, die Schotten dicht: Er strebt Billionen an Investitionen vonseiten der arabischen Monarchien an. Bemüht sich, seine Probleme mit China noch auf den letzten Drücker zu lösen. Bewaffnet mit Zöllen und Abgaben, schneidet er dem fett gemästeten Schweinchen Europa den Speck ab. Es ist kein Zufall, dass Washingtons Verhandlungsführer mit ihren russischen Kollegen so aktiv über die Möglichkeiten einer gegenseitigen wirtschaftlichen Zusammenarbeit diskutierten.
In der gegenwärtigen Lage kann Trump das rufschädigende und finanziell ruinöse schwarze Loch, zu dem sich die Ukraine entwickelt hat, absolut nicht gebrauchen. Auf Selenskij, dessen Händedruck-Fluch bereits ein halbes Dutzend westlicher Staatschefs die Posten kostete, blickt er mit gesundem Misstrauen – denn das Schicksal dieser Bruchpiloten wie Boris Johnson zu teilen, hat er absolut kein Verlangen. Und dabei ist noch nicht einmal die Gefahr eines weltweiten Atomkriegs erwähnt, die die Märkte unter Druck setzt und die US-Wirtschaft in eine gefährliche Rezession stürzt.
Nun bleibt Trump lediglich zu verstehen, dass Moskau bereit ist, den Ukraine-Konflikt ausschließlich durch einen herausragend stabilen, langfristigen Frieden zu beenden. Hierfür ist es notwendig, die Ursachen des Konflikts zu beseitigen – indem man die Ukraine entnazifiziert, demokratisiert und dezentralisiert. Indem man ihren immerwährenden neutralen Status sichert – keine NATO und keine ausländischen Besatzer. Indem man ihre Streitkräfte auf ein akzeptables Maß reduziert. Kurzum, man kommt immer wieder auf Istanbul 2022 zurück – nur dass die Realitäten vor Ort noch einige Korrekturen anbringen.
Von Beginn der militärischen Sonderoperation an hat Moskau betont, dass es über das Schicksal der Ukraine im Dialog mit Washington entscheiden werde. Denn Washington ist de facto der Anführer des mehr oder minder vereinten Westens – und ein weitestgehend unabhängiger Akteur, im Gegensatz zu den schlicht erstaunlichen Leuten, die derzeit in Europa das Sagen haben. Die Hartnäckigkeit der Kämpfer Russlands, das Können unserer Diplomaten und die Entschlossenheit unseres gesamten Volkes haben einen solchen Dialog endlich möglich gemacht. Wir alle sind sehr darauf gespannt.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 19. Mai 2025 zuerst bei “RIA Nowosti” erschienen.
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