In Haiti ist es wiederholt zu einer massenhaften Lynchjustiz gekommen. In einem Elendsviertel am Rande der Hauptstadt Port-au-Prince wurden am Dienstag nach Angaben der Agentur Associated Press (AP) fünf mutmaßliche Bandenmitglieder getötet und verbrannt. Die Tat wurde demnach von einer Menschenmenge verübt.
Bei den Getöteten handelte es sich um Männer. Vier Leichen wurden entlang einer Autostraße zurückgelassen, die zum Haus des Anfang Juli 2021 getöteten Präsidenten Jovenel Moïse führt. Eine fünfte Leiche ließen die Täter vor einem Polizeirevier zurück. Die Polizei weigerte sich, den Zwischenfall zu kommentieren.
Ein ähnlicher Fall hatte sich in der vergangenen Woche ebenfalls in Port-au-Prince ereignet. Damals lynchte eine Menschenmenge 13 mutmaßliche Verbrecher, als die Polizei einen Minibus mit bewaffneten Männern anhielt und Waffen, Patronen und Mobiltelefone beschlagnahmte. Die Verdächtigen wurden von Passanten aus dem Bus weggezerrt. Einige Festgenommene wurden mit Benzin übergossen, anderen wurden mit Benzin gefüllte Autoreifen übergestülpt, die dann in Brand gesetzt wurden. Dem massenhaften Lynchmord war eine nächtliche Schießerei vor Ort vorausgegangen, die Hunderte Familien zur Flucht gezwungen hatte.
🇭🇹🇭🇹”Instinct de conservation” oblige ! C’est dommage qu’on en soit arrivé là. Mèsi chèf yo !🇭🇹🇭🇹 pic.twitter.com/c1dn8P2QDV
— Enock ARISMAT🇭🇹🤔🇭🇹🎤🖋📝 (@arismateno) April 28, 2023
Die Gewaltspirale zwingt immer öfter Einwohner des Krisenstaates in der Karibik dazu, die Justiz in die eigenen Hände zu nehmen. In den sozialen Medien kursieren viele Videos, die mit Macheten bewaffnete Einwohner zeigen, die mit Fahrzeugen Einfahrten zu ihren Vierteln sperren und versprechen, den dortigen Kriminellen den Garaus zu machen. Nach UN-Angaben wird die Hauptstadt inzwischen zu 80 Prozent von verschiedenen Banden kontrolliert.
Die Zeitung Miami Herald schreibt unter Berufung auf einen Menschenrechtler, dass in den letzten Tagen in Haiti ungefähr 100 mutmaßliche Bandenmitglieder getötet worden seien. Nach UN-Angaben soll die Mordrate zwischen Januar und März um 20 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gestiegen sein. Oft komme es zu Kämpfen zwischen rivalisierenden Gangs. Inzwischen ruft die örtliche Polizei, die den kriminellen Gruppen zahlenmäßig unterlegen ist, die Bevölkerung dazu auf, auf Selbstjustiz zu verzichten.
Mehr zum Thema – Die Einsamkeit der Plünderer: Kolonialismus ist für immer Makel des Westens