
Mit seiner Rede auf einer Veranstaltung zum 9. November im Berliner Schloss Bellevue, bei der er vor allem an die Pogromnacht der Nazis gegen Juden 1938 erinnerte, hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier der Debatte über ein mögliches AfD-Verbotsverfahren neuen Auftrieb gegeben. Aus den Reihen der Alternative für Deutschland wird dem Bundespräsidenten nun Amtsmissbrauch vorgeworfen.
In seiner Rede hatte Steinmeier betont, dass der Rechtsstaat nicht zusehen dürfe, bis seine Gegner zu stark seien. “Unsere Verfassung ist klar: Eine Partei, die den Weg in die aggressive Verfassungsfeindschaft beschreitet, muss immer mit der Möglichkeit des Verbots rechnen”, so Steinmeier.
Der Bundespräsident rief die etablierten Parteien dazu auf, an der “Brandmauer” festzuhalten und wies darauf hin, dass es auch ohne ein Verbot bereits jetzt juristische Möglichkeiten gebe, die AfD zu bekämpfen. Wer sich gegen den Kern der Verfassung stelle, könne nicht Richter, Lehrer oder Soldat sein, sagte er. “Verfassungsfeinde können auch von der Wahl zur Landrätin oder zum Bürgermeister ausgeschlossen werden”, betonte der SPD-Politiker.
Dafür gibt es bereits Präzedenzfälle, wie der Ausschluss von Joachim Paul von der Oberbürgermeister-Wahl in Ludwigshafen im September zeigt, der mit einem Zweifel an der “Verfassungstreue” des aussichtsreichen AfD-Kandidaten begründet wurde.
Verbotsforderungen innerhalb der Union erhalten Auftrieb
In der Union herrscht Uneinigkeit in der Frage eines AfD-Verbotsverfahrens. Roderich Kiesewetter begrüßt Steinmeiers Vorstoß. Da er “schon lange ein Überprüfungsverfahren wegen der Einschätzung des Bundesamtes für Verfassungsschutz” fordere, “wäre es gut, wenn auch die Union ihre ablehnende Haltung aufgibt”, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete gegenüber dem Handelsblatt. Eine “Überprüfung” der AfD sei angesichts vermehrter Vorwürfe des Landesverrats folgerichtig, so Kiesewetter.
Auch der ehemalige Ostbeauftragte der Bundesregierung, Marco Wanderwitz, unterstützt die Verbotsforderung. Die AfD sei “groß und brandgefährlich”, sagte der CDU-Politiker. Er wünsche sich daher, “dass wir als Gesellschaft die Kraft haben, ein Verbotsverfahren beim Bundesverfassungsgericht anzustoßen.” Die Mütter und Väter des Grundgesetzes hätten “auf der Asche von Auschwitz die wehrhafte Demokratie begründet.”
Menschen mit etwas anderer Hautfarbe oder nicht deutsch klingenden Namen hätten “richtig Angst”, dass die AfD an die Macht kommt, sagte der ehemalige CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz. “Ihnen sind wir es schuldig, dass sich die Gesellschaft vor sie stellt.” Das Bundesverfassungsgericht sollte “die Gelegenheit bekommen, über ein Verbot der AfD zu entscheiden”, sagte Polenz dem Handelsblatt.
Indes drängen SPD-Politiker die Union zur Unterstützung eines Verbotsverfahren. “Ich hoffe sehr, dass in der Union endlich auch die Erkenntnis reift, dass es sich bei der AfD um eine völkisch-nationalistische Bewegung handelt, die darauf ausgerichtet ist, unsere Demokratie von innen zu zerstören”, sagte Thüringens Innenminister Georg Maier. Eine inhaltliche Auseinandersetzung allein reiche “bei weitem nicht mehr aus, die Demokratie zu schützen.”
“Demokratische Parteien” sollten einer Prüfung eines AfD-Verbots durch das Bundesverfassungsgericht “nicht im Wege stehen”, meinte auch Ralf Stegner. Die Geschichte lehre es, “rechtsextremen Demokratiefeinden keinerlei Einfluss zu überlassen und sie mit allen politischen, demokratischen und rechtlichen Mitteln zu bekämpfen”, so der SPD-Bundestagsabgeordnete.
AfD übt scharfe Kritik an Steinmeier
Mit Empörung reagierte die Alternative für Deutschland auf die Äußerungen Steinmeiers. “Nie hat ein Bundespräsident sein Amt so missbraucht”, sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, Bernd Baumann, dem Handelsblatt. Er verurteilte, dass Steinmeier in den Parlamenten jede Zusammenarbeit mit der AfD verhindern wolle. Zudem habe der Bundespräsident die Partei am Jahrestag des 9. November “in eine Reihe mit den Nazimördern” gestellt, empörte sich Baumann, auf dessen Fahrzeug kürzlich erneut ein Brandanschlag verübt wurde.
Wir sind keine Verfassungsfeinde, Herr #Steinmeier! @GtzFrmmingpic.twitter.com/6ZM2wP5r2J
— AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag 🇩🇪 (@AfDimBundestag) November 9, 2025
Auch der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, Götz Frömming, verurteilte Steinmeiers Aussagen. In einem auf X veröffentlichten Video bekundete er, dass er das Grundgesetzt “liebe”. “Da steht zum Beispiel auch was drin von der Gewaltenteilung und der Neutralität, die die Exekutive walten lassen sollte. Und es steht auch drin, dass die Bürger selbstverständlich das Recht haben, wenn ihnen die herrschenden Parteien nicht gefallen, diese abzuwählen oder eine neue zu gründen. Und ja, das Grundgesetz sieht es auch vor, dass diese von den Bürgern neugegründeten Parteien möglicherweise die alten sogar ablösen könnten”, führte Frömming darin aus.
An Steinmeier gerichtet, sagte der AfD-Politiker: “Herr Bundespräsident, wenn wir dieses unser Recht in Anspruch nehmen, dann sind wir keine Feinde dieser Verfassung, dann leben wir sie.”
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