Eine der größten Ängste für Eltern ist der sogenannte plötzliche Kindstod – das unerwartete und nicht erklärliche Versterben eines Säuglings oder Kleinkindes während des Schlafs. Bisher wusste man nur, dass der plötzliche Kindstod am häufigsten im zweiten bis vierten Lebensmonat vorkommt. Zudem gibt es gewisse Risikofaktoren: Bauchlage, ungenügende Luftzirkulation, Rauchen und Drogenkonsum der Eltern sowie Untergewicht.
So richtig erklären konnte man das Versterben der Kleinen bislang aber nicht. Doch nun haben australische Forscher um die Biochemikerin Carmel Therese Harrington offenbar einen Durchbruch erzielt. Für eine Studie, die im Wissenschaftsmagazin The Lancet erschien, hatten die Forscher getrocknetes Blut, das durch das sogenannte “Neugeborenen-Screening” gewonnen wurde, untersucht. Mit dem “Neugeborenen-Screening” wird das Blut wenige Tage nach der Geburt unter anderem auf Stoffwechselkrankheiten untersucht, um bei einem positiven Befund möglichst früh mit einer Behandlung beginnen zu können.
Bewegende Geschichte hinter dem Forschungserfolg
Bei 60 dieser noch vorhandenen Blutproben von später verstorbenen Kindern aus dem Kinderkrankenhaus Westmead in Sydney stellten die Forscher fest, dass ein Enzym mit dem Namen Butyrylcholinesterase (BChE) bei den verstorbenen Kindern viel weniger aktiv war als im Blut von Kindern, die wegen einer anderen Ursache in demselben Zeitraum starben und auch im Vergleich mit Neugeborenen, die nicht starben. Das Enzym ist wichtig für die Kommunikation im Gehirn – wenn ein Mangel vorliegt, könne das den Erregungsweg zwischen Atmung und Schlaf beeinflussen, so die Forscher. Das Kind schreckt nicht auf, wenn es im Schlaf aufhört zu atmen.
Die Leiterin der Forschungsgruppe, Carmel Therese Harrington, hatte vor 29 Jahren selbst ihren Sohn durch plötzlichen Kindstod verloren. Dem australischen Sender ABC sagte sie:
“Sie sagten nur, es sei eine Tragödie. Aber es war eine Tragödie, die nicht gut zu meinem wissenschaftlichen Gehirn passte.”
Seitdem habe sie daran gearbeitet, die Ursache des plötzlichen Kindstods zu finden. Die aktuelle Studie wurde über eine Crowdfunding-Kampagne finanziert. Laut den Forschern macht die Studie es möglich, Säuglinge mit SIDS-Risiko rechtzeitig zu erkennen. So seien nun beispielsweise spezielle Screening-Tests möglich. Die Entdeckung der Forscher sei auch für Eltern wichtig, die bereits Kinder durch SIDS verloren haben, erklärte Harrington. Denn, so die Forscherin:
“Diese Familien können jetzt mit dem Wissen leben, dass es nicht ihre Schuld war.”
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