In einem bis zuletzt spannungsgeladenen Finale hat der Wiener Countertenor JJ den Eurovision Song Contest 2025 für Österreich gewonnen. Mit seiner ungewöhnlich zurückgenommenen Darbietung des Stücks “Wasted Love” setzte sich der 24-Jährige gegen die bis zuletzt favorisierte israelische Sängerin Yuval Raphael durch. Während Europa über musikalische Ästhetik abstimmte, eskalierte vor den Toren der Arena der politische Streit um Israels Teilnahme.
JJs Auftritt war kein Feuerwerk der Effekte – sondern ein bewusst gesetzter Kontrapunkt. In Schwarz-Weiss inszeniert, ohne LED-Pomp, ohne Tänzer, ohne kalkuliertes Spektakel. Ein Mann, ein Lichtkegel, eine Stimme: So präsentierte sich Österreichs Act einem Fernsehpublikum von rund 130 Millionen Menschen.
Die Jury-Wertungen honorierten die künstlerische Strenge früh – doch erst die Publikumsstimmen katapultierten JJ an die Spitze und machten ihn zum dritten österreichischen ESC-Gewinner nach Udo Jürgens (1966) und Conchita Wurst (2014).
“Wasted Love” ist keine gefällige Hymne – sondern eine beinahe klassische Pop-Arie über Verlust, Entfremdung und Sprachlosigkeit. Dass ein solches Werk beim weltweit populärsten Musikwettbewerb reüssiert, lässt aufhorchen: Der Trend scheint sich von kalkulierter Überinszenierung hin zu künstlerischer Reduktion zu verschieben.
Israel auf Platz zwei – und im Zentrum der Proteste
Den zweiten Rang belegte die israelische Sängerin Yuval Raphael, die mit dem dramatisch inszenierten Titel “Dance Through the Storm” angetreten war. Während das ESC-Publikum ihre Darbietung mit viel Applaus bedachte, spielte sich vor der Halle ein anderes Drama ab: Rund 500 Demonstranten zogen ohne Bewilligung durch die Basler Innenstadt, um gegen Israels Teilnahme am Contest zu protestieren. Die Polizei kesselte die Demonstrierenden zeitweise ein und setzte Wasserwerfer ein.
העימותים בין כוחות משטרה למפגינים פרו-פלסטינים בבאזל בזמן גמר האירוויזיון ממשיכים | תיעוד @itamargalit (צילום: רויטרס) pic.twitter.com/91nzByxUed
— כאן חדשות (@kann_news) May 17, 2025
Ein besonders brisanter Moment ereignete sich während Raphaels Auftritt: Drei Personen versuchten, mit roten Farbbeuteln die Bühne zu stürmen. Zwei von ihnen überwanden laut Augenzeugen eine Sicherheitsabsperrung, wurden jedoch rechtzeitig gestoppt. Die Farbbeutel flogen ins Publikum und trafen mehrere Zuschauer. Der Auftritt selbst verlief jedoch störungsfrei. Laut Medienberichten war mindestens eine der beteiligten Personen für das Event akkreditiert.
Police blocked hundreds of pro-Palestinian protesters marching through the streets of Basel, Switzerland, to denounce the participation of Israel in the Eurovision Song Contest https://t.co/Z1HpKbfNjxpic.twitter.com/cyIxMpR1oT
— Reuters (@Reuters) May 17, 2025
Der diesjährige Eurovision Song Contest dokumentiert einmal mehr, dass der Wettbewerb längst mehr ist als ein Gesangsereignis. In Basel geriet er zum Schauplatz einer doppelten Erschütterung: einer musikalischen, die mit dem Sieg von JJ ein neues Kapitel europäischer Popauffassung aufschlägt – und einer politischen, in der sich der Streit um Israels Rolle in Europa zuspitzt.
Dass Österreichs Beitrag gerade durch die Verweigerung populärer Pop-Mechanismen siegte, könnte als kulturpolitisches Signal verstanden werden. Der Applaus für JJ war auch ein Applaus für die Rückkehr zur Ernsthaftigkeit – und eine Erinnerung daran, dass Musik auch ohne Pyrotechnik Wirkung entfalten kann.
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