Viele kaum verständliche Probleme hatten bei der letzten Bundestagswahl am 26. September 2021 bundesweit für Ärger gesorgt. In Berlin wurden an diesem Tag zudem das Berliner Abgeordnetenhaus und die zwölf Bezirksverordnetenversammlungen gewählt. In zahlreichen Wahllokalen sahen sich die Wahlberechtigten mit unzumutbaren Warteschlangen, kurzfristigen Verlegungen der Wahllokale und fehlenden oder gar fehlerhaften Stimmzetteln konfrontiert. Mancherorts ist die Stimmabgabe sogar noch während der ersten Ausstrahlung der Wahlprognosen nach 18 Uhr möglich gewesen, obwohl die Wahllokale deutschlandweit traditionell um 18 Uhr schließen. Die zuvor nie dagewesene Pannenserie hat nun jedoch offenbar Konsequenzen.
Nach dem Berliner Verfassungsgerichtshof kam in dieser Woche nämlich auch der Bundestag zu dem Schluss, dass die von Medien gern als “Chaos-Wahl” betitelte Bundestagswahl in 431 von insgesamt 2.257 Berliner Wahlbezirken wiederholt werden muss. Das hat der Bundestag am späten Donnerstagabend mit den Stimmen der Ampel-Fraktionen SPD, Grüne und FDP beschlossen und folgte somit einer entsprechenden Empfehlung seines Wahlprüfungsausschusses. Der entsprechende Beschluss des Bundestages ist möglicherweise aber noch nicht das letzte Wort.
Rund 500.000 Wahlberechtigte sind demnach dazu aufgerufen, ihre Stimmen erneut abzugeben. Erfolgen soll die Wiederholung sowohl mit Erst- als auch Zweitstimmenabgabe. Jedoch wird davon ausgegangen, dass der Parlamentsbeschluss vor dem Bundesverfassungsgericht noch angefochten wird. Deshalb ist unklar, wann die Teilwiederholung der Wahl tatsächlich stattfinden wird. Auch ist unklar, welche Auswirkungen eine mögliche Wahlwiederholung auf die Zusammensetzung des Bundestages haben könnte.
Kritik der Opposition
Bei Teilen der Opposition stößt das Ergebnis der gestrigen Abstimmung allerdings auf Kritik. So warf der Obmann der Union im Wahlprüfungsausschuss Patrick Schnieder der Ampel-Koalition angesichts des Umstands, dass die Wahl nur in 431 Wahlbezirken wiederholt werden soll, zum Beispiel vor, sich aus Angst vor Mandatsverlusten lediglich auf eine kosmetische Korrektur zu beschränken: “Sie rechnen das Fiasko klein.” Ein Vorwurf, den der Justiziar der SPD-Fraktion Johannes Fechner entschieden zurückwies. Man wolle die Wahl nur dort wiederholen, wo es tatsächlich Wahlfehler gegeben habe.
Auch Berliner Abgeordnetenhaus betroffen
Zahlreiche Wahlfehler wurden in der Hauptstadt aber auch bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus und den Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) verzeichnet. Über eine mögliche Wiederholung der Wahlen will das Berliner Verfassungsgericht am 16. November entscheiden. Spätestens 90 Tage nach der Verkündung der Entscheidung müsste dann das Landesparlament neu gewählt werden.
Bei der Chaos-Wahl im vergangenen September war die Verwaltung heillos überfordert. Aufgrund der erheblichen Mängel hatte Bundeswahlleiter Georg Thiel nach Bekanntwerden der Unstimmigkeiten Einspruch gegen den Wahlausgang in etlichen Wahlbezirken beim Bundestag eingelegt. Gegen die Wahl gingen insgesamt 2.172 Einsprüche beim Wahlprüfungsausschuss des Bundestages ein. Etwa 1.700 davon betrafen allein den Wahlablauf in Berlin. Berlins damalige Landeswahlleiterin Petra Michaelis musste angesichts der zuvor nie dagewesenen Probleme sogar zurücktreten. Bei der anschließenden Aufarbeitung kam eine vom Senat eingesetzte Expertenkommission in ihrem Anfang Juli vorgestellten Bericht zu dem Schluss, dass die Pannen und organisatorischen Probleme bei den Wahlen absehbar und vermeidbar gewesen seien.
“Wir haben diesmal einen Zustand gehabt, in dem zu viele Dominosteine umgefallen sind: Einzelne Phänomene, die in einer normalen Wahl nicht aufgefallen wären, haben sich zu einem Chaos verdichtet”, erklärte die Berliner Wahlvorsteherin Daniela Berger und fügte hinzu:
“Es war ein Stresstest für das System – und es hat nicht bestanden.”
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