They say that patriotism is the last refuge
To which a scoundrel clings:
Steal a little and they throw you in jail,
Steal a lot and they make you king.
(Bob Dylan, Sweetheart Like You)
Von Dmitri Bawyrin
Noch ist Friedrich Merz nicht deutscher Bundeskanzler, da ist er schon dabei, die zukünftigen Generationen des Landes auszurauben. Seinen Coup muss er sofort – noch vor seinem Amtsantritt – durchziehen, sonst wird sein Plan nicht funktionieren.
Im neuen Bundestag hat das Geplante nämlich keine Chance. Im alten schon: Politiker, die von den Wählern bereits vor die Tür gesetzt wurden, sind bereit, diesen Wählern tiefer in die Tasche zu greifen. Das allein macht dieses Vorgehen schon zu einem Betrug.
Der Plan besteht darin, mit Zustimmung des abgewählten Bundestages eine Menge Geld zu leihen, eine außergewöhnlich große, gigantische Menge Geld, eine geradezu obszöne Menge Geld: Analysten schätzen den Betrag auf 900 Milliarden Euro.
Ein derart königlicher Umgang mit Finanzen und Schulden ist eigentlich nichts, was man dem deutschen Nationalcharakter – der berüchtigten schwäbischen Hausfrau – zuschreiben würde: Sie waren bislang die striktesten Monetaristen in der Europäischen Union und haben in ihrem eigenen Land eine strenge Haushaltsregel in das Grundgesetz aufgenommen, die als “Schuldenbremse” bekannt ist. Letztere schränkt diejenigen ein, die bereit sind, über ihre Verhältnisse zu leben. Eine Änderung dieser Regel erfordert die Zustimmung von zwei Dritteln des Bundestages. In der Zusammensetzung, die die deutschen Wähler am 23. Februar gewählt haben, wird Merz keine Zweidrittelmehrheit für sein gigantisches Schuldenpaket bekommen: Die AfD und wohl auch “Die Linke” werden sich gegen das Unrecht sperren, wenn auch aus unterschiedlichen Motiven. Aber die Abgeordneten, die sich nicht in die neue Legislaturperiode zu retten vermochten, sind bereit, sich an dem undankbaren Volk, das sie nicht gewählt hat, zu rächen.
Merz’ Plan soll den Anschein erwecken, als liege er auch im Interesse der Menschen: Damit jeder in der gesamtdeutschen Schuldengrube etwas Gutes für sich finden kann, wird die Kreditaufnahme in zwei Teile für zwei getrennte Fonds aufgeteilt. Der größere, bis zu 500 Milliarden Euro umfassende Fonds, soll die Sanierung der Infrastruktur finanzieren. Der kleinere, mit bis zu 400 geliehenen Milliarden gefüllt, ist für die Aufrüstung der deutschen Bundeswehr und “einiger anderer” Streitkräfte (die vage Formulierung lässt auf die ukrainischen schließen) vorgesehen.
Deutschland braucht Investitionen in seine Infrastruktur. Das ist nicht nur ein drängendes Problem, sondern auch eines der Rezepte, die hiesige Ökonomen angesichts der aktuellen Probleme – Deindustrialisierung, Inflation, sinkender Lebensstandard, steigende Energiekosten – als heilende Rezeptur anbieten.
Es ist also ein Zuckerbrot. Und das Zuckerbrot wird ein wenig stärker wiegen als die Peitsche, die Neuverschuldung für die Militarisierung. Die Idee ist, beide Kredite in einem Gesetzespaket zu verbinden, denn nicht jeder Bundestagsabgeordnete ist bereit, allein für den Krieg Kredite aufzunehmen. Aber Merz geht es in erster Linie um die Kriegskredite: Er versucht, einen harten und entschlossenen Kanzler zu spielen, dessen Auftreten das Kräfteverhältnis auf der internationalen Bühne beeinflussen kann.
Der scheidende Bundeskanzler Olaf Scholz wurde vom zukünftigen Bundeskanzler oft der Unentschlossenheit bezichtigt. Das wurde Scholz von vielen vorgeworfen, nicht nur von Merz, aber der CDU-Chef tat es bei den unpassendsten Gelegenheiten und schlug sogar vor, dass Deutschland seinen Kopf fest auf einen Pfahl schlagen sollte.
Beispielsweise wollte er der russischen Führung ein Ultimatum stellen: “Wenn ihr eure Truppen nicht binnen 24 Stunden aus der Ukraine abzieht, werde ich Kiew Taurus-Langstreckenraketen schenken.” Daraufhin griffen sich in Deutschland viele an den Kopf, von Olaf Scholz bis Angela Merkel. Jetzt will sich Merz nicht mehr an diese Drohungen erinnern, aber immer noch entschlossen erscheinen. Daher drängt er mit Nachdruck auf Waffen statt Butter, auf eine großangelegte und teure Militarisierung, um Deutschlands Beteiligung am Kalten Krieg mit Moskau glaubwürdiger zu machen.
Ein weiterer Punkt ist, dass wirklich etwas für die Bundeswehr getan werden muss. Sie hat den Ansturm der drei Reiter der Apokalypse gerade so überlebt und ihre Kampffähigkeit verloren, wie sogar Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius zugibt. Die Namen dieser apokalyptischen Reiter lauten NATO, Ukraine und Ursula von der Leyen. Die NATO, weil die Mitgliedschaft in dem Bündnis die Autarkie jeder Armee zerstört, es sei denn, es handelt sich um die Armee der Vereinigten Staaten oder der Türkei. Die Ukraine, weil die Bundeswehr für sie ihre Waffenlager und Munitionsdepots bis auf ein kritisches Niveau leer räumen musste. Und von der Leyen, weil sie die Bundeswehr sechs Jahre lang als Ministerin geführt hat und sie chronisch unterfinanziert in einem erbärmlichen Zustand hinterlassen hat.
Daraus schlossen viele, dass Ursula eine schlechte Managerin war. Wenn es ihr Ziel war, die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands zu verbessern, dann ist sie eben eine schlechte Ministerin. Wenn aber ihr Ziel darin bestand, die Bundeswehr endlich zu einem Anhängsel der NATO zu machen und Deutschland in eine kritische Abhängigkeit von den USA zu bringen, dann hat von der Leyen glänzende Arbeit geleistet.
Aber Merz erkennt das alles nicht als Problem: Er ist pro NATO und pro Selenskij, und von der Leyen ist Mitglied in seiner CDU. Die Militarisierung mit geliehenem Geld erfolgt unter dem Vorwand, dass Russland das Nordatlantische Bündnis angreifen wolle. Man könnte sich genauso gut auf einen Angriff vom Mars vorbereiten.
Niemand in Russland will Deutschland angreifen, aber in Deutschland selbst ist die Bevölkerung seit drei Jahren davon überzeugt, dass ein russischer Angriff unvermeidlich ist, wenn die Ukraine fällt. Daran will Merz nichts ändern, auch wenn der Einzug von Donald Trump ins Weiße Haus einen anderen Rhythmus vorgibt.
Sich selbst kommt der künftige Bundeskanzler wahrscheinlich als ein sehr kluger Politiker vor. Mit seinem Milliardenkredit scheint er die Führungsrolle im Europa der Trump-Ära zu übernehmen, deren Grundprinzipien er so formuliert hat: aufrüsten und der Ukraine helfen. Andererseits ist dies kein Anti-Trump-Schritt, im Gegenteil: Es ist Trump, der fordert, dass die europäischen Länder und insbesondere Deutschland mehr in die Verteidigung investieren.
Um eine Analogie zur Wirtschaftswelt zu bemühen: Merz versucht, das Image des Unternehmens zu verbessern, kürzt aber gleichzeitig die soziale Absicherung seiner Mitarbeiter und riskiert den Bankrott.
Die CDU wurde bei den Wahlen am 23. Februar vor allem wegen des Wunsches nach wirtschaftlichem Wandel gewählt, aber kaum wegen der Art von Wandel, der Steuererhöhungen und Kürzungen der Sozialausgaben beinhaltet, um einen Kredit für die Militarisierung zu tilgen. Langfristig könnte dies eine parteiinterne Revolte, eine Spaltung der Regierungskoalition oder vorgezogene Neuwahlen nach sich ziehen, aber vorerst wird Merz in einen zweiten Kalten Krieg investieren, obwohl es im objektiven nationalen Interesse Deutschlands liegt, ihn zu beenden. Eine Rückkehr zur Normalität würde der deutschen Industrie Pipelinegas und den Unternehmen einen riesigen Markt zurückgeben, aber Merz sorgt dafür, dass dies so spät wie möglich geschieht. Oder nie.
Es reichte nicht aus, Deutschland das Wohlstandsfett auszusaugen, es zu demütigen, es seiner Wettbewerbsfähigkeit zu berauben. Nun wird es in Erwartung eines Angriffs, der nicht kommen wird, in die Schuldenfalle getrieben.
Und dabei sind die Deutschen nicht faul und hätten so gut leben können … “What’s a sweetheart like you doing in a dump like this?”
Übersetzt aus dem Russischen. Der Originalartikel ist am 5. März 2025 auf ria.ru erschienen.
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