
Mit dem neuen Wehrdienst wird wieder stärker über einen möglichen Zivildienst nachgedacht. Das Bundesfamilienministerium hat erste Kontakte zu potenziellen Partnern bestätigt, wie aus einem Bericht der Rheinischen Post hervorgeht. Denn sollten sich zu wenig Freiwillige für die Bundeswehr finden, könnte perspektivisch doch noch per Bundestagsbeschluss die Bedarfswehrpflicht eingeführt werden. Dann würde wiederum auch das Recht auf Kriegsdienstverweigerung gelten – und ein verpflichtender Ersatzdienst wäre nötig.
Aus diesem Grund macht man sich bereits im Bundesfamilienministerium von Karin Prien (CDU) Gedanken über einen möglichen Zivildienst. Ein Ministeriumssprecher sagte, in der vergangenen Woche habe es zwei erste Treffen mit Verbänden gegeben, um den Dialog zu starten.
“Wir wollen im konstruktiven Austausch mit den Verbänden den Prozess besprechen und die früheren Erfahrungen sowie künftigen Erwartungen von ihnen in den kommenden Monaten mitgeteilt bekommen. Der frühzeitige Dialog und Austausch mit den Verbänden zu diesem Thema ist uns sehr wichtig.”
Als 2011 Wehrdienst und Zivildienst ausgesetzt wurden, trat der Bundesfreiwilligendienst an ihre Stelle. Wenn im kommenden Jahr alle 18-Jährigen per Fragebogen zu ihrer Bereitschaft für einen Dienst in der Bundeswehr befragt werden, soll im Anschreiben gleichzeitig auch auf Freiwilligendienste hingewiesen werden. Diese könnten laut Experten an den künftig möglichen Zivildienst angegliedert werden.
“Sollte es zur Wehrpflicht und damit zum Zivildienst kommen, werden wir uns bemühen, Plätze dafür anzubieten”, sagte Stefan Raid, Vorsitzender der Deutschen Sportjugend, gegenüber der Presse. “Es wäre allerdings sinnvoll, wenn sich künftige Regelungen dazu so weit wie möglich an den aktuell vorhandenen Strukturen orientieren.” Die Sportjugend gehörte zu den Teilnehmern des digitalen Informationstreffens des Ministeriums für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend zum möglichen neuen Zivildienst.
Der Malteser Hilfsdienst zeigte sich ebenfalls grundsätzlich bereit, wieder Zivildienstleistende aufzunehmen, falls der Ersatzdienst gesetzlich eingeführt wird. Das gelte für Plätze in den sozialen Bereichen wie Pflege, Krankentransport, Hausnotruf, Erste-Hilfe-Ausbildung sowie im Bevölkerungsschutz. Sollten künftig – ob in einem verpflichtenden Dienst oder auf Freiwilligkeit basierend – viele junge Menschen eine neue Tätigkeit bei den Maltesern antreten wollen, bedeute das einen deutlichen Mehrbedarf an betreuendem Personal, Zeit, Material und finanzieller Ausstattung. Ein Sprecher erklärte, man gehe davon aus, dass der Bund dann die entsprechenden finanziellen Voraussetzungen schaffen werde.
Diese Initiativen kann man auch als Reaktion auf die Schülerproteste gegen den Wehrdienst bewerten. Als Motivation gaben die oft noch minderjährigen Protestler eine grundsätzliche pazifistische Einstellung an, zumal viele im Falle eines Krieges um ihr Leben fürchten.
“Wir wollen nicht lernen, wie man andere Menschen tötet” – so oder so ähnlich äußerten sich viele Teilnehmer der bundesweiten Schülerstreiks. Laut einem dpa-Bericht zu Möglichkeit der Kriegsdienstverweigerung komme man um eine Musterung der Wehrdiensttauglichkeit auch im Falle einer Kriegsdienstverweigerung nicht umhin. Im Gegenteil, man lenke mit dem Antrag gerade die Aufmerksamkeit auf sich und mache eine Musterung unvermeidlich.
Kritiker des am Freitag beschlossenen Wehrdienstgesetzes, wie etwa der Präsident des Deutschen Friedensrates Gerhard Fuchs-Kittowski, weisen darauf hin, dass der Wehrdienst nichts mit einer russischen Gefahr zu tun habe, sondern mit Hochrüstung auf der einen Seite und Deindustrialisierung auf der anderen. Durch Entlassungswellen und Verarmung könnten sich einerseits genug Freiwillige für die angestrebte Armeestärke finden. Auf der anderen Seite könne man durch Ausrufung des Spannungsfalls auch das jetzt noch moderate Wehrdienstgesetz aufheben. “Wenn der Spannungsfall eintritt, das kann ich sehr schnell ausrufen, ohne Probleme, dann sind diese ganzen Gesetze, die jetzt heute verabschiedet wurden, sowieso obsolet. Und jeder kann gezogen werden und dann verpflichtet werden”, sagte er im Gespräch mit RT.
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