Von Dagmar Henn
Was hatten wir nicht schon alles … eine “gefühlte Rezession”, Betriebe, die nicht insolvent sind, sondern nur eine Pause machen, während eigentlich die Erfolge der “Transformation” ins klimaschonende Nirwana nur ein wenig auf sich warten lassen. Für diese Perlen zeichnete meist das Haus Habeck verantwortlich. Aber nun gibt es eine neue Variante. Die Gesundbeterin, oder, wenn man es freundlicher formulieren will, die Wirtschaftspsychotherapeutin namens Saskia Esken.
Die SPD-Vorsitzende konnte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, ein paar tröstende Worte in die laufende Deindustrialisierung zu werfen. So solle man sich “nicht in Depression hineinreden lassen”. Solange man nur so tut, als sei der Betrieb nicht dicht, ist demnach alles gut, und auch die Verluste, die beispielsweise bei der Automobil- und Chemieindustrie zu verzeichnen sind, muss man vermutlich nur mit der richtigen Einstellung betrachten.
“Ich halte das für ein Tal der Chancen, für eine Gelegenheit, sich auf unsere Stärken zu besinnen, die unsere Wirtschaft tragen.”
Das wird all jene trösten, die das bisher für ein Tal der Tränen hielten und voller Entsetzen auf die Mischung aus sinkenden Realeinkommen und schwindender Wettbewerbsfähigkeit blicken. Dabei hatte die SPD, richtig, die Partei von Frau Esken, schon dafür gesorgt, dass dank der vielen Niedriglöhner große Teile der Bevölkerung vom Exportboom, der der Corona- und Sanktionskrise vorausging, nichts hatten – außer eben niedrigeren Löhnen.
In diesem Tal der Chancen schafft man es dann, die “Abhängigkeit von Energieimporten” genauso hinter sich zu lassen wie die “Abhängigkeiten von globalen Lieferketten und Exportmärkten. “Alles nur eine Frage der richtigen Entzugstherapie.
Wobei gerade das letzte Wort hübsch ist. Abhängigkeit von Exportmärkten. Nun, wenn Exportmärkte wegfallen, kann man das, zumindest in bestimmten Bereichen, durch eine Stärkung des Binnenmarktes ersetzen. Die Reallöhne so weit zu erhöhen, dass eine solche Stärkung des Binnenmarktes möglich ist, schlägt Esken aber nicht vor. Das wäre dann doch zu traditionalistisch für die SPD von heute.
“Der Veränderungsmut in der Wirtschaft hängt genauso wie in der Gesellschaft davon ab, ob wir zuversichtlich in die Zukunft blicken oder schwarzmalen.”
In den neunziger Jahren hielt man so was noch für esoterisches Geschwätz, Teil dieses “Chaka, wenn du an dich glaubst, kannst du alles”-Kults aus den USA. In Deutschland hielt man doch mehr vom Rechnen. Aber wir sind hier schließlich in der Wirtschaftspsychotherapie, und wenn man einfach mal einen ordentlichen Schluck Optimismus nimmt, dann macht das gar nichts mehr, wenn die grundlegende Stromversorgung nicht mehr stabil ist oder die Banken knirschen, weil wegen der Sanktionen alle möglichen Gelder aus allen möglichen Ländern aus Europa abgezogen werden. Nur Mut! Nicht schwarzsehen! Das ist kein Abgrund, das ist nur ein negativer Berg.
“Insgesamt haben wir die Herausforderungen in den vergangenen beiden Jahren sehr gut bewältigt.”
Vielleicht hat sie auch einen großen schwarzen Kessel zu Hause, in dem sie Frösche und Schlangen kocht … oder tanzt bei Vollmond um ein großes Feuer.
“Zu einer leistungsstarken Infrastruktur gehören heute die erneuerbaren Energien und Stromnetze, die Datennetze, der Verkehr und nicht zuletzt die soziale Infrastruktur mit Bildung, Betreuung, Gesundheit und Pflege.”
Richtig, und deshalb wäre es gut, sie zu haben … und nicht ein Gesundheitssystem am Rande des Zusammenbruchs, bröckelnde Autobahnbrücken und eine Bahn, die ewig zu spät kommt. Aber vielleicht muss man nur oft genug um das große Feuer tanzen oder morgens mit dem Mantra aufstehen “es gibt kein Energieproblem. Es gibt kein Produktionsproblem. Es gibt keine Rezession. Die USA sind unsere Freunde”.
Zwischendrin gibt es sogar kurze Blitze von Erkenntnis.
“Verzichten zu können ist immer noch ein Privileg: Ich kann es mir leisten, kein Fleisch zu essen, ein eAuto zu fahren, lieber die Bahn zu nehmen als das Flugzeug. Menschen, die im Niedriglohnsektor arbeiten und nicht wissen, wie sie am nächsten Tag die Mahlzeit für die Kinder bezahlen sollen, haben diese Möglichkeiten nicht.”
Aber über Wohlstand möchte sie trotzdem nicht reden. Vermutlich sollen auch die Niedriglöhner einfach schön optimistisch in den Tag blicken und sich nicht in Depressionen reden lassen, ganz so, wie es Tante Esken empfiehlt. Wenn es dann im Winter mit der Habeck-Heizung kalt werden sollte oder der Teller der lieben Kleinen dennoch leer bleibt, helfen sicher ein paar warme Gedanken. Alles gut, mit ein bisschen “Orientierung und Zuversicht”.
“Und das macht Olaf Scholz.”
Sollte das aber einmal nicht reichen, gibt es eine kleine meditative Übung, die Frau Esken sicher noch in ihr Therapieprogramm aufnehmen könnte. Die geht so: Stellen Sie sich vor, Sie wären Rheinmetall. Und schon verfliegt aller Ärger, und selbst der Blick auf den Krieg in der Ukraine wird zum Vorboten einer verheißungsvollen Zukunft.
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