Von Susan Bonath
“Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, sollte vom Faschismus schweigen”, formulierte der jüdische Sozialforscher Max Horkheimer im Jahr 1939 mit Blick auf Deutschland. Faschismus sei die Reaktion der bürgerlichen Politik auf Krisen, um den Kapitalismus mit diktatorischen Mitteln zu erhalten, schrieb er. Da war was dran – und ist es bis heute: Zunehmend lassen Deutschlands Regierende ihre Masken fallen, ukrainische und israelische Faschisten sind ihre engsten “Partner”, deutsche Nazis lassen sie gewähren.
Plattitüden von Werten und Moral
Gehüllt in ihre Charaktermasken tingeln die “Werte-Politiker” mit woken Phrasen und viel Empörung durch die Medienöffentlichkeit. Sie verheddern sich in Sprachakrobatik, um zu suggerieren, Rechte von Frauen und sexuellen Minderheiten lägen ihnen am Herzen. Sie rufen zu Demos “gegen rechts” auf, doch scheitern schon am Thema Flucht und Migration: Mal sind Betroffene für sie schützenswerte Opfer, mal Träger “antisemitischer” oder “rückständiger Kulturen”, womit sie die europäische Demokratie in Gefahr brächten.
Tagein, tagaus beten deutsche Regierungsvertreter ihre Plattitüden von Werten und Moral herunter. Sie konstruieren Verschwörungstheorien über vermeintlich allmächtige “destabilisierende Russenpropaganda” und angebliche Pakte zwischen “Islamisten und Kommunisten”. Sie jagen diverse “Demokratiegefährder”, schaffen Frauenquoten, entrüsten sich über fremde “Diktaturen”. Ja, sie halten sich für die besten aller guten Vertreter ihrer selbsternannten “westlichen Zivilisation”, die das Recht hätten, allen anderen in der Welt ihre “Werte” notfalls mit Bomben aufzuzwingen.
“Willkommenskultur” für ukrainische SS-Freunde
Doch so laut sie ihre – ohnehin wechselhaften und widersprüchlichen – Moralpredigten auch vortragen: Der Blick auf die Realität entlarvt die deutschen Politiker als Heuchler. Die Wahrheit ist: Während sie eifrig “gegen rechts” trommeln, paktieren sie selbst mit echten Faschisten. Dazu ein paar Beispiele:
Dass die ukrainische Regierung unter Wladimir Selenskij nazistische Milizen wie die Asow-Truppe, die mit SS-Runen durch die Gegend marschiert, in ihre Armee eingegliedert hat, ist kein Geheimnis. Das stört die regierenden Moralapostel, die sich eben noch beim Gedenken an die deutschen Nazi-Konzentrationslager profiliert haben, aber kein bisschen. Sie beliefern die SS-Verehrer nicht nur mit deutschen Waffen, unterstützen sie nicht nur ideell in ihrem NATO-Stellvertreterkrieg gegen Russland.
Nein, sie ließen das Asow-Regiment sogar ganz offen in Deutschland rekrutieren. Das könnte man ironisch als echte Willkommenskultur bezeichnen: nicht für Migranten, sondern ukrainische SS-Freunde. Es verstößt zwar gegen das Gesetz, doch was soll’s, da geht noch mehr: Wie der Nachdenkseiten-Redakteur Florian Warweg in der Bundespressekonfernz (BPK) jüngst zur Sprache brachte, hat die Bundesregierung auch kein Problem mit der Eingliederung deutscher Neonazis in die ukrainische Armee.
Waffenhilfe für deutsche Nazis
Das “Deutsche Freiwilligenkorps” (DFK) entstammt direkt dem Umfeld der Partei “Der III. Weg”, die sogar die Bundesregierung als Neonazis einstuft. Seit April dieses Jahres gehört nun deren militante Miliz dem 49. Sturmbataillon “Karpaten-Sitsch” der ukrainischen Bodentruppen an. Die Zeitung junge Welt schrieb dazu:
“Die von der prowestlichen faschistischen Internationale ersehnte neue ‘deutsch-ukrainische Bruderschaft’ gegen den ‘bolschewistischen Feind’ nimmt Konturen an.”
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Damit sieht die Berliner Führungsriege nicht nur einfach zu, wie deutsche und ukrainische Neonazis gemeinsam in ihren “heiligen Krieg” gegen eine angebliche “russische Bedrohung” ziehen. Sie nimmt damit bewusst die militärische Kampfausbildung und Bewaffnung deutscher Nazis in Deutschland in Kauf. Denn einfacher könnten solche NATO-Waffen gar nicht in deren Hände gelangen.
Während also die Bundesregierung, sowohl die alte als die neue, laut über Rechtsextremismus klagt und gerne jeden mit unerwünschter Meinung in diesen Topf hineinwirft, sorgt sie selbst sehr effektiv dafür, dass Neonazistrukturen erhalten bleiben und sich sogar ungeniert militärisch aufrüsten können.
Handschlag mit selbsternannter Faschistin
Nicht nur in der Ukraine entfalten sich die wahren “westlichen Werte” deutscher Regierungsvertreter. Auch Freundschaftsbesuche bei selbsternannten israelischen Faschisten stehen auf ihrem Programm. So geschehen kürzlich in Tel Aviv. Dort traf sich in dieser Woche – während zeitgleich nur wenige Kilometer weiter brutale Massaker gegen die Gaza-Bevölkerung stattfanden – der neue Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) mit seiner israelischen Amtskollegin Miriam Regev.
Regev gehört dem rechtesten Flügel der rechtsextremen Likud-Partei an, der Premier Benjamin Netanjahu vorsteht. Sie sieht sich selbst als “stolze Faschistin” und nannte schon mal schwarze sudanesische Flüchtlinge ein “Krebsgeschwür im Körper der Nation”. Diese Ansichten verbreitete sie bereits 2012 ganz selbstbewusst in der israelischen Öffentlichkeit, wie unter anderem die Zeitung Ha’aretz berichtet. Aus ihrem Rassismus machte die Unterstützerin der israelischen Siedler nie einen Hehl. Seit Oktober 2023 fällt sie ständig mit Aufrufen zur Vernichtung der Gaza-Bewohner auf.
Offiziell ging es bei diesem Treffen um ein Führerschein-Abkommen zwischen Deutschland und Israel. Das kann man machen – muss man aber nicht mit einem Land, das gerade vor aller Augen einen live gestreamten Völkermord an der eingesperrten Gaza-Bevölkerung verübt. Und mit einem Land, in dem sehr viele in der politischen Führung, einschließlich Netanjahu, das ganz ähnlich sehen wie Regev. Was sich genauso wenig leugnen lässt wie der Massenmord, den Israels Armee seit über eineinhalb Jahren verübt.
Neonazis für alle Fälle
Diese Beispiele zeigen überdeutlich: Es geht den deutschen Politikern kein bisschen um Moral und Werte, wie sie ständig suggerieren. Es geht auch nicht um Rechte für Frauen, Homosexuelle oder Transpersonen. Erst recht nicht geht es ihnen um Antisemitismus, Judenfreundschaft oder irgendeine “Willkommenskultur” für Migranten. Die Wahrheit ist vielmehr: Die Herrschenden und ihre politischen PR-Sprecher verbergen hinter all diesem Geschwätz nur imperialistische Machtinteressen.
Und diese sind, ganz grundsätzlich betrachtet, die gleichen wie vor 150 Jahren. Damals zogen ihre Ahnen als Kolonialherren los, um sich fremde Länder zu unterjochen und Menschen zu versklaven, die sie “Wilde” nannten, die sie “zivilisieren” müssten. Heute rechtfertigen sie ihren ausbeuterischen Kapitalexport, ihre Kriege, Massenmorde und Massaker damit, ihre “westlichen Werte” in alle Welt zu transportieren. Die Worte heute klingen schöner – aber die Herrenmenschen-Ideologie dahinter ist die Gleiche.
Zurück zu Horkheimer: Er hatte erkannt, dass Faschisten für “bürgerliche Demokraten” eine wichtige Funktion erfüllen. Wenn’s gut läuft, hält sie die Bourgeoisie verschämt “unterm Deckel”. Sie “füttert” sie nur heimlich. Zwar gibt die Politik beständig vor, sie zu bekämpfen, dies aber nur zum Schein.
Denn militante Nazis an der kurzen Leine waren stets sehr praktisch (nicht nur) für BRD-Politiker: Wenn’s ernsthaft kriselt, lässt man sie einfach los – und wäscht sich selber rein. Heute wie damals: Faschismus in der Hinterhand sichert ihr System, frei nach dem Motto: Bist du nicht willig, brauch’ ich Gewalt.
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