Von Dmitri Petrowski
Deutsche haben die Aufhebung der Schuldenbremse beschlossen. Sie wollen sich gesetzlich erlauben, mehr aus dem Staatshaushalt auszugeben, als sie Einnahmen erzielen, und bewilligen jetzt der Ukraine freudig zehn Milliarden Euro für die Verteidigung.
“Krieg ist der Vater aller Dinge”. Ich weiß, dass ich dieses Zitat von Heraklit von Ephesos zu oft nutze, doch was tun, wenn bisher nichts Besseres formuliert wurde? Der Krieg bringt das wahre Wesen sowohl von Ereignissen als auch von Menschen zum Vorschein. Solange die Kampfhandlungen andauerten, waren alle für den Frieden. Doch sobald dieser Frieden am Horizont schimmerte, finden die Pazifisten von gestern plötzlich tausend und einen Grund, um ihn zu vereiteln.
In den Ansichten von Scholz, der immer noch Kanzler ist, fand in diesen drei Jahren ein beeindruckender Wandel statt. Im Jahr 2022 schickte Deutschland der Ukraine Helme und ähnlichen militärischen Kleinkram. Es half der Ukraine nach dem Prinzip “ein Schritt nach vorne, zwei zurück”. Später kamen Leoparden und sonstige Panzerfahrzeuge, Granaten und Artillerie. Und nun befreit ausgerechnet Scholz, und nicht Merz, das Land von der “Schuldenbremse” und erlaubt, riesige Gelder, die es faktisch nicht gibt, für den Krieg auszugeben. Wieso?
Lassen wir gleich die ganzen Gespräche über den “Frieden”. Wer Frieden will, pumpt nicht eine Konfliktpartei mit Waffen voll. Möglicherweise ist Europa nicht mit Friedensinitiativen in ihrer gegenwärtigen Form zufrieden und will einen anderen, eigenen Frieden – doch welchen, ist unklar. Die Grenzen von 1991? Alle verstehen, dass es absolut unrealistisch ist. Frieden mit einer Ukraine, die in einen Waffenerprobungsplatz und gleichzeitig in eine Pufferfestung zwischen Europa und Russland verwandelt wurde? Wohl eher, auch wenn niemand darüber offen spricht.
Ebenso wenig wie niemand über die Wirtschaft offen spricht. Die Verteidigung ist heute der einzige wirklich blühende Sektor der europäischen, insbesondere der deutschen, Wirtschaft. Volkswagen-Chef Oliver Blume hält es im Hinblick auf die jetzige geopolitische Lage für richtig, in Militärtechnik zu investieren. Seinen Worten zufolge sei der Konzern für die Herstellung von Waffen und Kriegsgerät auf seinen Fabriken “offen”. Es bleiben anscheinend keine anderen Varianten, die schwächelnde Industrie in Schwung zu bringen – deswegen wird Deutschland in der Rolle des Hauptlieferanten von Waffen, die von seinen Bürgern und ihren Nachkommen bezahlt werden, zu einem wichtigen Zusatz zum “Frieden” auf europäische Art. Und wenn es so ist, wird klar: Es ist viel profitabler, den Konflikt in einer aktiven Phase zu halten, wobei Technik verbraucht und ausgemustert wird, als wenn sie zur Abschreckung des potenziellen Gegners einfach irgendwo steht.
Ein weiteres wichtiges Detail ist der Status der Ukraine. Europa winkt ihr seit einem guten Jahrzehnt mit der Mitgliedschaft mal in der EU, mal in der NATO, auch wenn dies offensichtlich niemals passieren wird. Die EU braucht kein riesiges bettelarmes Land zum Durchfüttern. Und solange der Konflikt nicht erlischt, gibt es immer einen Grund, warum jetzt kein Beitritt zur EU möglich ist. Doch wenn er endet, was soll man dann sagen?
Die Welt ist im Wandel und ändert ihre Konturen. Europa und die USA driften auseinander. Die EU versucht nach Kräften, sich an diese Lage anzupassen. Und offensichtlich ist es dabei für Europa profitabler, den Konflikt in der Ukraine fortzusetzen, als ihn nicht fortzusetzen. Daher erklingen aus Berlin und Brüssel milliardenschwere Zusicherungen, die unter dem Mantel der “Unterstützung der Verteidigung” eine Fortsetzung des Krieges implizieren. Bisher reichte der politische Eifer nur für die Aufhebung einer “Schuldenbremse”. Doch man kann nur raten, wie weit die ukrainische Krise geht, wenn alle anderen Bremsen in Europa ebenfalls gelöst werden.
Übersetzt aus dem Russischen. Verfasst speziell für RT am 20. März.
Dmitri Petrowski, Jahrgang 1983, ist ein russischer Roman- und Drehbuchautor sowie Publizist. Er studierte deutsche Philologie in Sankt Petersburg und Berlin, wo er ab dem Jahr 2002 lebte. Im Jahr 2018 kehrte er nach Russland zurück. Er arbeitete bei den Zeitungen Russkaja Germanija und Russki Berlin sowie als Programmdirektor bei einem Berliner russischsprachigen Radiosender und ist Kolumnist bei RT und Life.ru.
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