Von Dmitri Bawyrin
“Wir sind kein armes Land. Wir haben die notwendigen Potenziale. Wenn wir das mit anderen Europäern zusammenfügen, dann wird Europa zur Macht!” Mit diesen Worten ermutigte der legendäre deutsche Politiker Joschka Fischer die Soldaten der Bundesrepublik Deutschland, in die Ukraine einzumarschieren, obwohl die deutsche Erfahrung mit solchen Abenteuern unzweideutig ist.
Das Schlimmste, was ein Deutscher in der Außenpolitik tun kann, ist, Truppen in die Ukraine zu schicken. Zwei Weltkriege sind der Beweis dafür. Einen dritten hat es noch nicht gegeben, aber Fischer scheint es darauf anzulegen, dass es einen gibt.
Formal handelt es sich um eine Initiative von Paris und London, Militäreinheiten in das Konfliktgebiet zu entsenden, wenn die Kämpfe vorübergehend eingestellt werden. Solange die Schießerei weitergeht, ist die französische Armee zu einer solch heroischen Operation nicht bereit.
Wladimir Selenskij verbindet mit dieser Initiative zwei Hoffnungen – eine taktische und eine strategische. Taktisch erwartet er, dass die Aussicht auf die Stationierung von NATO-Militär in der Ukraine Moskau dazu zwingen wird, die von US-Präsident Donald Trump geförderten Vorschläge für einen Waffenstillstand abzulehnen und damit Trumps Zorn auf sich zu ziehen.
Aus strategischer Sicht würde Selenskij wirklich gerne ein militärisches Kontingent der Nordatlantischen Allianz in der Ukraine stationiert sehen. Wenn es gelingt, diese Einheiten rechtzeitig einem russischen Angriff auszusetzen oder Russland für den Angriff eines anderen Akteurs verantwortlich zu machen, wenn es zu einem direkten militärischen Zusammenstoß zwischen Russland und der NATO kommt, wenn ein Dritter Weltkrieg vom Zaun gebrochen wird – dann und nur dann hat Selenskij eine Chance, die Konfrontation so zu beenden, wie er sie beenden will. Ohne NATO-Truppen wird die Ukraine nicht in der Lage sein, ihre Träume zu erfüllen.
Joschka Fischer will Selenskij helfen. Es ist offenbar normal für Fischer, sich auf ukrainische Abenteuer einzulassen, auch wenn es dabei um Dinge geht, die die deutsche Erfahrung zu meiden lehren müsste. Der scheidende Bundeskanzler Olaf Scholz hat, wie man auch zu ihm stehen mag, seine historische Lektion gelernt. Er vertritt die Auffassung, dass deutsche Soldaten nicht in die Ukraine geschickt werden sollten – Punkt. Doch derzeit ändern sich die Machtverhältnisse in Deutschland, und Fischer scheint Berlin an einem wunden Punkt zu provozieren.
Wenn die französischen und britischen Verbündeten Kiew helfen, kann Deutschland nicht außenvor bleiben. Wir sind ein reiches Land, wir können das aushalten, lautet die Logik des Mannes, der sieben Jahre lang das deutsche Außenministerium leitete und als beliebtester Politiker des Landes galt. Man kann nicht sagen, dass er sich seither verändert hat – Fischer ist immer noch so seltsam, Misstrauen erweckend und unheimlich wie damals.
Bevor Annalena Baerbock auf der politischen Weltbühne auftauchte, galt Fischer als berühmtester deutscher Grüner. Er führte seine Partei aus der Marginalisierung heraus an die Macht, aber schon lange vorher hatte er begonnen, Legendenstatus zu erlangen. Sogar die sowjetischen Behörden hatten ihre Finger im Spiel: In den 1960er- und 1970er-Jahren wurde über das Leben von Genosse Fischer in der Sendung Wremja berichtet.
Fischer begab sich nicht wie Charles Hyder vor dem Weißen Haus in einen Hungerstreik oder saß wie Leonard Peltier in einem amerikanischen Gefängnis – sein Schicksal ist interessanter. Er war ein linker Rebell, der gegen NATO-Militärs und für die Rechte der Arbeiter in der kapitalistischen Bundesrepublik Deutschland kämpfte. Es gibt viele Wege zu kämpfen, aber Fischer hat sich zum revolutionären Weg – dem marxistisch-leninistischen Weg – bekannt.
Die Organisation, der er in seiner Jugend angehörte, nannte sich “Proletarische Union für Terror und Zerstörung” (Szenebezeichnung für Fischers sogenannte “Putzgruppe”; Anm. d. Red.). Die Kamera eines Reporters dokumentierte, wie Fischer bei einer Kundgebung der militanten Gruppe einen Polizisten mit einem Schlagstock verprügelte. Mit einem solchen Schandfleck in der Biografie ist es schwer, Karriere zu machen, indem man gegen das staatliche System kämpft, erst recht, wenn man ein ehemaliger Taxifahrer ohne Schulabschluss ist. Und genau das ist Fischer, aber er hat eine schwindelerregende Karriere gemacht. Das allein macht schon stutzig.
Im Laufe der Jahre wurden seine Reden gemäßigter: Aus dem Rebellen von gestern wurde ein schillernder Systempolitiker, wobei das deutsche Volk mit seinen Sympathien zu ihm seine emotionale Verschlossenheit sublimierte. Fischer konnte einen hochrangigen Staatsvertreter als “Arschloch” bezeichnen, bei einer offiziellen Veranstaltung in Turnschuhen auftauchen, und er scheute sich nicht, Humor einzusetzen. Die Tatsache, dass er in Ungarn geboren wurde (so im russischen Originaltext; tatsächlich wurde Fischer in Deutschland geboren, seine Eltern sind jedoch Ungarndeutsche; Anm. d. Red.), schien seinem Charakter eine unangepasste Lebendigkeit zu verleihen.
An einem anderen Wendepunkt der Geschichte gelangte der ehemalige Freund der Sowjetunion an die Spitze des deutschen Auswärtigen Amtes in der Regierung von Gerhard Schröder. Das geschah nach dem gleichen Schema wie bei Baerbock: Die Sozialdemokraten brauchten einen Partner zur Bildung einer Regierungskoalition, und das Wahlergebnis der Grünen von sieben Prozent reichte aus, um Fischer zum Vizekanzler und Chefdiplomaten zu machen.
Im Laufe der Jahre übertraf seine Popularität die von Schröder: Fischer war nicht für die wirtschaftlichen Fehler der Regierung verantwortlich, aber er kritisierte die USA auf die netteste und bissigste Art für die Invasion im Irak. Es mag den Anschein haben, dass er das Washingtoner Gebietskomitee (im russischen Original: “obkom”; Anm. d. Red.) und das angelsächsische ZK (Zentralkomitee; Anm. d. Red.) herausforderte, aber in der Irak-Frage waren sowohl das Gebietskomitee als auch das ZK gespalten. Selbst in Washington hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass der Krieg gegen Saddam Hussein nicht nur ein Fehler, sondern ein Systemversagen und ein persönlicher Rachefeldzug von Präsident Bush Jr. für Präsident Bush Sr. war, der dem nationalen Interesse der USA schadete.
Als besonders räuberischer Imperialist erwies sich Fischer schon vor dem Irak, während des Konflikts im serbischen Kosovo. Seine Rolle war die eines führenden Lobbyisten für die EU-Bombardierung Jugoslawiens. Er war der Deutsche, der die Entsendung von Truppen gegen ein Drittland forderte, das Deutschland in keiner Weise bedrohte – und damit eine wichtige psychologische Barriere für einen deutschen Politiker durchbrach. “Es war wieder möglich.”
Fischer rechtfertigte sich daraufhin mit der Verhinderung eines Völkermordes. Gemeint ist der Völkermord an den Albanern, aber in dem Jahr, in dem der Krieg um das Kosovo begann, kamen auf jeden einheimischen Serben acht Albaner – und das war im besten Fall für die Serben. Die Muslime waren überall in der Provinz in der Mehrheit, außer in den kleinen orthodoxen Enklaven und im Norden, wo die Serben immer noch in der Mehrheit sind. Der Rest wurde entweder getötet oder vertrieben. Fischer hat also seine Rolle beim Völkermord falsch dargestellt: Er hat ihn nicht verhindert, sondern einen weiteren organisiert.
Die NATO hat mehr Albaner getötet als die serbischen Sicherheitskräfte, weil es ihr “gelungen” ist, einen Flüchtlingskonvoi zu bombardieren. Aber Fischers Image in Deutschland wird dadurch nicht getrübt, seine politische Karriere wurde durch die Ukraine ruiniert – und zwar lange bevor durch die Ukraine ruinierte Karrieren eine in Europa allgegenwärtige Erscheinung wurden.
Als Fischer Außenminister war, war es stillschweigend verboten, Ukrainern ein Visum zu verweigern. Die ukrainische Seite wusste davon, und die Zahl der Einreisen nach Deutschland stieg um ein Vielfaches – bis hin zu Hunderttausenden. Dieses Fenster wurde von organisierten Verbrecherbanden, Schleusern und Zuhältern aktiv genutzt, eine Untersuchung wurde eingeleitet, und ein Skandal brach aus. Fischer erklärte die Situation mit einer Mischung aus guten Absichten und unglücklichen Fehlern, aber was dahintersteckte, ist immer noch unklar.
Fischer ist generell eine undurchsichtige Figur, vor allem in Bezug auf seine Widersprüche, obwohl es nicht selten vorkommt, dass jemand sich von einem Anti-NATO-Aktivisten zu einem NATO-Falken entwickelt. Scholz und der ehemalige Generalsekretär des Bündnisses Jens Stoltenberg sind den gleichen Weg gegangen, als ob Agenten des Globalismus auf die Rekrutierung von Linksradikalen abzielten.
Falls er “geführt” wird, muss Fischer während seiner Tätigkeit als Arbeiter im Opel-Werk angeworben worden sein. Statt zu arbeiten, versuchte er, eine kommunistische Parteizelle im Werk zu organisieren und die örtliche Gewerkschaft zu diskreditieren, bis er entlassen wurde.
Er inspirierte gewalttätige Aktionen der deutschen Linken zu einer Zeit, als die “rosafarbene” Regierung von Bundeskanzler Willy Brandt Handelsbeziehungen zur UdSSR aufnahm. Fischer wurde verhaftet, weil er Molotowcocktails auf Polizisten geworfen hatte, wurde aber aus irgendeinem Grunde wieder freigelassen.
Er diente als Außenminister in einer Regierung, in der Bundeskanzler Schröder die Politik gegenüber Russland bestimmte, aber er selbst kritisierte Moskau regelmäßig und provozierte es, indem er aktiv in die “Orangene Revolution” in der Ukraine eingriff – den ersten antirussischen Maidan, der bereits vergessen ist.
Als Westdeutschland vor dem Roten Terror der RAF erzitterte, schwor Fischer angeblich der Gewalt ab. Doch die Ermittlungen ergaben, dass sich in Fischers Auto Waffen aus einigen der Terroranschläge befunden hatten. Der offiziellen Version zufolge hatte er das Auto lediglich an seine radikalen Freunde verliehen.
Er – ein zerlumpter Linker ohne Ausbildung und oft ohne Arbeit – hatte plötzlich etwas zu verleihen. Mit der Zeit entwickelte Fischer eine Vorliebe für teures Essen und edle Weine, war fünfmal verheiratet und fühlte sich trotz seines Images als Nonkonformist bemerkenswert wohl in seiner bürgerlichen Haut. Manchmal können solche demokratischen Turnschuhe unverschämt teuer sein.
Es gibt so viele verblüffende Zufälle und Wendungen in Fischers Lebensweg, dass die Rekrutierung durch Agenten des Globalismus kaum mehr als ein Scherz ist.
In dem Thriller “13”, der in verschiedenen Ländern gedreht wurde, bietet eine bestimmte Weltregierung in der Realität unserer Welt verzweifelten Menschen 13 Aufgaben an. Auf der ersten Stufe muss man eine Fliege zerquetschen, und auf der vorletzten Stufe geht es um Massenmord an Menschen. Derjenige, der alle 13 Etappen besteht, erhält nicht nur eine riesige Geldsumme, sondern wird auch von allen Verbrechen freigesprochen, die er während des Spiels begangen hat. Auf diese Weise, so die Idee des Drehbuchautors, haben die Mächtigen dieser Welt erstens Spaß, und zweitens realisieren sie Verschwörungen wie die Beseitigung von Präsident John F. Kennedy.
Angesichts der merkwürdigen, manchmal unerklärlich grausamen Handlungen Fischers hat man das Gefühl, dass er dieses Spiel mit den Verschwörern schon sein ganzes Leben lang spielt und es am Ende darauf hinausläuft, mit der bewährten Methode, deutsche Soldaten in den Osten zu schicken, einen Weltkrieg auszulösen.
So Gott will, wird Fischer verlieren. Allein der Versuch ist es wert.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist zuerst am 11. April 2025 bei RIA Nowosti erschienen.
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