Der außenpolitische Blog German-Foreign-Policy berichtet von einer immer größer werdenden Zahl an Belegen, dass der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine bereits im Frühjahr des vergangenen Jahres hätte beigelegt werden können, wenn westliche Staaten – genannt werden die USA und Großbritannien – eine Einigung nicht aktiv hintertrieben hätten. Auch die NATO habe deutlich zu verstehen gegeben, dass sie an einer Einigung zu den von Russland und der Ukraine gefundenen Bedingungen kein Interesse habe.
Dabei war der ausgehandelte Kompromiss, der faktisch unterschriftsreif vorlag, für die Ukraine ausgesprochen günstig. Er sah den Rückzug des russischen Militärs auf die Linie vom 23. Februar vor, dafür hätte die Ukraine aufgegeben, eine NATO-Mitgliedschaft anzustreben und wäre zu ihrem neutralen Status zurückgekehrt, der in der ukrainischen Verfassung bis 2014 festgeschrieben war. Die Krim-Frage blieb von der in Istanbul und unter türkischer und israelischer Vermittlung gefundenen Vereinbarung unberührt.
Putin war bereit, auf das Ziel “Entnazifizierung” und “Entmilitarisierung” zu verzichten, sagte der damalige israelische Ministerpräsident Naftali Bennett, der im März zwischen Kiew und Moskau vermittelte. Diese Aussage passt zu sich gegenseitig ergänzenden und wechselseitig bestätigenden Berichten sowohl aus der Ukraine als auch von Politikbeobachtern in den Vereinigten Staaten. Übereinstimmend wird berichtet, dass zu diesem frühen Zeitpunkt eine Einigung gefunden war, der die beiden Konfliktparteien zustimmen konnten.
Allerdings zitiert German-Foreign-Policy mit David Arachmaija einen der ukrainischen Verhandlungsführer, der schon im April des vergangenen Jahres hinsichtlich des gefundenen Kompromisses sagte, er habe “das Gefühl, dass die Vereinigten Staaten und Großbritannien die Letzten sein werden, die sich darauf einlassen”.
Auch aktuelle Aussagen des ehemaligen Leiters der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, deuten darauf hin, dass die Entscheidungshoheit über den Konflikt nie bei Kiew, sondern immer bei der NATO und den USA lag und liegt.
Ischinger fordert, der Westen müsse sich über die Kriegsziele verständigen, die in der Ukraine erreicht werden sollen. Er widerlegt damit Aussagen von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock und vielen anderen westlichen Politikern, die behaupten, die Ukraine würde ihre Kriegsziele selbst bestimmen und bekäme für deren Erreichung lediglich die notwendige Unterstützung in Form von Waffen.
Mit seiner Forderung stützt Ischinger die These, dass es sich um einen klassischen Stellvertreterkrieg handelt, der in der Ukraine nur ausgetragen wird, bei dem sich aber tatsächlich der Westen und Russland gegenüberstehen. Durch die Verhinderung eines möglichst frühen Friedensschlusses wird darüber hinaus die These gestützt, der Westen habe an einem Frieden für die Ukraine kein Interesse und würde einen langen Krieg anstreben, der Russland bindet, und dabei eine hohe Zahl an ukrainischen Opfern billigend in Kauf nehmen.
Das größte Opfer für den westlichen Willen zum Krieg erbringt tatsächlich die Ukraine. Während ein früher Friedensschluss die Ukraine weitgehend unbeschädigt gelassen hätte, führt die “bedingungslose Unterstützung” des Westens letztlich sehr wahrscheinlich zur bedingungslosen Kapitulation der Ukraine nach ihrer vollständigen Zerstörung. Der Versuch, mit Waffenlieferungen und dem Absagen von Verhandlungen einen “Diktatfrieden” (Baerbock) zu verhindern, führt für die Ukraine absehbar genau dorthin: zum Diktatfrieden. So erreicht Putin durch westliche Intervention in der Ukraine das Kriegsziel der Entmilitarisierung und Entnazifizierung doch noch.
Mehr zum Thema – NATO-Generalsekretär Stoltenberg bestätigt: Ukraine-Krieg begann bereits im Jahr 2014