
Christian Drosten, seit 2020 vielfach prämierter Leiter des Instituts für Virologie an der Charité Berlin, gilt in den kontroversen Diskussionen über die Aufarbeitung der Corona-Maßnahmenpolitik der Jahre 2020 bis 2023 als Reizfigur. Nun informierte Drosten auf X über die jüngste Auszeichnung, die ihm zuteil wird. Das “Seminar für Allgemeine Rhetorik” der Uni Tübingen zeichnete den Virologen für seine Rede “Wissenschaft ist Freiheit und Pflicht” vor dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) aus, die er dort am 27. Mai dieses Jahres hielt.
Endlich mal ein angenehmer Termin, mag sich Drosten nach Bekanntgabe der noch dieses Jahr stattfindenden Verleihung des Preises der Uni Tübingen gedacht haben. Im Gegensatz dazu war der Virologe zuvor in diesem Jahr zu für ihn weit unangenehmeren Veranstaltungen geladen worden. Dazu zählten die Ladungen vor den sächsischen Corona-Untersuchungsausschuss Mitte Mai; im November vor den Corona-Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtags; und zuletzt vor die “Corona-Enquete-Kommission” des Deutschen Bundestags. Zu seinem letzten Auftritt lauteten Schlagzeilen zum Thema kontroverser Wahrnehmungen beispielsweise:
- ZDF: “Drosten verteidigt Maßnahmen, räumt aber auch Fehler ein”
- Berliner Tagesspiegel: “Gekonnt gekontert in der Corona-Enquete: Drosten lässt die Attacken der AfD ins Leere laufen”
- Süddeutsche Zeitung: “Aufarbeitung? Die Corona-Kommission verkommt zur Shitshow”
- Nius: “Die Widersprüche des Herrn Drosten – und seine Ausflüchte in der Enquete-Kommission”
- Berliner Zeitung: “Christian Drosten in der Corona-Enquete: ‘Es ist so verwirrend'”
Drosten informierte nun auf X über seine erneute Ehrung – die Kommentarfunktion unter dem Tweet ist deaktiviert:
“Rede des Jahres! Ich freue mich sehr über die Auszeichnung der Universität Tübingen.”
Rede des Jahres!Ich freue mich sehr über die Auszeichnung der Universität Tübingen.Anlass war das hundertjährige Bestehen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).https://t.co/je9frPeOgm
— Christian Drosten (@c_drosten) December 12, 2025
Die Pressemitteilung der Uni Tübingen informiert darüber, dass zu den “Kriterien für die Jury unter anderem inhaltliche Relevanz, Vortragsstil, Elaboriertheit sowie publizistische Wirkung” gehören. Zu den Gründen der diesjährigen Drosten-Nominierung heißt es:
“Christian Drosten, der … aus der Pandemie-Zeit als Wissenschaftskommunikator weiten Teilen der Bevölkerung bekannt wurde, argumentiere in der ausgezeichneten Rede sachlich und stringent, klar und verständlich, so die Begründung der Jury. Er spare dabei unbequeme Wahrheiten nicht aus. Glaubwürdig werde der nüchtern-sachliche Stil des Redners durch seine persönliche Integrität. Der Redner selbst, sein Anliegen sowie sein Stil stellen den Rahmen einer bedeutsamen Rede dar.”
Eine von der Jury der Universität hervorgehobene Redepassage aus dem Vortrag lautet:
“Vor dem DIW analysiert Christian Drosten gleich zu Beginn: ‘Die Gesellschaft hat das Bewusstsein für Fakten verloren’. Polarisierung von Debatten, Personalisierung vielschichtiger Sachthemen und menschliche Bestrebungen nach Öffentlichkeit und Opportunität bezeichnet er als Symptome dieses Realitätsverlustes. Seine Kritik gipfelt in der pointierten Aussage: ‘Was postfaktische Politiker von sich geben, ist noch nicht einmal falsch, aber dennoch keineswegs richtig’. Konsequenterweise spricht er von einem ‘vollkommenen Verlust der Orientierung an Fakten’.”
Eine Originalpassage aus der Rede lautet:
“Das ‘Schwarz-gegen-Weiß’ im öffentlichen Diskurs, die Liebe der Medien zum Konflikt und zur Personalisierung von vielschichtigen Sachthemen und – leider auch – allzu menschliche Bestrebungen nach Öffentlichkeit und Opportunität: All dies hat dazu geführt, dass den Menschen der Kopf raucht und die Gedanken schwirren. Wie es der Berliner Sozialwissenschaftler Michael Zürn Ende letzten Jahres in einem sehr empfehlenswerten Aufsatz in der FAZ ausdrückte: ‘Unsere Gesellschaft verliert ihre Vernunft’.”
Die Universität lobt Drosten als “engagierte Stimme” der Wissenschaft, um aus der Rede des Wissenschaftlers mit Seitenblick auf die USA zu zitieren:
“Ich plädiere heute für ein Nachdenken über den Grundsatz der Wissenschaftsfreiheit – und zwar nicht in erster Linie wegen ihrer Einschränkung! Die Freiheit der Wissenschaft muss auch Verpflichtungen mit sich bringen.”
Für diese Forderung sei er in den Augen der Jury “selbst ein mustergültiges Beispiel. Er sehe seine Rolle jedoch nicht mehr wie in der Corona-Zeit als bloßer Erklärer, sondern nunmehr als Mahner und engagierte Stimme der Wissenschaft”. Mit Leidenschaft habe der Prämierte in seinem Schlussappell “von allen Beteiligten im Wissenschaftssystem beherzten Einsatz und Engagement ‘in der demokratischen Debatte’ gefordert”.
Im Zeitraum 2020 bis Dezember 2025 hat Drosten einschließlich seiner jüngsten Auszeichnung insgesamt 17 Ehrungen erhalten, darunter das Bundesverdienstkreuz, Ehrendoktortitel, Medaillen und weitere Belobigungen.
Kritiker seiner Person monieren weiterhin die von Politik und Medien hervorgehobene Sonderrolle des Virologen sowie seine wechselhaften Aussagen, Mahnungen und Empfehlungen im Zeitraum der “Corona-Krise”. Zudem werfen sie ihm seine anhaltende Verweigerungshaltung vor, mit wissenschaftlichen Kollegen in einen kritischen Diskurs zu treten.
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